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Kommentar Ausschreibungen

Sauberer Strom ohne Netzstress

Kurz vor der Hannover Messe präsentierten Harald Uphoff, kommissarischer Geschäftsführer des BEE, und Benjamin Low, Global Director Energy bei der Deutschen Messe AG, eine Studie zur Ausgestaltung von Innovationsausschreibungen für erneuerbare Energien. Sie sehen darin die Chance für den Einsatz neuer Technologien und Geschäftsmodelle. Die Erprobung von Innovationsausschreibungen zu einem netz- und systemdienlichen Betrieb von Regenerativanlagen ist im EEG 2017 verankert und sieht ein jährliches Ausschreibungsvolumen von 50 Megawatt vor. Die von der Firma E4tech erstellte Studie ist als Diskussionsvorschlag gedacht.

Die Idee für das Ausschreibungsdesigns ist, dass die regenerative Technik auf der einen Seite und die Vermarktung auf der anderen Seite ausbalanciert und kosteneffizient arbeiten. Hinzu kommt die Erweiterung des Systems um Geschäftsmodelle zur Nutzung des Regenerativstroms, wenn er nicht eingespeist werden kann, weil die Netze ausgelastet sind.

Das Konzept beinhaltet Kriterien für die Systemintegration und ein Nachweisverfahren zur Bewertung des netzdienlichen Betriebs. Auf diese Weise wird für Transparenz gesorgt. Vorstellen kann man sich das Konzept als doppelte Waage (Grafik). Oben sieht man, wie Vorgaben im Ausschreibungsdesign den Innovationsgrad steuern – allerdings unter Berücksichtigung von Systemkosten. Wie sich die Anforderungen realisieren lassen, zeigt die untere Waage: durch innovative Anlagentechnik, Vermarktung oder beides in Kombination.

Das in dieser Studie vorgeschlagene Konzept für Innovationsausschreibungen zeichnet sich aus durch ein einfaches Nachweisverfahren zur Bewertung innovativer und netzdienlicher Anlagenbetriebsweise, das auf physikalischen Kriterien beruht. Über Vorgaben in der Ausschreibung besteht ein Steuerungelement, das den Grad der geforderten Innovation unter der Berücksichtigung von Systemkosten einstellen kann (obere Waage). Die Erfüllung der Anforderungen kann durch innovative Anlagentechnik, innovative Vermarktung oder einer Kombination beider Elemente erreicht werden (untere Waage). - © Grafik: E4tech
Das in dieser Studie vorgeschlagene Konzept für Innovationsausschreibungen zeichnet sich aus durch ein einfaches Nachweisverfahren zur Bewertung innovativer und netzdienlicher Anlagenbetriebsweise, das auf physikalischen Kriterien beruht. Über Vorgaben in der Ausschreibung besteht ein Steuerungelement, das den Grad der geforderten Innovation unter der Berücksichtigung von Systemkosten einstellen kann (obere Waage). Die Erfüllung der Anforderungen kann durch innovative Anlagentechnik, innovative Vermarktung oder einer Kombination beider Elemente erreicht werden (untere Waage).

Wichtig und richtig ist darüber hinaus vor allem, dass über alternative Vermarktungsmodelle Strom genutzt werden soll, der bislang abgeregelt wurde. Auf diese Weise kann sich das Geschäft, je nach Vermarktungskonzept, für die Erneuerbaren lohnen, die den Gürtel durch gesunkene Vergütung und Ausschreibungen im Preiswettbewerb immer enger schnallen müssen. Es ist längst überfällig, Anreize zu schaffen für das Erwirtschaften von Erlösen außerhalb des Fördersystems. Gleichzeitig wird durch Anreize für Systemdienstleistungen wie etwa das Kappen oder Verschieben von Leistungsspitzen etwas für die Entlastung des Systems getan. "Leistungsspitzen brauchen einen hohen Netzausbau", so Malte Jansen von E4tech, der Firma, die die Studie verfasst hat, bei der Präsentation. Darum hat E4tech sich eine sogenannte Systemdienlichkeitsschwelle ausgedacht. Sie betrachtet die über das Jahr anfallende Leistung als Kurve mit den Leistungsspitzen auf der einen Seite und reduzierter Leistung auf der anderen Seite.

Als Idealziel wird eine gleichmäßige Produktion ohne Leistungsspitze angesehen. Um das Netz zu entlasten und damit einer Systemdienlichkeitsanforderung gerecht zu werden, wird also eine Systemdienlichkeitsschwelle eingeführt, die die größten Leistungsspitzen ausschließt. Der Strom kann anderweitig vermarktet werden. Wie hoch der Anteil ist, der selbst vermarktet wird, steht jedem offen. Er darf aber 20 Prozent nicht übersteigen. Bezuschlagte Gebote können variabel von Jahr zu Jahr einen Anteil von bis zu 20 Prozent der Jahresstunden nominieren, welche nicht vergütet werden. Im Gegenzug gibt es einen Aufschlag auf die Basisvergütung in den nicht-nominierten Stunden.

Zu den weiteren Vorschlägen in der Studie gehört, dass Anbieter bei Gebotsabgabe darlegen müssen, wie innovativ oder systemdienlich ihr Projekt ist. Dazu gibt es Innovationskategorien. In der Ausschreibung werden zudem zwei Parameter vorgegeben, die oben beschriebene Systemdienlichkeitsschwelle und ein Mindestanteil an Energie, der über das Jahr möglichst gleichmäßig verteilt in das Stromnetz eingespeist werden muss.

BEE und Hannover Messe gehen mit einem guten Vorschlag für die Innovationsausschreibungen auf das Wirtschaftsministerium. Das Konzept könnte ein guter Weg sein, um Erfahrungen mit systemdienlichen Ausschreibungen zu sammeln. Die Kernidee ist dabei längst in aller Munde: An der einen Stelle werden Anlagen abgeregelt, weil das Netz nicht überlastet werden soll. An anderer Stelle wird vor allem in Zukunft Strom vor Ort gebraucht. Sektorkopplung ist da das Stichwort. Endlich barrierefrei seinen Strom vermarkten zu können, statt ihn gar nicht zu nutzen - das ist ein wichtiges Ziel. Entsprechend sind in der Studie auch Vorschläge für die barrierefreie Vermarktung des Stroms außerhalb des Netzes, der das Netz nicht belasten soll. Die Möglichkeiten sind zahlreich: Power-to-X, E-Mobilität...

Das andere Thema, die Systemdienlichkeit, die hatte das Wirtschaftsministerium immer aus den Ausschreibungen ausgeklammert. Zu kompliziert! hieß es als Begründung. Dabei sind Systemdienstleistung, die Unterstützung der Netzsicherheit und Stabilität in anderen Ländern längst Teil des Ausschreibungskonzeptes. Vielleicht sind die Innovationsausschreibungen ja ein Anstoß.

Kommentar Nicole Weinhold | Kommentar Nicole Weinhold - © Foto: Nicole Weinhold
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