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Viele Quellen machen’s warm

Katharina Wolf

Es ist ein oft gesungenes Lied: Wer die Energiewende will, darf die Wärmeversorgung nicht vergessen. 2020 entfielen rund 120 Millionen Tonnen CO2-Emissionen auf den Gebäudebereich, ein Anteil von 16 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland.

Einigkeit besteht auch weitgehend darüber, dass hier noch einiges im Argen liegt. 2030 soll der Gebäudesektor nur noch 67 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen, doch erst vor kurzem veröffentlichten die zuständigen Minister Klara Geyer (Bau) und Robert Habeck (Wirtschaft und Klima) ein Sofortprogramm, weil der Sektor sein Zwischenziel 2021 nicht erreichen konnte. Die Minister rechnen erst ab 2028 mit einer „Übererfüllung der Ziele“, vorher sei die Einsparquote nicht zu schaffen. Gleichzeitig zeigt der Krieg in der Ukraine, wie fatal sich die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen auswirken kann.

1 Million Tonnen Kohlendioxid (CO2) pro Jahr entfallen auf die Fernwärme in Hamburg.

Kohlekraftwerke müssen ersetzt werden

Viele Energieversorger sind indes schon längst dabei, ihre Wärmeversorgung umzubauen. „Hamburg hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 aus der Kohle auszusteigen“, sagt Christian Heine, Sprecher der Geschäftsführung der Hamburger Energiewerke. Keine ganz leichte Aufgabe: Zwei Kohleheizkraftwerke, Wedel im Westen und Tiefstack im Osten, und damit 64 Prozent der Fernwärmeleistung der Stadt, müssen ersetzt werden. „Wir haben eine Jahresleistung von vier Terawattstunden thermische Wärme. Derzeit ist die Fernwärme mit einer Million Tonnen CO2-Ausstoß im Jahr der größte Einzel-emittent in Hamburg“, so Heine.

Gelingen soll der Umbau nach einem Prinzip, das ein bisschen an ein Eichhörnchen vor dem Winter erinnert: An den unterschiedlichsten Stellen wollen die Hamburger Wärmequellen auftun, Leistung einsammeln und speichern. Von industrieller Abwärme und Müllverbrennung über Flusswasserwärmepumpen, Power-to-Heat und Wärmespeicherung in grundwasserleitender Gesteinsformation (Aquifer) bis hin zur Umrüstung des Kraftwerks Tiefstack auf Biomasse aus Restholz und Erdgas, um Verbrauchsspitzen abfangen zu können – es müssen viele Quellen angezapft werden, um aus der Kohle auszusteigen. „All diese Komponenten werden im Hamburger Fernwärmesystem künftig ihren Beitrag leisten. Das schafft mehr Flexibilität und erhöht die Versorgungssicherheit“, betont Heine.

Anstelle der Kohlekraftwerke entstehen zwei modulare Energieparks: der Energiepark Hafen, der 2025 das Heizkraftwerk Wedel ersetzen soll, und der Energiepark Tiefstack, der bis 2030 das gleichnamige Kraftwerk ablöst. „Damit senken wir die CO2-Emissionen der Fernwärme bis 2030 um 80 Prozent auf 200.000 Tonnen, während wir gleichzeitig ihren Marktanteil von 25 auf 35 Prozent steigern“, so Heine.

Windwärme 
Power-to-Heat wandelt am Standort des Heizkraftwerks Wedel künftig Windstrom in Wärme zum Heizen um. Rund 23.000 Liter Wasser werden dafür über Wärmetauscher pro Elektrokessel auf bis zu 138 Grad Celsius erwärmt und in das Hamburger Fernwärmenetz eingespeist.

Eine Vielzahl von Wärmequellen soll in Hamburg angezapft werden, um die Fernwärme CO2-frei zu machen.

Bild: Hamburger Energiewerke

Eine Vielzahl von Wärmequellen soll in Hamburg angezapft werden, um die Fernwärme CO2-frei zu machen.

Flusswasser-Wärmepumpen mit 230 MW

Den größten Anteil grüner Wärme sollen in Tiefstack künftig zwei Flusswasser-Wärmepumpen beisteuern, die ihre Wärme überwiegend aus Bille und Elbe gewinnen. Sie können mit einer Leistung von rund 230 Megawatt 130.000 Haushalte mit grüner Wärme versorgen und wären derzeit die größten geplanten Anlagen hierzulande. Am Standort Wedel wird mit 80 MW Leistung zudem eine der größten Wind-zu-Wärme-Anlagen Deutschlands zur kommenden Heizperiode ihre Arbeit aufnehmen.

Wasserstoff ist in Hamburgs Fernwärmekonzept noch nicht vorgesehen: „Wir sehen Wasserstoff im Markthochlauf zunächst eher in der Industrie und Mobilität, und erst später auch in der KWK“, sagt Heine. Fernwärme für den verdichteten Raum in der Stadt, Elektrifizierung mit Wärmepumpen in Kombination mit PV und Speicher bei Einzelhäusern, lautet die Hamburger Devise.

Das Forschungsprojekt H2 Direkt nutzt das vorhandene Erdgasnetz für Wasserstoff.

Bild: Thüga/ESB

Das Forschungsprojekt H2 Direkt nutzt das vorhandene Erdgasnetz für Wasserstoff.

Projekt H2Direkt in Bayern

Einen anderen Ansatz verfolgen der regionale Energieversorger Energie Südbayern, dessen Verteilnetzbetreiber Energienetze Bayern und die Thüga im Süden Deutschlands im Forschungsprojekt H2Direkt. Es nimmt im kleinen Maßstab eine große Herausforderung an - die Nutzung eines vorhandenen Erdgasnetzes für reinen Wasserstoff. Die Idee klingt einleuchtend: Warum die Haushalte mit viel Aufwand an die Fernwärme anschließen oder mit Wärmepumpen versorgen, wenn doch die Gasinfrastruktur schon bis in die Wohnungen reicht?

Zehn Haushalte und ein Gewerbebetrieb im bayerischen Markt Hohenwart werden für H2Direkt zu einem Inselnetz zusammengeschlossen und ab der Heizperiode 2023/24 zunächst anderthalb Jahre lang mit 100 Prozent Wasserstoff versorgt. „Wir sehen die Frage nach Wasserstoff in der Wärmeversorgung nicht als Entweder-Oder“, sagt Béatrice Angleys, Innovationsmanagerin bei der Thüga. „Wir sollten technologieoffen vorgehen und nicht ausschließlich auf Wärmepumpen und Fernwärme setzen.“

Erste Ergebnisse erhoffen sich die Projektpartner, die auch Teil des Wasserstoffleitprojekts Trans-
hyde des Bundesforschungsministeriums sind, noch während des laufenden Feldtests: Wie groß ist der Aufwand für Umbauarbeiten am Netz und bei den Verbrauchern? Wie kann die Wasserstoffbeschaffung - gegebenenfalls auch lokal - gestaltet werden? Und am Ende: Kann das Projekt weitergeführt werden und sogar eine Blaupause zumindest für einen Teil der Wärmeversorgung sein?

„Jetzt ist es wichtig, in die kommunale Wärmeplanung einzusteigen.“

Béatrice Angleys, Innovationsmanagerin, Thüga

Kommunale Wärmeplanung als Basis

„Jetzt ist es wichtig, in die kommunale Wärmeplanung einzusteigen“, betont Angleys. Es gelte, die unterschiedlichen Möglichkeiten und Bedarfe aufeinander abzustimmen und dabei weder Versorgungssicherheit, noch soziale Aspekte aus dem Blick zu verlieren. „Im Bestand hat das Gasnetz eine Zukunft“, ist Angleys überzeugt. „Langfristig wird die gesicherte Versorgung mit klimafreundlichem Wasserstoff kein Thema mehr sein. Die 500.000 Kilometer Gasnetz in Deutschland sind ein funktionierendes Asset. Es lohnt sich deshalb zu prüfen, wie weit wir es nutzen können.“

Sie wünscht sich mehr Unterstützung aus der Politik. „Es sind noch zu viele Detailfragen offen: Was ist grüner Wasserstoff? Wie definieren wir die Klimafreundlichkeit der unterschiedlichen Brennstoffe?“ Zu viele Unsicherheiten sorgten dafür, dass kommunale Unternehmen wie viele andere auch Investitionen wegen des Risikos scheuten und am Ende aufs falsche Pferd gesetzt zu haben. „Wir brauchen die Investitionen aber jetzt“, so Angleys.

Auch Christian Heine hat Wünsche an die Politik, vor allem in Brüssel: „Die Bundesregierung legt vor und wir warten dann auf die Genehmigung der EU.“ Das betreffe wichtige Förderungen wie die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW, siehe Kasten Seite 107) ebenso wie viele IPCEI-Projekte (Important Projects of Common European Interest) und Teile des Erneuerbare-Energien-Gesetzes EEG 21. „Die alternativen Wärmequellen haben wir, die Technik auch, die Komplexität bekommen wir in den Griff“, ist der Geschäftsführer überzeugt. 

Bundesförderung

Gerade hat die Europäische Kommission die deutsche Regelung zur finanziellen Förderung grüner Fernwärme gebilligt. Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) soll künftig den Ausbau von Wärmenetzen auf Basis erneuerbarer Energien und Abwärme vorantreiben.

Insgesamt stehen rund drei Milliarden Euro Fördergelder für grüne Fernwärme im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze bereit. Das Programm soll Mitte September starten und ist bis 30. August 2028 befristet. Zuständig wird das Bundesamt Bafa sein.

Deutschland hatte das Förderprogramm zur Umstellung der Wärmenetze auf Treibhausgasneutralität und zum Bau neuer klimaneutraler Netze im Juni 2022 bei der Kommission angemeldet. Die Beihilfe soll in Form von direkten Zuschüssen gewährt werden. Durch die Maßnahme werden Machbarkeitsstudien für den Bau und Transformationspläne für bestehende Fernwärmenetze mit bis zu 50 Prozent der entstehenden Kosten unterstützt. Sie müssen auf die Wärmeversorgung von mehr als 16 Gebäuden oder mehr als 100 Wohneinheiten ausgerichtet sein. Ein weiteres Fördermodul sind Investitionsbeihilfen in Höhe von bis zu 40 Prozent für den Bau neuer Fernwärmesysteme und den Umbau von Bestandsnetzen, bei denen erneuerbare Energien und Abwärme einen Anteil von mindestens 75 Prozent ausmachen.

Weitere Informationen: www.bafa.de