Derzeit wird das sogenannte Osterpaket heftig diskutiert, auch weil es selbst ohne Berücksichtigung der neuen Situation durch den Ukraine-Krieg vielen nicht weit genug geht. Längst nicht alle Hürden wurden bisher aus dem Weg geräumt. Wir sprachen darüber mit Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (BNE). Der BNE hat auch eine Stellungnahme zum Referentenentwurf für das EEG 2023 abgegeben.
Warum ist ein schneller Ausbau der Erneuerbaren geopolitisch sinnvoll?
Robert Busch: Norbert Röttgen hat es kürzlich auf den Punkt gebracht: Rund eine Milliarde Euro bekommt Russland tagtäglich für Gas und Öl von uns überwiesen. Das macht klar, dass die Energiewende nicht nur für den Klimaschutz elementar ist, sondern sich auch ressourcen- und geostrategisch legitimiert, selbst wenn der Klimawechsel nicht wäre. Fakt ist doch, dass wir momentan über fossile Energieimporte russische Munition bezahlen, die gegen die Ukraine verwendet wird. Wenn wir das ändern wollen, müssen wir unsere Abhängigkeit von Russland beenden – so schnell es geht. Ich hätte mir zwar gewünscht, dass nicht erst der Schmerz diese Erkenntnis freilegt, sondern die schon vorher bekannten Argumente. Aber das ist ja kein neuer Mechanismus.
Der Referentenentwurf für das EEG 2023 – sind Sie damit zufrieden?
Robert Busch: Der Entwurf geht in die richtige Richtung, muss jetzt aber im weiteren Verfahren – nicht zuletzt durch die Zeitenwende des Ukraine-Kriegs und der Folgen – deutlich nachgeschärft werden. 100 Prozent Erneuerbare im Stromsektor bis 2035 sind der richtige Kurs. Es gibt aber auch Aspekte, die überholt erscheinen, wie etwa Mengendeckel. Bei den großen Industriedächern sind im Referentenentwurf zum Beispiel 650 MW festgelegt. Das ist eher ein Rückschritt, 2019 hatten wir unter einem anderen Regime bereits 800 MW. Den Ausbau hier überhaupt durch EEG-Vorgaben zu begrenzen, ist nicht das Richtige. Das Ministerium ist immer noch etwas steuerungswütig aus Sorge, die Kontrolle zu verlieren. Es gibt ja kein Zuviel an erneuerbaren Energien. Wenn wir Sektorenkopplung machen also mit Ökostrom auch noch fahren, heizen und eine weitgehende Elektrifizierung der Industrie herbeiführen wollen, dann würde ich mir nicht so sehr Gedanken über ein Zuviel an erneuerbaren Energien machen, sondern eher die Frage ins Zentrum rücken, wie der Ausbau schnell und unbürokratisch beschleunigt werden kann. Der Erneuerbaren-Ausbau muss jetzt entfesselt und nicht weiter gegängelt werden. Dafür müssen die Ausschreibungsmengen im EEG noch deutlich erhöht werden. Unterm Strich muss man sagen: Viele Probleme sind angepackt worden. Vor dem Hintergrund der Ukrainekrise sollte man allerdings nachlegen. Hemmnisse müssen noch konsequenter abgebaut werden.
Aber Sie sind auch weiterhin für Ausschreibungen? Oder sollten wir alles über PPAs laufen lassen?
Robert Busch: Wir brauchen definitiv beides und erleben ja in der Praxis auch eine gute Koexistenz von EEG und PPAs.
Wie bewerten Sie die Streichung der EEG-Umlage?
Robert Busch: Den Wegfall hatten wir lange gefordert. Die Wegnahme der EEG-Umlage ist richtig, weil die zentrale Zukunftsenergie Strom damit entlastet und die Sektorenkopplung erleichtert wird. Auf den Strompreis wurde ja über die Jahre alles draufgepackt, was es an Steuern, Umlagen und Abgaben gibt. Dem lange bekannten Handlungsbedarf folgten jetzt endlich Taten. Das neue Umlagegesetz wird die Stromrechnung entlasten. Das ist richtig, um Wärmepumpen und Elektroautos nicht länger zu benachteiligen.
Wer profitiert davon und müssten dabei nicht stärker sozialpolitische Aspekte bedacht werden?
Robert Busch: Jeder hat einen Vorteil, wenn der Strom günstiger wird. Wenn man dabei soziale Aspekte berücksichtigen will, sollten in erster Linie sozialpolitische Maßnahmen gewählt werden und keine Eingriffe in den Energiemarkt. Energiearmut ist ja letztlich Finanzarmut, für die es einen sozialen Ausgleich geben sollte. Eventuell müsste Strom in den Sozialleistungen anders geregelt werden – im Wärmebereich gibt es ja auch eine Direktzahlung. Der Ausbau der Erneuerbaren wirkt grundsätzlich preissenkend. Wenn die Windenergieanlage erst einmal steht, dann produziert sie Strom, ohne Rohstoffverbrauch. Diese preissenkende Wirkung der Erneuerbaren sollte auch beim Kunden ankommen.
Wie beurteilen Sie das Thema Netzentgelte?
Robert Busch: Da sprechen Sie ein großes Thema an. Eine Reform der Struktur bei den Netzentgelten muss dringend angegangen werden. Die Frage ist: Können die Netzentgelte von der Struktur so bleiben, nämlich über die Kilowattstunde? Oder muss man zu etwas anderem kommen? Wir schlagen hier die Einführung eines Infrastrukturbeitrags vor, der die Leistungspreise und Arbeitspreise durch ein fixes Netzanschlussentgelt ersetzt. Das ist ein großes Thema für sich, das Auswirkungen auf fast alle Geschäftsmodelle hat.
CfD werden ja sehr unterschiedlich bewertet. Ein Teil der Regenerativbranche wünscht sie sich, anderen sehen eher Nachteile. Wie sehen Sie das?
Robert Busch: Wir sehen das Problem, dass CfD je nach Ausprägung marktlichen Lösungen schaden können. Die Idee ist ja, dass Unternehmen einen Teil abgeben müssen, wenn sie sehr hohe Gewinne machen. Wenn diese Gewinne dann komplett abgeschöpft werden, fehlen die Anreize sich marktkonform zu verhalten. Das ist sehr marktfern. Ein Kompromiss wäre eine anteilige Lösung, sodass man den Markt nicht völlig ausschließt.
Wenn man sich noch mehr dem Markt annähert, ist man ja schon beim PPA.
Robert Busch: Richtig, PPAs sind aus unserer Sicht die deutlich bessere Lösung für die Marktintegration erneuerbarer Energien. Dieser Weg sollte weiterhin ermöglicht und gestärkt werden.
Es gibt auch Stimmen, die sagen: Man sollte das EEG ganz abschaffen.
Robert Busch: Nicht abschaffen, aber weiterentwickeln. Man sollte das EEG zu einer Art Erneuerbaren-Innovationsgesetz machen. Das frühere Modell, wonach eine geförderte Technologie schlicht Mengen produziert, ist heute zu wenig. Wenn man dringend benötige Innnovationen, wie z.B. Solarparks mit Speichern, speziell fördert, würde das den nächsten Schritt der Technologie anreizen.