Lade nutzt mit Ladegreen KI, um bestehende Energiesysteme für die Elektrifizierung von Firmenflotten zu nutzen. Geht es da um die weitere Verbesserung des dynamischen Lastmanagements?
Dennis Schulmeyer: Unser KI-basiertes System fängt da an, wo herkömmliches dynamisches Lastmanagement an seine Grenzen stößt: Dann, wenn es darum geht, mehrere Ladepunkte mit Überschüssen aus der Solaranlage vor Ort zu versorgen. Die KI hilft aber auch in Bezug auf das Lastmanagement, wenn viele Ladepunkte an leistungsschwache Netzanschlüsse angeschlossen werden. Sie hilft dabei, die passende Portion Energie, die jeder wirklich braucht, zu ermitteln. Das ist auch für den Einfamilienhausbereich geeignet, wenn mehrere Elektroautos vorhanden sind.
Wie ermittelt die KI das notwendige Häppchen Strom für das Elektromobil?
Das übernehmen verschiedene Machine-Learning-Modelle, die im Hintergrund arbeiten. Diese ermitteln auf der einen Seite den Strombedarf eines Fahrzeugs und auf der anderen Seite die Verfügbarkeit an erneuerbarer Energie im Gebäude, an erneuerbarer Energie aus dem Stromnetz, den Bedarf des Gebäudes oder die Verfügbarkeit von Strom am Netzanschlusspunkt. Wir optimieren den gesamten Ladevorgang anhand der vorhandenen Daten.
Wie funktioniert das genau?
Zunächst wird der Fahrzeugbedarf ermittelt. Das ist noch relativ simpel. Die KI schaut sich die verschiedenen Gegebenheiten an: Wie oft und wann lädt ein bestimmtes Fahrzeug, wann fährt es weiter? Daraus versucht die KI ein Muster zu erkennen. Der nächste Schritt ist zu ermitteln, wie viel Energie das Auto braucht. Im besten Fall haben wir Zugriff auf den Ladezustand des Akkus, den State of Charge oder SOC. Dann können wir noch genauer regeln. Damit steht schon mal der Bedarf des Fahrzeugs fest.
Der nächste Schritt ist dann die Bereitstellung der Energie. Woher kommen diese Informationen?
Dazu müssen wir das Angebot an Energie kennen. Für den Photovoltaikstrom betrachten wir die Erzeugungsdaten der Wechselrichter vor Ort. Wir korrelieren diese mit Wetterdaten für den Standort. Bei der Nutzung von Netzstrom schauen wir uns wiederum in erster Linie die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien an. Dazu nutzen wir unser eigenes Modell, das man auch auf www.gruenstromprognose.de frei einsehen kann. Diese Daten korrelieren wir und haben so einen Überblick über das Komplettangebot an Strom, um den Bedarf jedes einzelnen Fahrzeugs abzudecken.
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Wie hoch aufgelöst sind die Daten?
Wir haben dafür eigene Modelle entwickelt und in unser System integriert. Denn in der Regel sind die Wetter- und Stromdaten nur für 24 Stunden im Voraus verfügbar. Doch wir schauen auch auf die vergangenen Wetterdaten, die wir mit den Stromerzeugungsdaten aus der Vergangenheit abgleichen. Daraus ermitteln wir, wie viel Potenzial Deutschlands erneuerbare Energieerzeugung unter welchen Wetterbedingungen hatte. Anhand der aktuellen Wetterbedingungen können wir daraus eine Prognose ermitteln, wie viel Solarstrom vom Dach und wie viel Ökostrom aus dem Netz zur Verfügung steht. Den darauf basierenden Ladeplan zeigen wir dem Nutzer in der App an. Er kann dann entscheiden, wie er lädt und wie viel Strom er zu welchem Zeitpunkt im Akku haben will.
Hier sind aber immer die Erneuerbaren priorisiert?
Richtig. Wir haben das zunächst auf das Ökostromangebot optimiert. Die erste Priorität hat der Solarstrom vor Ort. Reicht dieser nicht aus, schaut die KI auf das Angebot an erneuerbarem Strom im Netz. Erst wenn dieser nicht ausreicht, um genügend Strom in den Autoakku zu laden, greift sie auf Graustrom aus dem Netz zurück.
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Jeder Gewerbebetrieb und auch jeder Hauseigentümer hat ein anderes Verhalten. Muss die künstliche Intelligenz deshalb erst einmal angelernt werden?
Nein. Das machen wir vorher. Wir haben auf Basis unserer eigenen Daten und anderer Informationen für den entsprechenden Standort die Machine-Learning-Modelle vortrainiert. Nach der initialen Anlernphase muss der Nutzer im Regelfall nie mehr eingreifen. Er schaut in die App, ob alles passt. Bei einer Sondersituation, wenn er unvorhergesehen früher das Auto braucht, kann er das ebenfalls über die App einstellen. Dann lädt die Wallbox schneller mit dem Strom, der gerade vorhanden ist. Aber grundsätzlich nimmt ihm die KI die Entscheidung ab, wann und wie viel Energie das Auto optimal lädt.
Wie wird das Ganze installiert?
Wir steuern das nicht über Ethernet oder WLAN, sondern setzen ganz bewusst auf RS485-Kommunikation. Das macht die Installation und die Einrichtung einfacher. Außerdem kann das Kommunikationskabel 400 Meter lang sein, nicht wie bei Ethernet nur 100 Meter. Dadurch können wesentlich größere Parkflächen ausgestattet werden und es wird zur Einrichtung kein Netzwerktechniker gebraucht. Der Elektrohandwerker kann das ganz einfach anschließen. Der Betreiber braucht auch keinen Netzwerkschrank, keinen Switch.
Das Gespräch führte Sven Ullrich.
Weitere Informationen zum aktuellen Stand der Ladetechnologie für Elektroautos lesen Sie im Spezial Elektromobilität. Im vorangegangenen Teil unserer Serie zur Elektromobilität erfahren Sie, wie geladene Strommengen eichrechtskonform abgerechnet werden. Der nächste Teil beschäftigt sich mit dem schnellen Aufbau von Ladeinfrastruktur auf Parkplätzen. Im ersten Teil unserer Serie erfahren Sie, wie die Plattform von Libreo funktioniert und welche Möglichkeiten sie für das Laden in Unternehmen und zu Hause bietet.