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Dezentrale Elektrolyseure stabilisieren das Energiesystem

Für die Chemie- und Stahlindustrie wird Wasserstoff als bedeutend angesehen, ebenso wie zur Stabilisierung des Energiesystems. So arbeitet das Bundeswirtschaftsministerium weiterhin an der Kraftwerksstrategie, die jedoch mehr auf den Verbrauch als auf die Produktion von grünem Wasserstoff ausgerichtet sein wird.

Doch wo soll dieser Wasserstoff herkommen? Die Importstrategie der Bundesregierung hat dafür Korridore aufgezeigt und sieht einen Importanteil von 50 bis 70 Prozent vor. Diese Einfuhren sollen 2030 noch weitestgehend per Schiff gedeckt werden. Den heimischen erneuerbaren Energien wird dabei keine weitreichende H2-Produktion zugetraut. In NRW wird sogar ein Importanteil von über 90 Prozent angenommen. In der Diskussion ist dabei weitestgehend unterrepräsentiert, dass in Deutschland erneuerbare Energien nicht nur Strom für die Produktion von grünem Wasserstoff liefern können, sondern dass wir die Möglichkeit zur Wasserstoffproduktion auch dringend benötigen. 2023 gab es 300 Stunden mit negativen Strompreisen, im Mai 2024 bereits 80. In der ersten Jahreshälfte 2024 stieg die Anzahl auf über 220 Stunden. Dies zeigt, dass erneuerbare Energien erheblich zur Stromversorgung beitragen, aber auch, dass das Stromangebot die Nachfrage oder Netzkapazität bereits zeitweise erheblich übersteigt. Bei Erfüllung der Ausbauziele des Osterpakets und einer installierten Leistung von 115 Gigawatt (GW) Windenergie an Land und 215 GW Solarenergie im Jahr 2030 wird dieser Effekt enorm verstärkt. Ein Energiemarktdesign muss daher auf den Ausbau der erneuerbaren Energien ausgerichtet sein. Aktuell wird Strom bei drei aufeinanderfolgenden Stunden mit negativen Preisen nicht vergütet, ab 2027 bereits ab der ersten Stunde. Dies erschwert die Finanzierung und erhöht die Stromgestehungskosten in anderen Stunden, da sich die Kosten der Anlage dadurch auf weniger Stunden und produzierte Kilowattstunden (kWh) verteilen.

Aktuell wird Strom bei drei aufeinander­folgenden Stunden mit negativen Preisen nicht vergütet.

Windstrom nutzen statt negativer Preise

Die Lösung muss sein, diesen Strom nutzbar zu machen. Dezentrale Elektrolysekapazitäten in den Regionen können das Energiesystem stabilisieren und den Wasserstoffhochlauf beschleunigen. Wenn die Alternative auf eine Abregelung hinausläuft, ist der Anreiz hoch, den Strom günstig für die Wasserstoffproduktion zu nutzen. Da die Strombezugskosten rund 70 Prozent der Bereitstellungskosten für grünen Wasserstoff ausmachen, kann so kostengünstiger, grüner Wasserstoff erzeugt werden. Doch auch wie zu Beginn des Hochlaufs der grünen Stromerzeugung, werden die Potenziale der Erneuerbaren erst einmal kleingehalten und unterschätzt.

Das Wuppertal Institut hat in einer vom Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) NRW beauftragten Studie bereits aufgezeigt, dass die Produktionskosten für grünen Wasserstoff in Deutschland meist unterhalb der Importkosten per Schiff liegen und in vielen Fällen auch konkurrenzfähig mit dem Import per Pipeline sind. Neue Studienergebnisse zeigen darüber hinaus, dass andere europäische Länder unambitioniertere Ausbauziele für den Elektrolysehochlauf haben. Zwar gibt es vielerorts große Dynamik bei Wasserstoffprojekten, bis dato verfügt jedoch kein einziges europäisches Land über substanzielle Elektrolyseprojekte, die bereits installiert sind, sich im Bau befinden oder für die finalen Investitionsentscheidungen vorliegen. Weiterhin fällt auf, dass beispielsweise die spanische Wirtschaft über Ambitionen in der H2-Produktion verfügt und die eigene politische Zielsetzung übersteigen könnte. Die angekündigten Projekte dienen jedoch fast ausschließlich der Deckung der lokalen Nachfrage, vor allem durch die Ammoniak- und Stahlindustrie.

Innereuropäische Importoptionen sind mehr als begrenzt.

Gerade der kurzfristige Blick zeigt also, dass in den nächsten Jahren die innereuropäischen Importoptionen mehr als begrenzt sind und somit auf teuren, ebenfalls unsicheren Schiffsimport gesetzt werden müsste. Somit sind Wasserstoff­importe nach Deutschland also von enormen Unsicherheiten geprägt. Versorgungssicherheit hingegen muss bedeuten, heimische Potenziale für grünen Wasserstoff zu erschließen und den Bedarf vor Ort zu decken. Dezentrale Wasserstofferzeugung bietet Unternehmen und Regionen, die nicht am geplanten Wasserstoffkernnetz liegen, die Möglichkeit zur Dekarbonisierung. Importe können und werden ebenfalls relevant sein, aber heimische Produktion muss Priorität haben.

Dies gelingt bisher noch nicht. Die Bundesregierung plant einen Umstieg auf eine Investi-
tionskostenförderung, was Unsicherheiten bei der Finanzierung schaffen und zu Risikoaufschlägen führen dürfte. Wind- und PV-Anlagen benötigen eine Förderung pro erzeugter kWh für ein solides Finanzierungsmodell. Die vorgezogene Aussetzung der Förderung bei negativen Strompreisen ab 1. Januar 2025 suggeriert, dass regenerative Anlagen Strom erzeugen können, wenn der Marktpreis am höchsten ist, was, bis die entsprechenden Kapazitäten an Flexibilisierungen noch nicht realisiert wurden, realitätsfern ist.

Die Aussetzung der Förderung von erneuerbaren Energien bei negativen Stunden ist nachvollziehbar und wird bestimmt weitere politische Diskussionen auslösen. Dabei darf jedoch nicht die Finanzierbarkeit von Wind- und PV-Anlagen und damit der weitere EE-Ausbau riskiert werden. Zuerst müssen die notwendigen Flexibilitäten und Elektrolysekapazitäten realisiert werden. Dann können die Bundesregierung und die Energiewirtschaft zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem sie ansonsten abgeregelte Strommengen nutzbar machen und gleichzeitig mit einer heimischen Wasserstoffproduktion zur Versorgungssicherheit und zum Markthochlauf entscheidend beitragen.

Maximilian Feldes,
Referent für Energiemarktdesign – Schwerpunkt Wasserstoff, LEE NRW

Foto: Jochen Tack / LEE NRW

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