Katharina Wolf
Rekordhitze, Dürre, Starkregen, Überschwemmungen: Der Sommer 2018 zeigte der Nordhalbkugel unserer Erde ein extremes Gesicht. Auch das mag das britische Unterhaus dazu bewogen haben, den Klimanotstand auszurufen - als erstes Land der Welt und in seltener Einstimmigkeit. Andere sollten folgen, forderte Klimaaktivistin Greta Thunberg über Twitter.
Grund genug dafür gäbe es, denn wie eine jetzt vorgelegte Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und weiterer Klimaforscher zeigt, war der Grund für die Wetterextreme ein besonderes Wellenmuster im Jetstream. Die Wellen dieses Windbandes, das die Erde umrundet, blieben längere Zeit stehen statt weiter zu wandern. Deshalb hielten, so die Wissenschaftler, die Wetterbedingungen in den betroffenen Regionen länger an und wurden zu Wetterextremen. Das gleiche Muster zeigte sich auch bei den europäischen Hitzewellen in den Jahren 2015, 2006 und 2003, die zu den extremsten jemals aufgezeichneten gehören.
So beeinflusst der Jetstream unser Wetter
Der Jetstream ist ein starker Wind, der sich in etwa zehn Kilometern Höhe bewegt und große Wettersysteme von West nach Ost transportiert, erläutert das PIK. Diese Luftströmung könne große Schlängelungen entwickeln, so genannte Rossby-Wellen. Diese könnten manchmal über Wochen an einer Stelle verharren. Aus ein paar warmen sonnigen Tagen entstehen dann eine Hitzewellen oder Dürren, und aus ein paar regnerischen Tagen können Fluten werden.
„Unsere Studie zeigt, dass die spezifischen Orte und der Zeitpunkt der Wetterextreme im Sommer 2018 nicht zufällig waren, sondern direkt mit dem Entstehen eines sich wiederholenden Musters im Jetstream verbunden waren, der sich über die gesamte Nordhalbkugel erstreckt“, sagt Leitautor Kai Kornhuber von der Universität Oxford und dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
„Wir sehen einen starken Zusammenhang zwischen dem Windmuster und den anhaltenden Hitzeextremen in Westeuropa, Nordamerika und der Region um das Kaspische Meer“, so Kornhuber. Das beobachtete Muster sei auch in früheren Jahren mit extremen Wetterereignissen wie den Hitzewellen in Europa im Sommer 2015, 2006 und 2003 präsent. Darüber hinaus haben Häufigkeit und Dauer in den letzten zwei Jahrzehnten zugenommen. „In den zwei Jahrzehnten vor 1999 gab es keine Sommer, in denen wir dieses Muster der stockenden Wellen über eine Dauer von zwei Wochen oder noch länger hatten, aber seitdem haben wir bereits sieben solcher Sommer erlebt", sagt Ko-Autor Dim Coumou von der Vrije Universiteit Amsterdam und dem PIK.
Der Klimawandel verlangsamt den Jetstream
Nach Ansicht der Klimaforscher ist zu erwarten, dass das beobachtete Wellenmuster durch den Klimawandel und die menschgemachte globale Erwärmung in Zukunft häufiger auftreten wird. Grund ist die Physik: Landmassen neigen dazu, sich schneller zu erwärmen als Meeresgebiete. Das wiederum führt zu einem größeren Temperaturunterschied zwischen Landmassen und Ozean.
„Das Entstehen des Wellenmusters könnte durch diesen erhöhten Temperaturkontrast zwischen Landmassen und Ozean begünstigt werden. Ein weiterer relevanter Faktor könnte sein, dass der Nordatlantik kühler ist, als er sein müsste, wahrscheinlich als Folge der Verlangsamung der Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulation, besser bekannt als Golfstrom. Dies bedarf jedoch noch weiterer Untersuchungen“, sagt Stefan Rahmstorf, Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am PIK.
Extreme Hitzewellen in Nordamerika und Europa bedrohen Nahrungsmittelproduktion
Die Studie macht außerdem deutlich, dass das gleichzeitige Auftreten von extremen Wetterereignissen die Risiken für die Menschen und insbesondere für die globale Nahrungsmittelproduktion erhöht: In den betroffenen Regionen befänden sich wichtige Kornkammern und die Mehrheit der Menschen auf der nördlichen Erdhalbkugel lebt.
„Diese anhaltenden Hitzewellen, die durch stagnierende Wellenmuster entstehen, kommen auf den bereits beobachteten allgemeinen Temperaturanstieg durch die globale Erwärmung noch obendrauf hinzu. Das erhöht das Risiko besonders extremer Hitzewellen, vor allem in Regionen wie Nordamerika und Europa“, ergänzt Scott Osprey vom britischen National Centre for Atmospheric Science an der Universität Oxford.
Das nun dingfest gemachte Muster biete indes eine Möglichkeit, die Vorhersage zukünftiger extremer Wetterereignisse für die gefährdeten Regionen auf der Nordhalbkugel zu verbessern: „Es ist ungeheuer wichtig“, so Kornhuber, „diese stagnierenden Wellenmuster bei der Erforschungen von Wetterextremen zukünftig zu berücksichtigen.“
Den vollständigen Artikel der Klimaforscher finden Sie hier.