Bundesumweltministerin Barbara Hendricks freute sich nach dem UN-Klimagipfel in Lima noch, mit den Beschlüssen dort sei die Grundlage für die Verhandlungen über den neuen weltweiten Klimavertrag gelegt, der in einem Jahr in Paris verabschiedet werden soll. „Der Weg ist jetzt frei für die Schaffung des ersten Abkommens, das alle Staaten in die Klimaschutzanstrengungen einbindet", so Hendricks. „Der Gipfel von Lima eröffnet alle Möglichkeiten für ambitionierten, weltweiten Klimaschutz.“ Zur Erinnerung: Das über Jahre geltende, leider völlig erfolglose Weltklimabündnis, das Kyoto-Protokoll, hatte nur eine Laufzeit bis 2012. Ein Anschlussabkommen soll 2015 in Paris verabschiedet werden und 2020 in Kraft treten.
Was wurde dieser Tage in Lima beschlossen? Bis Mai 2015 soll ein kompletter Entwurf für das neue Abkommen vorliegen. Im Unterschied zum Kyoto-Protokoll wären diesmal alle Staaten dabei. Dem bisherigen Abkommen, dem Kyoto-Protokoll, folgten zuletzt nicht mal mehr 40 Staaten, die weniger als 15 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen ausmachen. Große Verschmutzer wie USA, China, Kanada, Japan und Russland hatten das alte abkommen nicht unterzeichnet.
Nun sollen also alle im Boot sein. Bei der Umsetzung setzt man auf ein gewisses Maß an Freiwilligkeit. Klar, man kann die Staaten nicht zwingen. Andererseits hat Freiwilligkeit bisher zu nichts geführt. Die Entscheidung der Klimakonferenz in Lima sieht nun also vor, dass alle Staaten eigene Klimaschutzbeiträge vorlegen. Je nachdem, was sie so machen können. Dabei ging es den Staaten immer um die Frage, welchen wirtschaftlichen Nachteil der Klimaschutz bedeutet. China hatte sich stets geweigert, sein Wirtschaftswachstum durch allzu strikte Reduktionsziele zu gefährden. Jetzt aber zwingen Luftverschmutzung und Klimawandel die Chinesen selbst zum Einlenken. Mit den USA verhält es sich ganz ähnlich. Auch sie sehen massive Probleme auf sich zukommen, wenn der Klimawandel weiter voran schreitet. Tornados und Überschwemmungen verursachen Schäden in Millionenhöhe.
Klimafinanzierung wird das große Thema
Als einen Erfolg bewertete Umweltministerin Hendricks die Gipfelergebnisse zur Klimafinanzierung. In den Grünen Klimafonds haben die Staaten über zehn Milliarden US-Dollar eingezahlt. Laut Hendricks sei damit die finanzielle Basis des Fonds geschaffen worden, der Entwicklungsländer beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützen soll. Deutschland hatte im Sommer 750 Millionen Euro für den Fonds zugesagt. Während der Konferenz in Lima hat Deutschland dann einen zusätzlichen Beitrag von 50 Millionen Euro für einen anderen UN-Fonds zugesagt, der die Anpassung an den Klimawandel unterstützt. Relativierend muss man sagen, dass dafür die Entwicklungshilfegelder, die ebenfalls zum Teil für Solarprojekte etc. in Entwicklungsländern genutzt wurden, seit Jahren kleiner werden.
Und nun kommen die Klimaexperten vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), Utrecht University, London School of Economics and Political Science (LSE) und andere mit einer Studie heraus, die besagt, dass die in Lima definierten Maßnahmen nicht ausreichen, um die Klimaerwärmung auf zwei Grad einzudämmen. Die Analyse untersucht einige der zentralen Verhandlungspunkte auf dem Weg vom Klimagipfel in Lima zu dem in Paris 2015. Die Forscher haben eine umfassendsten Abschätzungen vorgelegt zu Mengen und Zeitabläufen von Treibhausgasemissionen, welche die großen Wirtschaftsmächte in verschiedenen Szenarien noch ausstoßen könnten.
China: Gut aber zu schlecht
Die Forscher erklären, zwar würde eine Trendwende gegenüber einem ungebremsten Ausstoß früher erfolgen, wenn die Staaten ihre neuesten Ankündigungen umsetzen. Aber dennoch würde zu viel CO2 ausgestoßen. „China würde gemäß seinen Ankündigungen seine gesamten, aufsummierten Emissionen halbieren“, sagt Massimo Tavoni von der Fondazione Eni Enrico Mattei, der die Arbeit der Wissenschaftler koordiniert hat. „Aber sie würden zusammen mit den Emissionen anderer Länder Asiens das gesamte verfügbare Budget von 1.000 Gigatonnen CO2 überschreiten, das überhaupt noch ausgestoßen werden darf, wenn wir das Zwei-Grad-Ziel einhalten wollen.“ Mit anderen Wort: Länder wie China sind bereit so viel wie nie für den Klimaschutz zu tun – aber das ist nicht genug.
Möglich und wesentlich sei die Emissionsreduktion zu begrenzten Kosten. Dafür sei ein substantieller Beitrag der Entwicklungsländer erforderlich. „Dies könnte zu einer ungleichen Verteilung der Kosten führen. Ausgleichsmaßnahmen könnten dieses Problem lösen helfen“, sagt Tavoni. Er empfiehlt Finanzhilfen in Höhe von 100 bis 150 Milliarden Dollar pro Jahr bis 2030. Diese könnten die volle Nutzung der kostengünstigsten Reduktionspotenziale sicherstellen und die gesamten Investitionskosten für CO2-freie Technologien in den Entwicklungsländern abdecken. Einnahmen aus Instrumenten wie etwa CO2-Steuern könnten nach seiner Einschätzung ebenfalls die Investitionslücken bei sauberer Energie decken.
Elmar Kriegler, leitender Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Ko-Leiter der Studie sagt: „Wenn man die CO2-Verringerung auf kostengünstige Weise umsetzen will, dann müsste ein Großteil in Schwellenländern wie China oder Indien geleistet werden. Es ist klar, was das bedeutet. Wenn ein künftiges Klima-Abkommen diese Möglichkeiten zur Emissionsreduktion ausschöpfen will, dann muss es wohl Mechanismen enthalten, die einen Ausgleich für die Anstrengungen in den Entwicklungsländern schaffen.“
Auf dem Weg von Lima nach Paris wartet noch eine Menge Arbeit, ein harter Kampf gegen Besitzstandswahrer. Solle uns die Klimawende gelingen, würden alle profitieren. Das ist sicher. (Nicole Weinhold)