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Warme Rohre unter der Stadt

Nicole Weinhold

Helm auf und ab in die Unterwelt. Mit jeder der 140 Treppenstufen wird es etwas wärmer. Bis in 23 Meter Tiefe unter dem Mierendorffplatz in Berlin-Charlottenburg geht es zu Berlins größter Fernwärme-Pumpstation. Die Energieeinsparinitiative Berlin, ein Zusammenschluss Berliner Unternehmen und Institutionen, die Verbraucher:innen Energieeinsparungen erleichtern will, hatte zur Pressereise durch die Landeshauptstadt eingeladen. Hier in der unterirdischen Berliner Energiestation beschleunigen Pumpen 50 bis 110 °C heißes Wasser durch ein Netz aus Fernwärmeleitungen, um den Westteil der Stadt zu beheizen und mit Warmwasser zu versorgen. „Hier geben wir dem Wasser neuen Schwung“, sagt Steffen Richter von der BEW Berliner Energie und Wärme GmbH.

Zehn Erfolgsfaktoren fürs Klima

Die Wärme wird zwar effizient über Fernwärmeleitungen verteilt, sie stammt aber aus dem erdgasbetriebenen Heizkraftwerk Charlottenburg. Und das ist keine Ausnahme. Fast die gesamte Berliner Wärme in den Fernleitungen stammt aus Gas, ein bisschen auch aus kohlebefeuerten Kraftwerken. Die Landeshauptstadt hat eine riesige Aufgabe vor sich, wenn es um die kommunale Wärmewende geht.

Die Energieeinsparinitiative ist im Kontext der Energiekrise des Jahres 2022 gegründet worden. In einem Positionspapier stellt die Initiative klar, ein Großteil der städtischen CO₂-Emissionen sei auf den Energie- und Wärmeverbrauch in Gebäuden zurückzuführen. Vor allem dieser Sektor biete also erhebliches Potenzial für Reduktionen.

Besonders in urbanen Gebieten und auf öffentlichen Gebäuden sollten Solar- und Windkraftanlagen stärker gefördert werden.

Auszug, Positions­papier der Energie­einsparinitiative

Zehn Erfolgsfaktoren für das Erreichen der Klimaziele bis hin zur Klimaneutralität 2045 benennt die Energieeinsparinitiative in dem Positionspapier. Unter anderem geht es darum, den Ausbau erneuerbarer Energien finanziell tragfähig zu gestalten, gezielte Förderprogramme zu entwickeln und wirtschaftliche Anreize zu setzen. „Besonders in urbanen Gebieten und auf öffentlichen Gebäuden sollten Solar- und Windkraftanlagen stärker gefördert werden“, heißt es dort. Gleichzeitig seien Steuererleichterungen für Unternehmen und Privatpersonen, die nachhaltige Baupraktiken umsetzen, notwendig.

Ein großer Teil der CO₂-Emissionen im Gebäudesektor ist auf ineffiziente und veraltete Heizsysteme zurückzuführen. Die Energieeinsparinitiative Berlin empfiehlt daher, gezielte Fördermaßnahmen und Beratungskonzepte zur Modernisierung bestehender Heizsysteme und zur Umsetzung eines Heizungschecks und eines hydraulischen Abgleichs einzuführen. Letzterer sorgt für eine gleichmäßige Wärmeverteilung im Heizsystem und erhöht die Energieeffizienz erheblich.

Die Initiative fordert zudem von der Politik, die Energiearmut in Berlin zu bekämpfen. Deutschlandweit seien je nach Indikator zwischen einer und sieben Millionen Haushalte von Energiearmut betroffen. Viele betroffene Haushalte verfügen nicht über die finanziellen Mittel, um in klimafreundliche Technologien, wie Wärmepumpen oder Elektroautos, zu investieren bzw. auf energieeffiziente Alternativen umzusteigen.

Empfohlen wird daher die finanzielle und strukturelle Förderung von Energiesparprogrammen, eine verstärkte Unterstützung der Schuldnerberatung in Energiefragen sowie der Ausbau der allgemeinen unabhängigen Sozialberatung, die Vorhaltung wirksamer Härtefallfonds bei Energieschulden sowie kostenfreie Beratungsangebote für Vermieter und Mieter zur Reduzierung der Energiekosten sowie umfassende Förderprogramme zur energetischen Sanierung auf Landesebene.

2.000 Kilometer umfasst das Berliner Fern­wärmenetz. Es ist das größte Westeuropas.

Ein weiteres Anliegen ist der Gruppe der Fokus auf Quartierslösungen. „Quartierslösungen sind zentral für eine erfolgreiche Umsetzung der Wärmewende und wichtiger Baustein der Berliner Wärmestrategie.“ Im Vergleich mit Einzellösungen ermöglichten sie eine deutlich effizientere Nutzung lokaler Wärmequellen sowie eine kostengünstigere Verteilung der Wärme. In Quartieren seien Informations- und Unterstützungsangebote für Einzeleigentümer wichtig, die sich an ein Wärmenetz anschließen lassen möchten. „Das Land sollte Quartiersansätze durch die Standardisierung von Abläufen und die Förderung von Beratungslotsen unterstützen.“ Der vollständige Zehn-Punkte-Plan ist auf der Website der Initiative zu finden.

Im Rahmen der Pressereise durch die Stadt geht es derweil auch um die Frage, ob das Handwerk gut aufgestellt ist, um die neuen Anforderungen zu meistern: Klimaschonende Technologien wie etwa die Wärmepumpe verlangen anderes Fachwissen als die konventionelle fossile Heiztechnik. Ein Besuch beim SHK-Ausbildungszentrum gibt Einblick: Hier werkeln Auszubildende in kleinen Gruppen an verschiedenen Apparaturen und erlernen so Fähigkeiten, die auch viele ihrer Vorgesetzten jetzt erst vermittelt bekommen. Die Wärmepumpe ist dabei die wichtigste Technologie. Bis vor ein paar Jahren haben viele Heizungstechniker es abgelehnt, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Doch jetzt sei klar, dass daran kein Weg vorbeiführe, sagt Andreas Koch-Martin, Geschäftsführer der Innung SHK Berlin. „Wir erleben eine Zeitenwende.“

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