Die Wärmewende erhält erst seit einigen Jahren etwas mehr Aufmerksamkeit – durch die Diskussion um Versorgungssicherheit und russisches Gas in den vergangenen Wochen dann nochmals etwas mehr. Doch während Wind und Sonne bereits etwa die Hälfte unseres Strom liefern, decken regenerative Wärmequellen weniger als ein Fünftel des Wärmebedarfs. Dabei werden 56 Prozent unserer Energie für Wärme benötigt. Politik und Kommunen müssen daher dringend die saubere Wärmeversorgung einleiten. Die oberflächennahe Geothermie, also die Nutzung von Erdwärme mittels Wärmepumpen, könnte dabei eine maßgebliche Rolle spielen. Wie das Fraunhofer für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG in seiner neuen „Roadmap Oberflächennahe Geothermie - Potenziale, Hemmnisse und Handlungsempfehlungen“ darlegt, könnte diese Technologie den Wärmesektor flächendeckend klimaneutral machen. Zusammen mit den Auftraggebern – Bundesverband Geothermie (BVG), Bundesverband Wärmepumpe (BWP) und der Erdwärme Gemeinschaft Bayern stellte das IEG die Roadmap heute der Presse vor.
Rolf Bracke grenzte zunächst die Technologie ein. Es geht also nicht um Tiefengeothermie, sondern um alles, was weniger als 400 Meter unter der Erde liegt (Grafik oben, dort linke Bildhälfte). Wie Bracke zeigt, kann oberflächennahe Geothermie eine wichtige Rolle für die kommunale Wärmewende spielen. Besonders interessant dabei eine neue Technologie: Das Fraunhofer hatte an seinem Campus in Bochum eine Erdwärmepumpe installiert, die unterirdisch sternenförmig auseinander geht. Durch diese sternförmigen Bohrungen ließ sich auch der Bereich unter angrenzenden Gebäuden nutzen (Grafik unten).
Damit wird deutlich, dass der Flächenverbrauch der Erdwärmetechnologie oberirdisch sehr gering sein kann. Zudem wird auch nochmal deutlich, dass diese Geothermie auch für Bestandsanlagen geeignet ist.
435.000 Erdwärmepumpen gibt es in Deutschland – und 770.000 Luftwärmepumpen. Letztere erlebte in den letzten Jahren einen Boom, weil sie einfacher zu installieren ist. Dabei hat die Erdwärmepumpe ihr gegenüber wichtige Vorteile: Der Strombedarf der Luftwärmepumpen sei auf Grund der geringeren Jahresarbeitszahl höher als der Bedarf von Erdwärmepumpen gleicher thermischer Leistung, heißt es in der Roadmap. Ein hoher Anteil an Erdwärmepumpen begründet also einen geringeren Strombezug. „Eine Verschiebung des Anteils an Erdwärmepumpen im Feldbestand von 20% auf 50% ergäbe bei einem Bestand von 15 Mio. Wärmepumpen eine jährliche Reduzierung des Strombedarfes um 7,5 TWh. Dies entspricht 1,35% des gesamten Bruttostromverbrauchs in Deutschland 2020. Zusätzlich reduzieren Erdwärmepumpen die Lastspitzen bei kalten Außentemperaturen, wenn systembedingt die Effizienz der Luftwärmepumpe am niedrigsten ist oder elektrische Heizstäbe die Versorgung übernehmen müssen.“ Erdwärme sei einfach auch besser, weil der Untergrund eine Grundwärme bereitstellt, so Bracke.
Nach der Vorstellung der Bundesregierung sollen 2030 rund sechs Millionen Wärmepumpen installiert sein, 2045 dann 12 bis 15 Millionen. „Uns fehlen demnach jedes Jahr Neuinstallationen im mehrstelligen 100.000er-Bereich“, so Bracke. Woran liegt es? Welche Hürden stehen einem schnellen Ausbau im Weg?
Ein Riesenproblem ist demnach der Fachkräftemangel. Für die Planung, Dimensionierung, Erstellung, Installation und Genehmigung geothermischer Wärmepumpensysteme sind entsprechende Kapazitäten und gut aus- oder weitergebildete Fachkräfte für alle notwendigen Prozess- und Arbeitsschritte unabdingbar. Aktuell gibt es im Sanitär/Heizung/Klima-Bereich knapp 400.000 Beschäftigte in Deutschland. Die Branche ist – wie viele andere Bereiche des Handwerkes – akut von Fachkräftemangel betroffen. Während im Jahr 2020 der Branche bereits 10.000 Fachkräfte fehlten, steigt die Lücke bis 2030 auf gut 30.000. Zusätzlich verstärken die Anforderungen der Energie- und Wärmewende, wie z.B. auch die Installation und Wartung geothermischer Wärmepumpenanlagen, diesen Mangel um weitere 20.000 Fachkräfte. Betrachtet man gesamtgesellschaftlich alle handwerklichen Berufe, so ist das SHK-Handwerk eine der am stärksten vom Fachkräftemangel betroffenen Handwerksbranchen. Zur grundlegenden Überwindung dieses Mangels ist die Umsetzung einer (ggf. auch branchenübergreifenden) Fachkräfteoffensive „Energiewende“ für das Handwerk notwendig. Das empfiehlt die Roadmap.
Anderes Beispiel sind Bohrfirmen: Der forcierte Ausbau von Erdwärmepumpenanlagen erfordert größere Kapazitäten bei den ausführenden Bohrfirmen, eine Erhöhung der Anzahl installierter Anlagen führt linear zu einer Erhöhung der abzuteufenden Bohrmeter. So erfordern 200.000 zusätzliche Erdwärmepumpen jährlich mehr als 40 Mio. zusätzliche Bohrmeter pro Jahr, d.h. mindestens 2500 zusätzliche Bohrgeräte mit mindestens 6.250 Fachkräften müssen verfügbar sein.
Aber auch der regulatorische Rahmen muss optimiert werden. Entsprechende restriktive Maßnahmen gegenüber fossilen Heizungen forcieren zwangsläufig erneuerbare Alternativen. Zum Gelingen der Wärmewende und für den weiteren Zubau von Erdwärmepumpenanlagen erfordert es daher Das Verbot des Einbaus fossiler Heizungen. Positive Erfahrungen wurden hierzu bereits in Dänemark und den Niederlanden gemacht. Die Ankündigung, dass ab 2024 neue Heizungsanlagen zu 65% erneuerbare Energien einsetzen sollen, ist ein richtiger Schritt. Es gilt diesen konsequent umsetzen. Perspektivisch ist ein Komplettverbot deutlich vor 2045 notwendig. Darüber hinaus bedarf es eines Fahrplans für die Austauschpflicht bestehender fossiler Heizungen. Dieser ist frühzeitig anzukündigen, ggf. auch monetär weiter zu unterstützen und kann gestuft erfolgen. Für den Zielpfad bis 2045 muss dieser Fahrplan kurzfristig erarbeitet werden. Die in Deutschland eingeführte CO2-Bepreisung ist – auch vor dem Hintergrund der aktuellen Verwerfungen auf dem Energiemarkt – als regulatorisches Steuerungsinstrument konsequent weiter zu verfolgen.