Sonne und strahlend blauer Himmel – Carola Sigel und Franco Dubbers können am Herbst nichts Schlechtes finden. Auf ihrer Dachterrasse in Berlin-Mitte reihen sich Töpfe mit Mangold, Chilis und allerlei Kräutern aneinander. Fast könnte man denken, man befände sich in Südeuropa, wäre da nicht die Gedenkstätte zur Berliner Mauer in Sichtweite. Das Townhouse in der Bernauer Straße 8 hat das selbständige Architektenpaar in seiner Firma SDU nach eigenen Plänen und den Wünschen der Familie entworfen. „Uns war es wichtig, ökologisch und energetisch vertretbar zu bauen“, so Carola Sigel. „Darum haben wir uns für eine dicke Mineralschaumdämmung entschieden.“ Das Material sei zwar etwas teurer als gewöhnliches Dämmmaterial, dafür aber recycelbar.
Effizienz: der schlafende Riese
Die Auswahl an Materialien, die sich dem Häuslebauer und dem Sanierer bietet, ist schwer zu überblicken. Welche Möglichkeiten für energieeffizientes Sanieren oder Bauen gibt es derzeit? Im Rahmen unseres Titelthemas stellen wir Ihnen in dieser und den nachfolgenden Reportagen einige Beispiele vor. Effizienz ist in Deutschland nach wie vor der schlafende Riese. Wir sind weit davon entfernt, das von der Politik gesetzte Ziel von 20 Prozent Energieverbrauchsreduktion bis 2020 zu erreichen. Dennoch erweckt auch die künftige Koalition nicht den Eindruck, als wolle sie daran etwas maßgeblich ändern.
Dabei haben sich durch bessere Dämmstoffe die Effizienzmöglichkeiten für den Neubau gut entwickelt. Je dicker die Dämmlage und je schlechter die Wärmeleitfähigkeit des eingesetzten Materials, desto geringer der Wärmedurchgang durch das Bauwerk. In den 70er Jahren bestand eine Wand von 44 Zentimetern üblicherweise aus Mauerwerk mit Luftspalt und Innen wie Außen einer Putzschicht. Heute setzt sich die Wand eines Passiv- oder Niedrigenergiehauses mit über 50 Zentimetern zu gleichen Teilen aus Dämmmaterial wie Mauerwerk zusammen. Während der jährliche Endenergiebedarf des gewöhnlichen Hauses bei 250 Kilowattstunden pro Quadratmeter liegt, kommen Nullenergie- und Passivhaus auf ein Zehntel dessen. Sinnvoll wäre es, die Passivhausbauweise auf Bundesebene zum Neubaustandard zu erheben. Zudem fehlt es an ambitionierten Ansätzen für den Gebäudebestand.
Neue Koalition zeigt wenig Ambitionen
Die wichtigsten gesetzlichen Anforderungen für Neubauten sind in der Energieeinsparverordnung (EnEV) und im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) geregelt. Eine im Februar 2012 angekündigte Novelle des EEWärmeG sollte die Dämmung von Wohnhäusern beschleunigen und die Abgasnorm für dortige Heizkessel verschärfen. Bis auf die Ankündigung ist aber nicht viel passiert. So übertrumpft nach wie vor nur Baden-Württemberg die Bundesgesetzlage durch ein überzeugendes Wärmegesetz, das nicht nur Neubauten in die Pflicht nimmt, sondern auch den Gebäudebestand.
Union und SPD haben im Rahmen ihrer Koalitionsgespräche durchblicken lassen, dass sie Investitionen in die energetische Gebäudesanierung künftig steuerlich fördern wollen. Erfolgreiche Marktanreizprogramme sollen weiterlaufen, heißt es. Die Modernisierungsumlage soll nur noch für energetische und altersgerechte Modernisierung in voller Höhe gewährt werden.
Im Frühjahr 2013 war ein Steuerbonus am Widerstand der SPD-Länder im Bundesrat gescheitert. Die Brancheninitiative Wärme im Dialog hat ein Sechs-Punkte-Papier für eine nachhaltige energetische Gebäudesanierung verabschiedet. Darin empfiehlt die Initiative unter anderem auch eine haushaltsunabhängige Finanzierung mittels eines Umlagesystems. Bleibt abzuwarten, was die Koalition am Ende beschließt. Bisher bleibt es unterm Strich bei halbherzigen Förderungen.
Pelletheizung für kalte Tage
Zurück in die Bernauer Straße 8, zu Carola Sigel und Franco Dubber. Die großen Fensterfronten lassen hier viel Wärme in den sonnendurchfluteten oberen Wohnbereich. Entsprechend lange kommt die Familie ohne zusätzliche Heizung aus. In der kalten Jahreszeit wird dann eine Pelletheizung zugeschaltet. „700 Euro zahlen wir für eine Lieferung, mit der wir über ein Jahr für unser Büro unten und die Wohnung oben auskommen“, erzählt der Architekt. Heißes Wasser zum Duschen und Waschen kommt im Sommer von einer zehn Quadratmeter großen Solarthermieanlage auf dem Dach.
In der Nachbarschaft wohnen weitere Architekten, die ebenfalls ihre Ideen vom klimafreundlichen Wohnen umgesetzt haben. Jeder hat dabei einen etwas anderen Weg eingeschlagen: Es gibt ein Passivhaus mit über 30 Zentimeter Dämmschicht und schöner Holzfassade, ein Nachbar setzt auf Erdwärme, ein anderer auf eine Luftwärmepumpe. Die Bernauer Straße ist nur ein Beispiel für ökologisches Bauen.
Im Rahmen der Aktionstage Berlin spart Energie konnten Interessierte im vergangenen Jahr die Bernauer Straße besichtigen und sich Anregungen holen. In diesem Jahr luden die Veranstalter Ende Oktober wieder zur Besichtigung besonders effizienter Gebäude mit überdurchschnittlich guter CO2-Bilanz ein. Dazu gehörte auch das Berliner Mietshaus aus der Gründerzeit, Baujahr 1907, in der Karl-Kunger-Straße in Berlin Treptow, das sozialverträglich in ein Niedrigenergiehaus verwandelt wurde. Das Haus erhielt eine neue Außendämmung und neue Fenster. Außerdem wurde der Dachstuhl saniert und eine Wärmerückgewinnungsanlage installiert, die mittels Wärmepumpe die Energie aus verbrauchter Wohnungsluft nutzt. Dadurch unterschreitet das alte Gebäude sogar die heutigen Anforderungen an Neubauten um 40 Prozent.
„Gerade was Praxiserfahrungen bei der Realisierung von Energiesparprojekten angeht, waren viele interessiert“, sagt Jan Pohle, Referent für Energiewirtschaft der Agentur EUMB Pöschk, die die Aktionstage im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung organisiert hat. „Dabei ging es unter anderem um Bau und energetische Modernisierung und den Betrieb von technischen Anlagen.“
Altbau mit super CO2-Bilanz
Zu den Besuchermagneten gehörte in diesem Jahr auch das Direktionsgebäude der Feuerwehr in Charlottenburg, das rund 100 Tonnen CO2 jährlich spart. Die Berliner Immobilienmanagement GmbH hat den Bau für rund zehn Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II komplett energetisch saniert.
Die gesamte Fassade wurde gedämmt, die alten einfach verglasten Kastenfensterelemente wurden durch eine moderne Fensterkonstruktion ersetzt. So konnte der Energieverbrauch des Ende der 60er Jahre erbauten Gebäudes um 28 Prozent gesenkt werden. Hinzu kommt ein mit Bioerdgas betriebenes Blockheizkraftwerk (BHKW) mit einer elektrischen Leistung von 240 Kilowatt (kW) und einer thermischen Leistung von 365 kW.
2014 wollen die Veranstalter mit dem Fernsehturm glänzen, der Fernwärme aus einem Blockheizkraftwerk bezieht – wie auch rund eine Million Berliner Wohneinheiten, deren Fernwärme in elf Berliner Heizkraftwerken und 30 Blockheizkraftwerken nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) erzeugt wird. Dadurch können im Vergleich zu herkömmlichen Systemen über 30 Prozent Brennstoff eingespart werden.
Aufgrund der anhaltenden Diskussion über steigende Energiekosten hat das Interesse in diesem Jahr stark zugenommen. Bietet sich doch durch energieeffizientes Bauen oder Sanieren nicht nur die Möglichkeit, CO2 einzusparen, sondern auch die Strom- und Heizkosten zu senken. Es sollte aber nicht bei Vorzeigeprojekten bleiben. Damit Sanierungen großflächig stattfinden können, braucht es entsprechende Gesetze und Förderbedingungen. (Nicole Weinhold)
Der vollständige Artikel ist im Dezember-Heft von ERNEUERBARE ENERGIEN erschienen. Probe-Abo gefällig?