Die Errichtungen der Windkraftanlagen an Land, aber auch die Genehmigungen neuer Windparkprojekte waren im ersten Quartal 2021 rückläufig – entgegen den Erwartungen zu Beginn des Jahres. Offenbar lassen die hohen Preise von Rohstoffen wie Stahl oder Kupfer und Lieferschwierigkeiten etwa von Chips zur elektronischen Datenverarbeitung manche Investoren ihre Projekte verschieben. Das legt eine Analyse des Berliner Energiewende-Think-Tanks Agora für das Nachrichtenwochenmagazin Der Spiegel nahe.
Tatsächlich haben sich die Kosten bei Stahl im Vergleich zum Stand von vor zwei Jahren sogar verdreifacht, bei Kupfer immerhin verdoppelt. Allein ein Windenergieturm legt der Branche aufgrund der Stahlpreisexplosion daher nun Mehrkosten von einer Million Euro auf, wie der Präsident des Bundesverband Windenergie (BWE), Hermann Albers, sich in dem Nachrichtenmagazin zitieren lässt. Die Kupferkosten erhöhen derweil die Ausgaben für Generatoren oder Kabel. Ursache der hohen Teuerung ist nicht zuletzt der Krieg in der Ukraine, weil aufgrund der Sanktionen gegen das angreifende Russland und ausfallender Lieferungen auch aus der nun blockierten Ukraine auch Stahlvorprodukte, Koks zur Energielieferung für die Stahlschmelze oder Stahllieferungen selbst ausfielen. Auch der Ausfall von Neongas aus der Ukraine ist wohl kritisch, das als zur Chipherstellung wichtiger Stoff gilt. Das ist deshalb ein Problem, weil der Weltmarkt ohnehin auch aufgrund internationaler Handelsstreitigkeiten zu wenig Chips liefert, die beispielsweise für die Steuerung von Windkraftanlagen wichtig sind. Mit Gleitklauseln in den Lieferverträgen für neue Windparks geben die Turbinenbauer inzwischen den Abnehmern das Risiko der unkalkulierbaren Rohstoffkosten weiter, indem sich die Anlagenlieferpreise an die Kostensituation anpassen.
Im Entwurf für die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2023 reagiert die neue Bundesregierung bereits auf die Teuerung. Das EEG soll demnach im Paragraph 36 b die jährliche Absenkung der zulässigen Höchstgebote bei den Ausschreibungen für Windparkprojekte zwei Jahre lang aussetzen und für 2023 und 2024 auf den Wert von 2022 einfrieren. Bis dahin kann die Bundesnetzagentur demnach bis zu 5,88 Cent pro Kilowattstunde für die Windstromeinspeisung als Gebotswert bezuschlagen. Die daraus folgende Vergütung erhält dann bekanntlich je nach Windverhältnissen am Windparkstandort noch Auf- oder Abschläge. „Ein Aussetzen der Degression in einer Phase verstärkter Unsicherheiten und Kostensteigerungen gibt dem Markt Verlässlichkeit und Konstanz“, heißt es dazu im Gesetzentwurf.
Doch die Überlegungen im Bundeswirtschaftsministerium reichen offenbar längst weiter, wie Der Spiegel mit Berufung auf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck berichtet. Gemäß dem durch andere Medien weiter verbreiteten Bericht will sich das Bundeswirtschaftsministerium nicht mehr auf die anvisierte Anpassung der Höchstgebotsobergrenze alleine als Gegenmaßnahme verlassen. Der mit Beginn der Kriegshandlungen erneut verschärften Teuerung und den zunehmend chronischen Lieferengpässen wird Habeck demnach vielleicht sogar mit Ausfallbürgschaften für Windparkprojekte entgegnen. Dann würde der Staat geplatzte Windparkprojekte übernehmen und sie einem anderen Windparkprojektierer weiterreichen, habe der Minister nach einem Spitzentreffen mit Vertretern der Erneuerbare-Energien-Branche erklärt. Dies hätte den Vorteil, dass die Windenergieanlagen-Hersteller „drauflosproduzieren“ könnten, ohne sich um gestrandete Projekte zu sorgen.
Zudem könnte offenbar kurzfristig eine Arbeitsgruppe im Ministerium entstehen, die bei der Beschaffung von Rohstoffen hilft. Auch Genehmigungen zum Bau neuer Fabriken zur Herstellung der Erneuerbare-Energien-Anlagen soll es leichter geben. Außerdem will das Bundeswirtschaftsministerium bei der Europäischen Union (EU) erreichen, dass diese neue Ökostromanlagen als Anliegen von gemeinsamem europäischem Interesse einstuft. Das ließe den Staat leichter die Erweiterung von Produktionskapazitäten für die Grünstromanlagen fördern. Auch bei der Anwerbung von Fachkräften soll gemäß den im Spiegel präsentierten Plänen das Bundeswirtschaftsministerium helfen, indem es diese koordiniert.
Bei einem Gespräch mit Journalisten bestätigte BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm am Freitag derweil die Dringlichkeit einer gesetzlichen Reaktion auf die Teuerungen und Lieferengpässe so: Gut sei, dass die Bundesregierung den Handlungsbedarf erkannt habe und im EEG-2023-Entwurf nicht nur die Gebotsobergrenze von 5,88 Cent pro kWh bis 2024 festgeschrieben habe, sondern eine weitere Verordnungsermächtigung vorsehe. Diese findet sich im Gesetzentwurf im Paragraf 88 f. Demnach darf die Regierung durch eine Rechtsverordnung – ohne die sonst beim EEG übliche Einbeziehung der Bundesländer durch Zustimmung des Bundesrats – die Vergütungshöhen weiter anpassen oder eine andere Vergütungsregel einführen.
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