Hans-Christian Lohmeyer verfügt mitten in Soltau über aneinander angrenzende Grundstücke, auf denen u.a. ein denkmalgeschütztes Haus aus dem Jahr 1896 steht, das seine Zahnarztpraxis mit angeschlossenem Labor beherbergt. Daneben gibt es im Rosenhof-Quartier ein Zwei-Parteien-Haus aus dem Jahr 1962 und ein neu errichtetes KfW-Effizienzhaus 40 Plus, das über eine kleine Photovoltaikanlage verfügt. Die Energieverbräuche sind aufgrund des Altbau-Charakters der zwei Gebäude und des energieintensiven Gewerbes hoch: Der Gasverbrauch liegt bei 180.000 Kilowattstunden, während etwa 45.000 Kilowattstunden elektrischer Energie für die Gebäude und das E-Auto von Tesla benötigt werden. Bereits während des Baus des neuen Gebäudes 2019 keimte in Lohmeyer der Wunsch nach mehr energetischer Autarkie. Doch keines der Gebäude verfügt über eine geeignete Dachfläche, um genügend Solarstrom zu produzieren. So reifte die Idee, ein weiteres Gebäude für eine große Photovoltaik-Anlage auf dem Grundstück zu bauen. Ein großes, Carport-ähnliches Gebäude entstand.
Flurstücke verschmelzen
Ein weiteres Problem: Wie können die aneinander grenzenden Flurstücke so verschmolzen werden, dass am Ende nur ein Einspeisepunkt übrig bleibt? Denn das hatte der zuständige Netzbetreiber bei einer Erstbesprechung gefordert. Aber die Stadtwerke Soltau zeigten sich erstaunlich offen, als sie das Energiekonzept sahen. Kurz darauf war die Grundstücksverschmelzung abgeschlossen.
Eine Offenheit, die auch der Messstellenbetreiber Discovergy bestätigt, der zunehmend Mieterstromlösungen gebäudeübergreifend in Quartieren realisiert. Neben dem Messstellenbetrieb mit digitalen Stromzählern übernimmt Discovergy für integrierte Energiekonzepte in Quartieren auch das Energiemonitoring und optional Abrechnungs- und Zahlungsmanagement.
Das Energiekonzept in Soltau sieht u.a. Zusammenlegung der Netzanschlüsse, Umsetzung eines Nahwärmekonzepts und parallele Eigenversorgung über Gas-Verstromung vor. Photovoltaikanlage (75 kW) und drei E3/DC-Speichersysteme vom Typ Quattroporte XXL (78 kWh, Ausspeiseleistung 18 kW) sorgen für die Stromversorgung im Sommer. Ein Blockheizkraftwerk mit 11 kW elektrisch und 33 kW thermisch nutzt im Winter Naturgas und wird zentraler Bestandteil des Nahwärmenetzes. Ein Spitzenlastkessel sorgt an sehr kalten Tagen für zusätzliche Wärmeversorgung. Im Sommer übernehmen zwei Brauchwasser-Wärmepumpen die Warmwasserbereitung.
70.000 Kilowattstunden vom Dach
Mit einer PV-Erzeugung von 70.000 Kilowattstunden pro Jahr, dem zusätzlichen Strom aus dem BHKW (33.000 kWh) und einem Eigenverbrauchsanteil von 75 Prozent geht das komplexe Konzept im Soltauer Quartier gut auf. Und: Das alles gelang, ohne im denkmalgeschützten Haus etwa die Fassade durch Dämmung oder die Heizkörper verändern zu müssen. Das wäre nötig geworden, hätte das Konzept die Integration einer Wärmepumpe vorgesehen. Die Bundesregierung plant innerhalb weniger Jahre, nur noch Heizungen zuzulassen, die mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien umfassen.
Als externer Messstellenbetreiber agiert im Rosenhof-Quartier Discovergy. Ohne deren digitalen Stromzähler sind die Abrechnungen solcher Quartiere extrem aufwändig und kaum realisierbar. Erzeugung und Verbrauch kann Energieversorger Lohmeyer jederzeit im Discovergy-Portal online oder via App kontrollieren. Außerdem sind bestimmte Steuerungsaufgaben ohne digitale Messeinrichtungen nicht möglich. Da geht es beispielsweise um die Kommunikation mit einem Rasperry Pi zur Auslesung der Zählerdaten oder den sicherheitsrelevanten NA-Schutz der Anlage.
Insgesamt setzte unser Konzept auf eine sogenannte Fünffachzählung, das heißt, es wurde ein Zweirichtungszähler für Bezug und Lieferung verbaut, und daneben Einzelzähler zur Abgrenzung BHKW- und PV-Strom, sowie für Photovoltaik, Blockheizkraftwerk und Speicher. Eine Unterzählung mit entsprechenden Discovergy-Stromzählern in den vier Häusern ermöglicht die Abrechnung mit den einzelnen Vertragsparteien.
Beim dem Projekt „Autarkes Rosenhof-Quartier” stand die Wirtschaftlichkeit nie im Vordergrund. Gleichwohl werden laufende Energiekosten pro Jahr um 6.000 Euro verringert und gleichzeitig das öffentliche Netz entlastet.
Nach dem ersten Betriebsjahr sind die Ergebnisse eindeutig: Zu der 99-prozentigen Stromautarkie kommt der auf 100.000 Kilowattstunden deutlich gesenkte Wärme-Gasverbrauch hinzu. Dieser Gasverbrauch wird sich aber wieder erhöhen, weil mittlerweile entschieden wurde, noch zwei weitere Neubauten ins Rosenhof-Quartier hinzuzunehmen. Doch die verbauten Blockheizkraftwerke können auf grünen Wasserstoff umgestellt werden, sobald dieser erschwinglich und verfügbar ist.
Die Neubauten, ein Mehrfamilienhaus für fünf Parteien und ein Einfamilienhaus, befinden sich bereits im Bau, und werden ohne eigenständigen Hausanschluss auskommen, also ausschließlich über die bereits vorhandenen Technologien versorgt. Eine weitere Grundstücksverschmelzung ist hierfür nicht notwendig, weil der Netzbetreiber den Plan sofort akzeptiert hat. Unterstützend wird die noch vorhandene Volleinspeise-PV-Anlage aus dem Jahr 2004 (5,75 kW) nach Auslaufen der Einspeisevergütung zusätzlich zur Versorgung der Gebäude beitragen.
Das autarke Rosenhof-Quartier betont den Wert dezentraler Lösungen für die Energiewende. Daher macht es Sinn, solche Quartiere mitsamt intelligenter Messtechnik zusätzlich zu fördern.