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Rot-Gelb-Grün: Zentrale Versprechen für die Windenergie fast erfüllt?

Die Führung im Bundesverband Windenergie (BWE) bewertet das Ergebnis der bisherigen energiepolitischen Reformen der aktuellen Bundesregierung positiv. Der Ausbau der Windkraft an Land sei auf dem Weg hin zu den deutschen Energiewendezielen nun gut gestartet. Bei der monatlichen digitalen Live-Präsentation einer aktuellen Analyse zu politischen Rahmenbedingungen für die Windenergie und von BWE-Reformwünschen, „Policy Briefing“, zählten BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek und BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm fünf weitgehend erfüllte zentrale Reformen auf: Erstens ein im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) definiertes „überragendes öffentliches Interesse“ an einem schnellen Ausbau der Erzeugungskapazitäten in Verbindung mit einem grundsätzlichen Abwägungsvorrang. Dieser führt zu einer positiven Neigung für ein neues Projekt, wenn es um gleichwertig erscheinende Gründe für und wider einen Windparkbau geht. Zweitens die gesetzlich vorgeschriebene Ausweisung von mindestens zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergienutzung im Windenergieflächen-Bedarfsgesetz (WindBG). Außerdem drittens die beschleunigten Genehmigungsverfahren im WindBG, viertens die Erleichterungen fürs Repowering in Bau- sowie Naturschutzgesetz – eine im Vergleich zu gänzlich neuen Projekten niedrigschwelligere Windparkerneuerung durch Modernisierung des Turbinenbestands also – und fünftens durch eine Gemeindeöffnungsklausel: Sie erlaubt es Gemeinden, zusätzlich Windkraftflächen auszuweisen.

Im Rückblick auf die energiepolitische Ära des Bundeswirtschaftsministers der CDU-SPD-gestützten Vorgängerregierung, Peter Altmaier (CDU), falle der positive Eindruck der Energiewendepolitik des heutigen Bundeswirtschaftsministers und Grünenpolitikers Robert Habeck noch deutlicher aus, betonte Heidebroek. Altmaier habe für die Energiewende und speziell auch für die Windkraft eine Szenerie „mit unzähligen Baustellen“ hinterlassen. Die Ampelregierung sei bei der Windenergie dagegen „sehr ehrgeizig gestartet“. „Aber dann kam der Ukrainekrieg und die Energiekrise“, sagte Heidebroek. Damit verwies sie auf Folgeprobleme für die Windenergiebranche in Deutschland und einen entsprechenden weiteren politischen Handlungsbedarf .

Die BWE-Präsidentin empfahl dazu eine mögliche wörtliche Verankerung des überragenden öffentlichen Interesses auch in den einzelnen Fachgesetzen. Die von der Windkraftbranche als zu spät kritisierte Ausweisung von zwei Prozent der Landesfläche für die Windkraftnutzung – gemäß Gesetzestext nämlich bis 2027 erst zur Hälfte und erst bis 2032 vollständig – sei außerdem durch eine Begrenzung der Bausperre zu flankieren: Der langwierig angelegte Prozess zur Ermittlung von Windkraftflächen dürfe nicht dazu führen, dass die regionalen Planungsgemeinschaften oder Politiker die noch diskutierten Flächen vorerst mit langwierigen Bausperren absicherten. Die Politik müsse im Gegenteil noch Planungssicherheit für die Übergänge zwischen alten und neuen Flächenplanungen schaffen. Außerdem müssten die beschleunigten Genehmigungsverfahren infolge der sogenannten Notfallverordnung der Europäischen Union (EU), die es Anfang des Jahres zur Absicherung der Energieversorgung nach Ende der russischen Gasimporte gab, weiter gelten. Es brauche auch eine weitere Verbesserung fürs Repowering im Baugesetzbuch sowie auch der Regeln im Bundesimmissionsschutzgesetz. Und die Gemeindeöffnungsklausel müsse ohne Befristung fortgelten.

Als weitere übrig gebliebene Forderungen listet die BWE-Präsidentin eine zusätzliche Öffnung von Flächen für Windkraft nahe an Industrie- und Gewerbegebieten durch das Baugesetzbuch, um den regionalen Strombedarf gezielt mit Windstrom auszugleichen, eine bundeseinheitliche Standardisierung des Fledermausschutzes im Bundesnaturschutzgesetz, eine bundeseinheitliche Förderung von Bürgerenergievorhaben und Bürger- oder Gewerbebeteiligungen an den Vorzügen einer örtlichen Windstromerzeugung etwa durch Direktstromlieferverträge – sowie einheitliche Leitfäden für die Bundesländer zur Umsetzung des Repowering und insbesondere des Bundesnaturschutzgesetzes. Darüber hinaus wollen die Branchenvertreter auch einen leichteren Anschluss mit geringeren Wartezeiten für Windparks, Transformatoren und Umspannwerke ans Stromnetz – inklusive Mehrfachnutzung von Netzverknüpfungspunkten. Gemeinsame Anschlüsse von Wind- und Photovoltaikparks gelten hier als denkbar, weil Wind und Sonne in den Tages- und vor allem Wetter- und Jahresphasen häufig zu zeitlich gegenläufigen Einspeisungen führen und somit sich gut ergänzen. Die Weniger Hindernisse bei Schwerlasttransporten und schnellere Digitalisierung der Energiewende stehen ebenfalls noch auf der To-Do-Liste des BWE für die Ampelkoalitionäre, hinter denen die Windkraftvertreter erklärtermaßen noch keinen Haken setzen können.    

Allerdings habe die Bundesregierung inzwischen schon weitgehend den Bedarf an positiven Regelungen für die Windenergie abgedeckt, sagte Heidebroek. Deshalb seien nun die Bundesländer am Zuge, diese Regelungen auch im Sinne des Windkraftausbaus an Land umzusetzen. Die Präsidentin verwies in diesem Zusammenhang außerdem auf den vielfach zuletzt öffentlich vermeldeten Genehmigungsrückstau für Straßentransporte der Windturbinenkomponenten zu den Baustellen. Auf Ministeriumsseite sei inzwischen zu hören, dass viele angestaute Genehmigungsanträge im Bereich der Autobahn GmbH sogar abgearbeitet seien. Die Branche stelle dabei aber nun fest, erklärte Heidebrock, dass dies offenbar überwiegend zu Ablehnungen der Transportgenehmigungen geführt hätten. Heidebrock kritisierte dieses Verhalten der Genehmigungsstellen. Die Energiewende sei mit einem Triathlon zu vergleichen, der von den  Akteuren eine große Ausdauer in allen Disziplinen verlange, erklärte sie bildhaft am Beispiel des Langstreckenwettbewerbs aus drei Leichtathletikdisziplinen.

Dennoch sehen die BWE-Führenden weiterhin einen deutlichen Rückstand beim erreichten Tempo des Windenergieausbaus an Land im Vergleich zum gesetzlich angestrebten Tempo: Derzeit erreichten die Turbineninstallationen einen Rhythmus von 1,8 Errichtungen pro Tag anstelle der notwendigen 5 bis 6. Immerhin nehme das Tempo aber zu, die Tendenz der Turbinenerrichtungen pro Tag sei steigend. Die Dauer der Windparkgenehmigungen verharre dagegen noch immer bei sehr langen 24,5 Monaten. Gegen einzelne Behörden in Mecklenburg-Vorpommern seien sogar Untätigkeitsklagen notwendig geworden.

Und an einigen Stellen drohen gemäß der jüngsten Policy-Briefing-Analyse dem Windkraftausbau an Land auch empfindliche Nieren- und Nackenschläge, die den Fortschritt erneut bremsen könnten: Die von der Regierung erarbeitete sogenannte Habitatspotenzialanalyse wertet der BWE als nicht sachdienlich. Sie soll die Wirkung eines neuen Windparks nicht mit dem immer drohenden Tod eines einzelnen Vogels bewerten und lieber die Wirkung des Windparks auf das Lebensraumpotenzial der Umgebung einschätzen lassen. Deshalb sollten Politik und Genehmigungsbehörden lieber die Probabilistik als neues Instrument heranziehen: Dort, wo ausreichend Daten wie beim Rotmilan vorlägen, sagt Axthelm, solle diese Art von Wahrscheinlichkeitsrechnung zum „signifikant erhöhten Tötungsrisiko“ für die Vogelwelt durch die großen Rotoren zulässig sein. Das Naturschutzgesetz sieht genau dieses Tötungsrisiko als Kriterium für Windparkgenehmigungen vor. Auch eine Duldungspflicht für das Wegerecht bei Komponententransporten zu den Baustellen oder bei Querungen von Grundstücken durchs Kabelverlegen fordert der BWE, beobachtet aber starken Widerstand nicht zuletzt durch das Eisenbahnunternehmen Deutsche Bahn. Und zu Ende Oktober droht eine Änderung im Luftverkehrsgesetz. Durch sie könnten Windparkprojekte in einem viele Kilometer großen Umkreis um Militärflugeinrichtungen oder auch nur entlang von gewünschten neuen Tiefflugstrecken der Bundeswehr unmöglich werden.

„Wir sind guter Hoffnung, dass diese Regelung aus dem Luftverkehrsgesetz noch herausgeholt werden kann“, sagte Axthelm. Allerdings würden insbesondere in Bayern und Niedersachsen die Gespräche mit der Bundeswehr über einen Abbau des Konflikts bislang nicht vorankommen. Dem neuen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sei anzuerkennen, dass er eine Wiederaufnahme des Dialogs fördere.

Eine Entspannung bei den inflationär ansteigenden Standortpachtpreisen für Windparkpotenzialflächen erwartet Axthelm mit der künftig zunehmenden Ausweisung von Flächen durch die Bundesländer – dank der Zwei-Prozent-Vorgabe des WindBG. Auch eine Regelung gegen künstliches Hochtreiben der Preise bei Windparkstandortpachten im Baugesetzbuch könne hilfreich sein, betonte Axthelm. Allerdings seien derzeit gerade staatliche Grundflächenbesitzer wie die den Bundesländern gehörenden Staatsforsten die Treiber für überhöhte Pachtforderungen.

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