Wasserstoffbasierte Brennstoffe sollten vor allem in Sektoren wie der Luftfahrt oder industriellen Prozessen eingesetzt werden, die nicht elektrifiziert werden können. Ihre Herstellung sei zu ineffizient, zu kostspielig, und ihre Verfügbarkeit zu unsicher, um damit fossile Brennstoffe auf breiter Front zu ersetzen – etwa in Autos oder beim Heizen von Gebäuden, so das Ergebnis einer Studie, die im Mai in der Zeitschrift Nature Climate Change veröffentlicht wurde. Für die meisten Sektoren sei die direkte Nutzung von Elektrizität, zum Beispiel in Elektroautos oder Wärmepumpen, wirtschaftlich sinnvoller. „Wasserstoffbasierte Brennstoffe sind ein beeindruckend vielseitiger Energieträger – doch beeindruckend sind auch ihre Kosten und die damit verbundenen Risiken“, sagt Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Leitautor der Studie.
Studie: Wasserstoff ist zu teuer
Die Kosten für E-Fuels liegen laut Studie bei 800 bis 1.200 Euro pro vermiedener Tonne CO2. Ein großflächiger Einsatz könne demnach die Kosten bis 2050 auf 20 bis 270 Euro pro vermiedener Tonne CO2 senken, doch sei es unwahrscheinlich, dass E-Kraftstoffe früh genug billig und im Überfluss vorhanden sein werden, so das Urteil der Autoren.
Die Kostenfrage steht beim Thema Wasserstoff immer wieder auf der Tagesordnung: Berechnungstools etwa der Firma Energiesynergie ermitteln zum Beispiel, wie die effizienteste Auslegungsgröße eines Elektrolyseurs für eine bestimmte Anwendung aussieht. Regelmäßig kommen Studien zu dem Ergebnis, dass sich nur große Anwendungen für Wasserstoff eignen – Industrie, Schiff, Flugzeug, Lkw und Bus könnten laut einer Studie des Ökoinstituts sinnvoller mit Brennstoffzelle betrieben werden als Pkw. Zu dem Schluss kommt auch die Studie um den PIK-Leitautor Ueckerdt. Während es dort um die Kostenfrage geht, stellen andere Studien auch die Frage, ob überhaupt genügend Regenerativstrom für die Herstellung von grünem Wasserstoff produziert werden kann, um die Nachfrage zu decken.
Unna: großes Kostensenkungspotenzial
In der Machbarkeitsstudie „GWA Unna – lokale Wasserstoffinfrastruktur“ haben die Gesellschaft für Wertstoff- und Abfallwirtschaft Kreis Unna (GWA Unna) und PricewaterhouseCoopers (PWC) nun gemeinsam ein Wasserstoffkonzept auf seine Wirtschaftlichkeit geprüft. Geplant ist eine Anlage, die den öffentlichen Nahverkehr, die Entsorgungslogistik und die regionale Industrie klimaneutral versorgt. Das Ergebnis der Studie: Regulatorik, öffentliche Förderung und Wasserstoffverkauf können die Kosten drastisch senken.
Jürgen Peterseim, Senior Manager bei PWC und Professor an der Technischen Universität Sydney, hat die Machbarkeitsstudie bei PWC verantwortet. Er berichtet, wie die Studie zustande kam: „Es gab an anderer Stelle schon Austausch mit der GWA Unna.“ Da gebe es eine Deponie, die bereits geschlossen und abgedeckt sei und nun mit PV bedeckt werden soll. „Die erste Idee war, dass man diesen Grünstrom ins Netz einspeist. Aber das ist nicht die einzige Option.“ So entstand die Idee, den Strom über die Umwandlung in Wasserstoff selbst zu nutzen – zumal er auch für den Betrieb der eigenen Müllwagen genutzt werden könnte. So sei die Frage aufgekommen, ob man gleichzeitig den eigenen ÖPNV begrünen könne.
Dabei spielten auch Überlegungen eine Rolle, dass sich auf diese Weise Stromspitzen im Verteilnetz ausgleichen lassen. Ideale Voraussetzung: Regenerativstrom ist in der Region reichlich vorhanden. „Die PV-Anlage ist der Nukleus für diese Idee, dann gibt es aber in der Region auch noch diverse Windenergieanlagen, die jetzt aus der EEG-Förderung fallen. Die könnte man anzapfen. Das ergänzt sich schon sehr gut.“ Damit könne man den Elektrolyseur fast zur Hälfte betreiben, sagt Peterseim. „Und die andere Hälfte würde man aus dem Netz zukaufen.“
Während sich also einige wichtige Aspekte wie Stromquelle und Abnehmer gut in das Konzept eingliedern, bleibt die Frage der Wirtschaftlichkeit: „Wenn wir den PV-Strom nutzen und den Rest aus dem Netz ziehen, dann landen wir bei 7,50 Euro pro Kilogramm Wasserstoff. Das ist zu teuer“, so der Wissenschaftler. Durch die Umlagebefreiung im aktuellen EEG komme man bereits gute zwei Euro pro Kilo herunter im Preis. Zudem gebe es diverse Fördermöglichkeiten, sowohl für die Elektrolyse als auch für die Fahrzeuge. „Wenn man das gut macht, kommt man nochmal 40 Cent runter.“ Jetzt holt Peterseim einen Trumpf aus dem Ärmel: „Man bekommt nicht nur Wasserstoff aus dem Elektrolyseur, sondern auch Sauerstoff und Wärme. Und Sauerstoff ist eines der meistgehandelten Industriegase, in Prozessen in der Industrie aber auch hoch rein in der Pharmaindustrie. Dann kommt man noch einmal um bis zu 1,5 Euro runter mit den Kosten, sodass man zum Schluss bei 3,5 Euro für das Kilo Wasserstoff landet.“
Eine Kommune ist auf diesem Gebiet selten mit der nötigen Expertise ausgestattet. Sie wird sich idealerweise Partner suchen, die die Vermarktung übernehmen. So bietet einer der großen Industriegashersteller in Deutschland sowohl den Verkauf von Wasserstoff an Tankstellen als auch den Verkauf von Sauerstoff an. „Eine Kommune würde nicht gleich alles selbst betreiben wollen. Dafür werden Partner gebraucht“, bestätigt Peterseim. Oft werde so etwas für zehn Jahre von einem Partner betrieben und dann an die Kommune übergeben. Sodass diese im ersten Schritt sehen kann, wie das funktioniert, bevor sie es selbst übernimmt.
Interessant wird´s ab Kilopreis von 4 Euro
Sein bei PWC für Mobilitätskonzepte zuständiger Kollege Maximilian Rohs betont, wirtschaftlich sei das Thema für Kommunen erst dann interessant, wenn es gelinge, den Preis für grünen Wasserstoff in einen Bereich zu treiben um 3,50 bis 4 Euro. „Der Diesel wird durch die Energiesteuer ja auch immer teurer“, fügt er an. Voraussetzung sei auch, die Fahrzeuganschaffung fördern zu lassen. Diese sei nach wie vor teurer. „Man muss sich neben dem Vergleich mit dem Dieselbus auch den Batteriebus anschauen“, erklärt er. „Erstmal rein technisch gesehen ist die Effizienz bei Batteriebussen höher, weil ich nicht die Umwandlungsprozesse habe.“ Da müsse man fragen: „Schafft man es, den Wasserstoff so günstig zu machen, dass man es wirtschaftlich darstellen kann? Brauche ich betrieblich Wasserstoff? Wenn ich keinen brauche, habe ich immer den Konkurrenzfall Batteriebus.“ Peterseim fügt an: „Aufgrund der dort nicht erforderlichen Umwandlungsprozesse ist eine direkte Elektrifizierung oft effizienter.“
Gleichwohl gebe es durchaus spezielle Situationen, in denen Wasserstoff sinnvoller sei, weiß Rohs. „In Hessen habe ich einen Fall, wo die Übertragungsnetze an ihre Grenzen stoßen, wo also der Windstrom nicht mehr so einfach zu den Verbrauchern gelangen kann. Mit Wasserstoff kann ich ihn zwischenspeichern. Das habe ich bei Batterien derzeit noch nicht in dem Maß – vielleicht in zehn Jahren mit Großbatterien.“
Doch wer weiß schon, wie unsere Mobilitätsinfrastruktur in zehn Jahren aussehen wird? Derzeit lässt sich das nur grob überblicken. Fest steht: Je mehr von einer Technologie produziert wird, desto schneller fallen dort die Preise wegen des Serieneffektes. Und die Zahl der Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff wächst rasant: Bis 2040 planen Unternehmen rund um den Globus Anlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 210 Gigawatt – 1000-mal so viel wie derzeit in Betrieb sind. Deutschland ist dabei Spitzenreiter: Fast ein Viertel der weltweiten Projekte ist hier geplant, das Land führt zudem das Ranking der attraktivsten Länder für Wasserstoff-Investitionen an – so das Ergebnis eines aktuellen Reports von Aurora Energy Research, für den das Energiemarktanalyseunternehmen halbjährlich den weltweiten Markt für Wasserstoffprojekte untersucht.
Entscheidend, wie lange die Busse fahren
Erste Wasserstoffbusse kosteten im Jahr 2010 noch 1,8 Millionen Euro, jetzt liegen die Preise bei 625.000 bis 650.000 Euro. Die Kosten sind gesunken, die Preise sind aber immer noch hoch. Plant eine Kommune die Umrüstung ihres Öffentlichen Nahverkehrs auf saubere Mobilität, dann spielt es für die Wirtschaftlichkeitsberechnung also auch eine Rolle, wie lange die Busse genutzt werden können. Angesichts der hohen Investitionskosten eine wichtige Frage. „Stand heute rechnen wir bei Dieselbussen mit einer Nutzungsdauer von zwölf Jahren“, sagt Rohs. „Bei Batteriebussen wird die Batterie nach sechs bis acht Jahren getauscht.“ Bei zwei Zyklen wäre man dann bei bis zu 16 Jahren. Die Brennstoffzelle werde derweil nicht 15 Jahre halten.
In Unna haben die Detailplanungen noch nicht begonnen, und man wollte verstehen, wie sich E-Busse und Wasserstoff-Busse ergänzen können. „Bisher wurde nur die Frage geklärt, dass man bei Wasserstoff-Bussen in wettbewerblichem Umfeld ist, wenn man Sauerstoff und Abwärme zusätzlich vermarktet. Wir haben uns die nötigen Mengen angesehen: In Unna wären es 500 Tonnen Wasserstoff, die man pro Jahr bräuchte, um die Busfahrt zu dekarbonisieren. Wenn man den Elektrolyseur etwas größer baut, kommt man in eine Kostendegression hinein, und den Überschuss-Wasserstoff könnten wir an weitere Industriekunden in der Region vermarkten“, so Peterseim. Derzeit sind sechs Megawatt (MW) Elektrolyseleistung geplant. Wobei man nicht mit der vollen Elektrolyseleistung starte, sondern mit zum Beispiel einem Megawatt und drei Bussen anfangen würde.
Letztlich kann man sagen: Es ist ein erster Schritt, den Kommunen wie Unna gewählt haben. Kommunen müssen für das Erreichen der Klimaziele anfangen, die einzelnen Sektoren zu dekarbonisieren. Steigende Dieselpreise wegen der CO2-Steuer und die Chance, mithilfe von Wasserstoff die Verteilnetze zu entlasten sprechen für eine entsprechende Umrüstung. Zudem gibt es bereits Vorreiter: 2020 war ein Rekordjahr bei den Bestellungen von Brennstoffzellenbussen. Köln und Wuppertal in Deutschland sind landesweit führend: 15 Wasserstoffbusse von Solaris wurden von der Regionalverkehr Köln GmbH bestellt, und zehn weitere Einheiten fahren nach Wuppertal zur Stadtwerketochter WSW Mobil. Zuvor hatten die beiden Verkehrsunternehmen auch eine Flotte von 40 Van Hool A330 FC-Brennstoffzellenbussen zusammen bestellt – mit ersten Auslieferungen in Wuppertal Ende 2019.
Ein weiterer Teil des künftigen Systems wird der Wasserstoff sein. Die Preise werden sinken, die Netzbetreiber werden viel dringender als heute Speicher für die Entlastung ihrer Verteilnetze gebrauchen. Die Entwicklung beschleunigt sich derzeit. Heute haben die meisten Elektrolyseure Leistungen von unter zehn MW. Schon 2025 wird eine typische Anlage laut Aurora 100 bis 500 MW leisten. Bis 2030 werden die Anlagegrößen auf ein Gigawatt und mehr steigen. Das wird dann verbunden sein mit groß angelegten Projekten, die in Ländern mit günstigen Regenerativstrompreisen Wasserstoff für den Export produzieren.