Katharina Wolf
Inzwischen gibt es nur noch wenige, wenn auch prominente Leugner des Klimawandels. Immer mehr Menschen sind von der Bedrohung überzeugt. In einer aktuellen Studie der R+V Versicherung gaben 41 Prozent der Befragten an, sich vor den dramatische Folgen des Klimawandels für die Menschheit zu fürchten. Ebenso viele Deutsche haben Angst davor, dass Naturkatastrophen zunehmen und Deutschland immer häufiger von Wetterextremen betroffen sein wird. Und auch das Allensbach-Institut hat jüngst ermittelt, dass die Sorge vor dem Klimawandel noch stärker ist als die vor dem Corona-Virus, wie die Welt berichtet.
Trotzdem tut sich zu wenig – nach den Berechnungen des Weltklimarats werden die im Paris-Abkommen verabredeten Temperaturziele mit den bislang beschlossenen Maßnahmen bei weitem verfehlt. Wie heutzutage der Widerstand gegen ambitionierten Klimaschutz rhetorisch funktioniert, beleuchtet eine neue Studie unter Federführung des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change), die jetzt in der Fachzeitschrift Global Sustainability veröffentlicht wurden.
Klimawandel wird nur scheinbar anerkannt
„Als mit dem Klimawandel befasste Sozialwissenschaftler haben wir uns die neueren Diskussionen angeschaut und eine Typologie der Verzögerungsargumente erstellt“, berichtet William Lamb, Forscher in der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung und Leitautor der Studie: „Dabei ging es uns um Argumente, die scheinbar den Klimawandel als Problem anerkennen – aber den Handlungsbedarf herunterspielen.
Das Plädoyer dafür, nicht oder zumindest nicht adäquat auf die Klimakrise zu reagieren, stützt sich der Studie zufolge meist auf eine oder mehrere von insgesamt zwölf Argumentationsmustern, die sich von vier Kernaussagen leiten lassen.
1. „Zunächst einmal muss jemand anderes handeln“ - Verantwortung abschieben
Dass zunächst andere handeln sollen, bevor man selbst tätig wird, ist laut der Analyse eine der vier Kernaussagen. Argumentationsmuster sind hier gerne: „Wenn wir etwas einsparen, bringt das gar nichts, weil die anderen das dann kompensieren“. Oder: „Unser CO2-Ausstoß ist viel geringer als in China/USA/Russland. Dort müsste man ansetzen, nicht bei uns.“
2. „Es geht ohne grundlegende Veränderungen“ - einfache Lösungen vorschieben
Wie war das noch mit der Klimakanzlerin und den ehrgeizigen Zielen? Die Studie des MCC entlarvt auch die Optimisten als Klimaschutzverhinderer, die an Klimaschutz ohne große Veränderung glauben. Typische Aussagen seien hier: „Wir sind weltweit technisch führend in der XX-Technologie und haben uns ehrgeizige Ziele gesteckt.“ Oder: „Mit Zwang und Verboten erreichen wir gar nichts. Freiwilligkeit ist entscheidend für den Erfolg.“ Alles schon mal gehört, oder?
3. Konsequente Klimapolitik ist politisch und sozial nicht vertretbar - negative Folgen beschwören
Auch diese Argumente hat jeder schon mal gehört - gerade auch in der Corona-.Krise: Klimaschutzpolitik können wir uns als Gesellschaft nicht leisten. Entweder verbergen sich die Klimaschutzverhinderer hinter sozialen Argumenten: „Klimaschutz wird teuer. Und dann kann die Arzthelferin/Putzfrau/kleine Angestellte ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen.“ Oder sie fordern die perfekte Lösung: „Wir brauchen Lösungen, die von allen akzeptiert und mitgetragen werden kann. Niemand darf benachteiligt werden.“
4. Umsteuern ist nicht mehr möglich - aufgeben
„Es ist sowieso zu spät, den Klimawandel noch aufzuhalten, wir müssen lernen, mit den Folgen zu leben.“ Wer so argumentiert, hat aufgegeben. Gern wird hier auch das Arguemnt angeführt, Klimaschutz sei deshalb unmöglich durchzusetzen, weil Verzicht und Rücksicht der menschlichen Natur widerspreche. Wie auch immer die Argumente im einzelnen lauten - jedweder Klimaschutzpolitik erscheint so sinnlos.
Es steckt immer ein Körnchen Wahrheit in den Argumenten
„Das Vertrackte ist, dass in allen solchen Einlassungen immer auch ein Körnchen Wahrheit steckt“, sagt MCC-Forscher Lamb. „Aber diese durchaus relevanten Aspekte der Klimadebatte werden oft zu Instrumenten einer Verhinderungsstrategie, die darauf zielt, einschneidende Maßnahmen abzuwenden und materielle Besitzstände auf kurze Sicht zu schützen. Deshalb braucht ambitionierter Klimaschutz eine klare Kommunikation.“ Die Studie liefere dazu einen Beitrag.
Unterfüttert wird die Analyse durch Zitate und Diskussionsbeiträgen aus Politik, Wirtschaft und Medien. „Unsere Übersicht ermöglicht allen Interessierten aus der Wissenschaft, der Klimaschutzbewegung und der Politik, in Diskussionen die Argumentationsmuster zu erkennen und darauf adäquat zu reagieren“, so Lamb.
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