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Kommentar zum Abtauen der Antarktis

Ist der Klimawandel zu langsam, um aufgehalten zu werden?

Der Eisverlust in der Antarktis könnte noch in diesem Jahrhundert bis zu 37 Zentimeter zum globalen Meeresspiegelanstieg beitragen, zeigt eine neue Studie. In den Küstengebieten und Metropolen wie Shanghai oder New York wären die möglichen Auswirkungen katastrophal. Selbst in einem Szenario mit ambitionierten klimapolitischen Maßnahmen im Einklang mit dem 2-Grad-Ziel würde der Beitrag der Antarktis zum globalen Meeresspiegelanstieg noch einen Bereich von 0 bis 23 Zentimeter abdecken.

Der Designer Milton Glaser hat jetzt ein eigenes Logo für den Klimawandel vorgestellt: Eine schwarz-grüne Kreisfläche symbolisiert die vom Klimawandel betroffene Erdkugel. Auf der zugehörigen Kampagnen-Website ist der Kreis animiert und färbt sich zusehends schwarz. Mit dem Slogan #itsnotwarming – it‘s dying! will er darauf aufmerksam machen, dass der Begriff angesichts der massiven Probleme verharmlosend klingt. In dem Zusammenhang frage ich mich: Wieso interessiert sich heute eigentlich kaum mehr jemand für den Klimawandel? So wenig, dass jetzt sogar Designer Logos für den Klimawandel schaffen müssen, um ihn in Erinnerung zurückzurufen. Wahrscheinlich sind sogar an dieser Stelle bereits die ersten Leser entnervt abgesprungen.

Die Antiatomkraftbewegung verfügt über eine handfeste Lobby, die historisch gewachsen ist: Übrigens auch mit dem Logo 'Atomkraft? Nein danke!', mit gelbe Fähnchen und jeder Menge Volk, das sich von den Demos der vergangenen 30 Jahre schon kennt. Aber Klimaschutz? Naja, wie sieht es denn bei mir selbst aus? Das Thema beschäftigt mich seit Jahren. Gerade gestern kam mein neuer Kühlschrank mit A+++. Ziemlich dürftig, wenn man die Fernreise im März in den CO2-Fußabdruck einbezieht… Die Luft ist einfach raus aus der Debatte. Aber warum?

Menschen und Medien hatten in den 2000ern mitgefiebert. Täglich fanden sich neue Berichte in den Zeitungen über den längst spürbaren Klimawandel in Europa, über Dürren und Überschwemmungen in Asien und Afrika. Der Höhepunkt war mit der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 erreicht. Sie scheiterte grandios, Hoffnungen blieben unerfüllt. Wie viele Journalisten habe auch ich mich anschließend frustriert dem Tagesgeschäft zugewandt. Darin liegt einer der Gründe verborgen, warum uns der Klimawandel zusehends kalt lässt. Viele habe schlicht und ergreifend resigniert. Die lange Reihe der vergeblichen und erfolglosen Klimakonferenzen steht für sich: Wer schnelle Fortschritte sucht, ist hier an der falschen Adresse.

Immer wieder werden Fragen nach Sinnhaftigkeit und Gerechtigkeit von Gegnern ins Feld geführt. Gestern hat RWE bekannt gegeben, vier Kohlekraftwerke aus wirtschaftlichen Gründen schließen zu müssen. Bums! Da sparen wir gleich jede Menge CO2. Dagegen sind die Klein-Klein-Bemühungen in der Bevölkerung ein Tropfen auf dem heißen Stein. Klimagegner Hans-Werner Sinn zieht gern den Vergleich auf höherer Ebene: Wenn die Chinesen weiter ungebremsten CO2 auspusten, dann ist das bisschen, das wir hier sparen, völlig sinnlos. Und ungerecht findet er es obendrein: Deutschland verausgabt sich und andere Länder tun nichts. So ist es natürlich nicht: Wir machen eine Menge, erhoffen uns davon aber auch einen Technologievorsprung, den wir schon bald in Exportzahlen umsetzen können.

Klimaflüchtlinge und Ressourcenkonflikte

Sei es drum. Der Klimawandel selbst ereignet sich keineswegs sprunghaft, sondern schleichend. Das ist der zweite, wichtige Grund, der uns handlungsunfähig macht. Wäre der Wandel schneller, würden wir vielleicht besser reagieren können. Vieles erschien nach Hurrican Katrina 2005 in den USA plötzlich möglich.So wie sich nach Tschernobyl und Fukushima viele Regierungen von der Atomkraft abgewandt haben, plätschert die Negativentwicklung beim Klimawandel weiter vor sich hin. Da er sich im Alltag kaum wahrnehmen lässt, spüren wir keinen Handlungsbedarf. Gleichwohl bleibt er eine der größten Gefahren für die Menschheit. Übrigens eine viel größere und längst viel tödlichere als das Ebola-Virus. Schon vor über zehn Jahren warnte mein damaliger Chef Aloys Wobben im Editorial seines Kundenmagazins vor dem Klimawandel, der Flüchtlingsströme auslösen wird. Vordergründig sind es nur wenige, die sich als Klimaflüchtlinge ausmachen lassen. Doch seien es Kriege, Hunger oder wirtschaftliche Problem – das Klima ist mit allen drei Aspekten eng verbunden. Etwa durch Territorialkriege und Ressourcenkonflikte.

Mein Neffe ist jetzt elf Jahre alt. Der Klimawandel erscheint uns langsam. Gleichwohl wird er die Welt für die nächste Generation maßgeblich verändert haben. Wie sehr, das liegt an unserer Handlungsfähigkeit. Bisher steht es leider mit dieser nicht zum Besten. Bisher haben wir es nicht einmal geschafft, den weltweiten CO2-Ausstoß überhaupt zu senken. Weder das Kyoto-Protokoll, das erste große Klimaabkommen der Weltgemeinschaft, noch der europäische Emissionshandel haben einen nennenswerten Beitrag geleistet. 2013 ist der weltweite Kohleverbrauch um drei Prozent gestiegen, der globale Primärenergieverbrauch um 2,3 Prozent

Das Potsdam-Institut schreibt, die Antarktis könne noch in diesem Jahrhundert abtauen und den Meeresspiegel um bis zu 37 Zentimeter erhöhen – eher und stärker als bisher angenommen. Eine Hiobsbotschaft hält das PIK noch bereit: In den vergangenen zehn Jahren haben die Zahl der sommerlichen Wetterextreme zugenommen, graduell ausgelöst durch den wachsenden CO2-Ausstoß. Wir sollten den Klimawandel wieder stärker fokussieren, für den Klimaschutz kämpfen und ihn in unseren persönlichen Alltag einbinden. (Nicole Weinhold)