Die Negotiation Advisory Group (NAG) ist eine Verhandlungsberatung mit 50 internationalen Expertinnen und Experten, die mehr als 2.800 Verhandlungsprojekte durchgeführt hat. Katharina Weber, Gründungsmitglied der NAG, spricht über Offshore-Ausschreibungen.
Wie sieht Ihre Erfahrung mit Offshore-Ausschreibungen aus?
Katharina Weber: Wir haben zahlreiche Auktionen für Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette gestaltet und sind deshalb gefragte Ansprechpartner in solchen Situationen.
Wie müssen Auktionen designt sein, damit die Bieter nicht in der Kostenfalle landen?
Katharina Weber: Es gibt zwei Möglichkeiten für Bieter in der Kostenfalle zu landen: Es entstehen höhere Kosten oder niedrigere Gewinne als geplant. Es gilt also, die Unsicherheit hinsichtlich Kosten und Nutzen für die Auktionsteilnehmer zu reduzieren:
Damit die Teilnehmer zukünftige Kosten nicht unterschätzen, sollten nicht mehrere Flächen einzeln und parallel vergeben werden, wie bei der letzten deutschen Offshore-Ausschreibung im Juli 2023. In diesem Fall mussten die Teilnehmer bei vier Auktionen gleichzeitig teilnehmen, um ihre Chance zu erhöhen, überhaupt etwas zu gewinnen – unabhängig davon, ob sie bestimmte Flächen präferierten oder nur die Finanzkraft für den Ausbau eines Teils der Flächen hatten. Dieses Problem trat schon bei früheren staatlichen Auktionen etwa um die Mobilfunkfrequenzen auf. Dabei gibt es andere Formate wie etwa die sogenannte Combinatorial Clock Auction, die das Problem durch die flexible Wahl von Paketkombinationen lösen. Auch die Verauktionierung von nicht voruntersuchten Flächen führt zu einem signifikant höheren Kostenrisiko.
Die Unsicherheiten über künftige Erträge lassen sich unabhängig vom Auktionsformat lösen. So sollte die Politik nicht die Preise und Auszahlungsmöglichkeiten über die Zeit verändern, die ein Unternehmen jetzt gemäß des EEG-Windenergie-Ausschreibungsmodells annimmt, um seinen Business Case für eine Windparklizenz zu berechnen. In dem Fall haben die Anbieter die Chance, den Nutzen so gut wie möglich für die Zukunft zu quantifizieren und abzusichern. Ihr Risiko über die Ertragsaussichten und damit die Gefahr einer Kostenfalle steigt aber, je mehr Variabilität besteht – etwa, weil die Anzahl der noch zu vergebenden Offshore-Windparks unklar ist oder weil weitere Änderungen der EEG-Vergütungsmodelle oder Förderungs- und Subventionsmöglichkeiten möglich sind. Die Entscheidung aus Karlsruhe hinsichtlich der regelwidrigen Umwidmung von 60 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfond KTF verunsichern weiter und dürften negative Konsequenzen nachsichtragen.
Warum ist dabei eine Begrenzung der Höchstpreise keine gute Idee?
Katharina Weber: Eine Auktion ist ein Preisfindungsmechanismus, um einen oder mehrere Anbieter zu finden, denen das zu verauktionierende Gut zugeschrieben wird. Ziel ist es, dadurch den oder die Anbieter mit der höchsten Zahlungsbereitschaft zu finden, weil man davon ausgeht, dass diese Anbieter auch den größten Nutzen an dem Gut haben.
Dabei die Höchstpreise exogen vorzubestimmen, ist willkürlich, weil es nicht die wirkliche Zahlungsbereitschaft widerspiegelt. Ein Höchstpreis torpediert die Auktion als Preisfindungsmechanismus. Ein Höchstpreis, der zudem noch unter den zuletzt bezahlten Preisen liegt, führt außerdem dazu, dass sich die Auktion direkt oder über mehrere Schritte hinweg auf den Höchstpreis einpendeln wird und sich somit nicht identifizieren lässt, welche Anbieter die höchste Zahlungsbereitschaft und den höchsten Nutzen aus dem Gut ziehen. Dann müsste man wiederrum einen weiteren Mechanismus finden, um einen oder mehrere Anbieter auszuwählen.
Wie kommt mehr Verbindlichkeit in die Vergaben per Auktion, so dass es keine Baustopps mehr gibt?
Katharina Weber: Zunächst ist es nicht klar, ob das Argument zu hoher Kosten wirklich den Baustopp begründet oder ob es sich um ein taktisches Vorgehen des Anbieters handelt. Fakt ist, in der aktuellen Marktsituation ist das Recht, einen Offshore-Windpark zu bauen, ein klarer Wettbewerbsvorteil.
Das Problem bei der jüngsten deutschen Offshore-Ausschreibung waren jedoch die Regeln: Diese sahen eine Zahlung des Preises in Höhe von zehn Prozent innerhalb von ein bis zwei Jahren und von 90 Prozent über 20 Jahre hinweg vor – beginnend mit der Inbetriebnahme des Windparks. Das heißt, der Großteil der Kosten wird erst ab 2030 anfallen. Die Teilnahme und der Gewinn der Auktion, ohne Intention die Fläche auszubauen, kostet den Höchstbietenden somit zunächst nur einen Bruchteil des Vergabepreises. Bis der Großteil der Kosten anfällt, könnte der Höchstbieter mit taktischen Aktionen wie einem Baustopp versuchen, durch Verhandlungen mit der Politik über höhere Subventionen nachträglich die Kosten zu reduzieren. Die Erfolgschancen werden hierbei massiv durch den politischen Druck auf die Ausbauziele für 2030 erhöht.
Vorbild könnte das Standardverfahren für Frequenzauktionen für Mobilfunkanbieter sein, wo ähnliche Unsicherheiten hinsichtlich zukünftiger Erträge von neuen Technologien herrschen. Hier gehört es zu den Vergabeprämissen, dass beispielsweise die Flächenabdeckung (mindestens 95 Prozent von Deutschland) innerhalb von fünf Jahren nach der Vergabe gewährleistet sein muss. Wird das nicht erfüllt, fallen Strafzahlungen an und/oder müssen die Frequenzen zurückgegeben werden.
Somit könnte man bei den Offshore-Auktionen die Bebauung innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens zum Bestandteil der Vergabebedingungen machen, andernfalls könnten Strafzahlungen anfallen, der Staat die Rechte zurückfordern oder es könnte eine automatische Weitergabe an das zweitbeste Angebot erfolgen. Dies steigert die kurzfristig anfallenden Initialkosten für Anbieter, was den Anreiz für die Anbieter, die Flächen nur zu halten und nicht zu bebauen, signifikant reduziert.
Wo sehen Sie die Gefahr falscher Ausschreibungsregeln?
Katharina Weber: Falsche Ausschreibungsregeln führen dazu, dass der geplante Ausbau und die Nachhaltigkeitsziele Deutschlands für 2030 und 2050 nicht erreicht werden. Denn sie ermöglichen, dass die Anbieter sich jetzt Rechte sichern, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, aber nicht zum zeitnahen Ausbau incentiviert oder gezwungen werden. Eine weitere Gefahr bei dem aktuellen Auktionsformat ist es, dass die Anbieter durch die Regeln des dynamischen Bietverfahrens ohne Zusatzkosten und mit geringerem Gewinnrisiko als bei anderen Auktionsformaten über mehrere Gebotsrunden hinweg teilnehmen können. Dadurch können einzelne finanzstarke Auktionsteilnehmer auch ohne die Intention, die Auktion tatsächlich zu gewinnen, die Preise für die anderen Teilnehmer künstlich in die Höhe treiben. Gehen wir davon aus, dass alle Marktteilnehmer einen Anreiz haben, dass ihre Konkurrenz hohe Preise bezahlt (in der gängigen Theorie Spite Motive genannt), erhöhen diese Regeln das Risiko von Baustopps und/oder langfristig höheren Preisen für die Endverbraucher.
Vorbild könnte das Standardverfahren für Frequenzauktionen für Mobilfunkanbieter sein, wo ähnliche Unsicherheiten hinsichtlich künftiger Erträge herrschen.