Beim Branchentag für die niedersächsische Erneuerbare-Energien-Szene überreichten der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) Niedersachsen/Bremen sowie die Energiewirtschafts- und Energienutzerorganisationen BDEW, EE Industrie, UVN, VEA, Wab und VKU dem niedersächsischen Umweltminister Christian Meyer das fünfseitige Strategiepapier. Es verlangt eine Einigung der „demokratischen Parteien“ auf eine langfristige Strategie für den Ausbau der Energiewende-Infrastruktur, um den Unternehmen der Branche über Wahlperioden hinweg eine Verlässlichkeit für Investitionen und technische Entwicklungen zu geben. Teil der Energiestrategie müsse „ein konkreter und langfristig festgelegter Maßnahmenplan sein, der sich an der Erreichung der festgelegten Klimaziele orientiert“. Die Strategie müsse „Meilensteine“ und einen realistischen Zeitplan vorgeben, und zudem „langfristig angelegte Strategien zur Finanzierung und zur Ausrichtung des Arbeitsmarktes“ enthalten, so heißt es in der Erklärung.
Alle grundsätzlich der Energiewende verpflichteten Parteien im Bundestag sollten nach Vorstellung der Initiatoren demnach sich zu Sondierungsrunden und für eine gemeinsame Festlegung auf eine solche Energiewendestrategie vereinbaren. Mittelfristig könne dann der Bundestag diese langfristigen Grundsätze festlegen. Die Initiatoren wenden sich mit dem Papier an die Bundespolitik nicht nur vor dem Hintergrund der bevorstehenden vorzeitigen Bundestagswahl im Februar oder auch der jüngsten Wahlkampfaussagen des Bundeskanzlerkandidaten der Unionsparteien CDU/CSU Friedrich Merz, dass er Windturbinen „hässlich“ finde und eine künftige nukleare fossile Stromgewinnung mit Kernfusion befördern wolle. Sie begründen ihre Initiative auch damit, dass nur mit einer Legislaturperioden übergreifenden stabilen Energiewendepolitik die Wertschöpfung künftig genügend sowie auch mittelständischer Unternehmen am Standort Deutschland fördere. Anderenfalls drohe der Konkurrenzkampf an Unternehmen in China und in den USA oder weiteren Ländern mit besonderen Förderbedingungen für Erneuerbare-Energien-Wertschöpfung verloren zu gehen.
„Wir brauchen eine Politik, die das Energiesystem als Ganzes sieht“, sagte die Landesvorsitzende Bärbel Heidebroek. Zwar werde sich das bisherige System einer Grünstromproduktion mit garantiertem Einspeisepreis zu jeder Zeit ändern. Aber die Rahmenbedingungen müssten für die Unternehmen der Branche finanzierbar und prognostizierbar bleiben, sowie auch bankable – für eine Fremdkapitalbewirtschaftung durch die Banken geeignet also. Gerade die Chance auf Bankenfinanzierungen seien eine Voraussetzung außerdem für ein Fortbestehen der Akteursvielfalt. Das System müsse zugleich die Erzeugung, den Verbrauch und die Eignung der Netze für den bestmöglichen Strom-, Gas- oder Wärmetransport zugleich im Blick haben. Die Energiestrategie müsse außerdem bedenken lassen, welches Zusammenspiel an Faktoren insgesamt die geringsten Kosten erzeuge. Bei der Suche nach dem Konsens dürfe es aber keine Denkverbote geben.
Der Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen, Benedikt Höppe, hält ein „gemeinsames Narrativ der Parteien der Mitte“ zur Energiewende für notwendig. Unternehmen, die als erste in den Umbau ihrer Fertigung und Strukturen für eine nachhaltige klimaneutrale Energieversorgung investiert hätten, könne die Umkehrung der Energiewende zum Ruin führen. Die Politik müsse vermeiden, dass sie durch Kehrtwenden die vorangehenden Wirtschaftsakteure bestrafe.
Landesumweltminister Meyer erklärte nach Entgegennahme des Papiers, die Politik müsse für Investitionssicherheit sorgen, aber auch die Freiheit der Energiewendeunternehmen und der Energiewendeakteure garantieren, unter Vorgabe funktionierender Rahmenbedingungen mit sinnvollen Preissignalen sich für die einzelnen Energiewendetechnologien zu entscheiden. Eine Einigung aller Parteien mitsamt einem Bundestagsbeschluss im Detail umschrieb er als eher schwierig: Er gehe lieber „realistisch“ davon aus, dass sich die Parteien „nicht auf alles im einzelnen einigen und es auf Jahre festlegen“. Ziel müsse eher ein Bekenntnis von allen Parteien zur Energiewende sein. Die Formulierung einer großen Strategie sieht er eher als Aufgabe einer neu gewählten Bundesregierung nach der Wahl.