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Koalitionsvertrag 2025: Rückenwind für die Energiewende – mit Stolpersteinen

Die neue Bundesregierung aus SPD, CDU und CSU hat ihren Koalitionsvertrag vorgelegt – und die Energiebranche schaut genau hin. Zwischen ambitionierten Klimazielen, klaren Bekenntnissen zu erneuerbaren Energien und Fortschritten in Richtung Dekarbonisierung bleiben jedoch kritische Fragen offen. Die Reaktionen aus der Branche fallen differenziert aus: Lob für Weichenstellungen und zugleich mahnende Worte angesichts möglicher Rückschritte.

Energiepolitik mit Systemdenken – BEE sieht Chance auf Strukturwandel

Die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), Simone Peter, begrüßt die Stoßrichtung des Koalitionsvertrags grundsätzlich. Die Betonung von Innovation, Investitionen und die klare Einbindung der Energiewende in die europäische Perspektive werde dem Anspruch eines modernen Wirtschaftsstandorts gerecht. Besonders hervor hebt Peter die Festschreibung der nationalen und europäischen Klimaziele sowie das Bekenntnis zu erneuerbaren Energien als „Schlüsseltechnologien“.

Erfreulich sei, dass Bürger:innen und Unternehmen stärker eingebunden werden sollen – etwa durch Entbürokratisierung, Mieterstrom, Bürgerenergie und Energy Sharing. Auch die Integration von auf Erneuerbaren basierenden Molekülen wird als positiver Impuls gesehen. Damit verbunden fordert der BEE aber stabile Rahmenbedingungen: Ein „gesicherter Investitionsrahmen“ sei essenziell, um Ausbauziele ohne Unterbrechungen zu erreichen. Das gelte sowohl im Strom- als auch im Wärmesektor.

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Peter warnt allerdings davor, Strombedarf und Versorgungssicherheit zu unterschätzen. Nur mit einem systemischen Ansatz – also dem koordinierten Zusammenspiel von Ausbau der Erneuerbaren, Netz- und Speicherinfrastruktur, Flexibilitätsoptionen sowie einer technologieoffenen Kraftwerksstrategie – könne Versorgungssicherheit garantiert werden. Die Bundesregierung greife hier zentrale Punkte auf, müsse nun aber auch bei der Umsetzung Tempo machen.

Solarwirtschaft mahnt: Mehr Klarheit, weniger Rückschritte

Auch der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) sieht Licht und Schatten. Der Wille zum weiteren Ausbau erneuerbarer Energien und Speicher sei ein „wichtiges Signal“, so Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Positiv bewertet der Verband zudem die angestrebte Einbindung von Bürger:innen und Unternehmen in die Energiewende. Die Nachfrage sei groß, das Potenzial enorm.

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Doch nicht alle Passagen des Vertrags stoßen auf Zustimmung. Die geplante Abschaffung des sogenannten Heizungsgesetzes etwa könnte als Rückschritt interpretiert werden. Körnig warnt davor, den Wärmesektor bei der Energiewende zu vernachlässigen: „Der Innovationsstau bei klimafreundlichen Heizungen muss jetzt schnell aufgelöst werden.“ Die Solarbranche fordert, statt Unsicherheiten zu schüren, eine klare Kombination aus Fördern, Fordern und sozialer Abfederung.

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Zudem warnt der BSW-Solar vor einem „Zementieren fossiler Kraftwerkskapazitäten“. Ein konsequenter Kurswechsel zu sauberen Energieträgern sei unerlässlich, wenn Deutschland Klimaziele erreichen und gleichzeitig ein attraktives Investitionsklima schaffen wolle. Die Solarwirtschaft will deshalb auch in der neuen Legislaturperiode mit konkreten Vorschlägen zur Umsetzung beitragen – insbesondere bei der Beschleunigung von Netzanschlüssen und dem Abbau regulatorischer Barrieren.

Martin Sabel, Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP), stellt fest, positiv hervorzuheben seien das klare Bekenntnis zu einer deutlichen Absenkung der Strompreise für Verbraucher um fünf Cent pro Kilowattstunde sowie das Ziel, die Netzentgelte dauerhaft zu deckeln. Gleichzeitig werde eine Fortsetzung der Sanierungs- und Heizungsförderung angekündigt – das seien zusammengenommen klare Signale der Verbesserung von Rahmenbedingungen für die Branche.

„Wir unterstützen die Betonung des Gebäudesektors für die Erreichung der Klimaziele und verweisen auf die dringende Notwendigkeit, die Abhängigkeit Deutschlands von Importen fossiler Energieträger zu reduzieren. Die Ankündigungen zum Gebäudeenergiegesetz bedeuten, dass es auch weiterhin Anforderungen an den Einsatz erneuerbarer Energien beim Heizungstausch geben wird. Diese müssen auch weiter in Übereinkunft mit den europäischen Gebäudevorgaben stehen.“  

Stadtwerke kritisieren Marktverzerrung durch Reservekraftwerke

Deutlicher fällt die Kritik bei der Stadtwerke-Allianz Trianel aus. Geschäftsführer Sven Becker zeigt sich besorgt über Pläne, Reservekraftwerke künftig in den Markt zu integrieren – ein Vorhaben, das ursprünglich der reinen Systemsicherheit diente. „Das ist ein ordnungspolitischer Sündenfall“, warnt Becker. Der Eingriff könne funktionierende Märkte aushebeln, Investitionen in steuerbare Kapazitäten gefährden und europarechtlich problematisch sein.

Zwar lobt auch Becker die Erkenntnis, dass Flexibilität eine zentrale Voraussetzung für die nächste Phase der Energiewende ist – ebenso wie den geplanten Kapazitätsmarkt zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit. Doch staatliche Eingriffe in Preisbildungsmechanismen lehnt er strikt ab. „Statt Preisstabilisierung durch Reservekraftwerke braucht es marktwirtschaftlich tragfähige Lösungen“, so Becker.

Der Balanceakt der neuen Regierung: Energiepolitik zwischen Ambition und Realismus

Der Koalitionsvertrag 2025 macht deutlich: Die neue Bundesregierung will den Umbau der Energieversorgung weiter vorantreiben – mit Rückenwind für Erneuerbare, klaren Zielen und einer systemisch gedachten Energiewende. Doch die Reaktionen aus der Branche zeigen auch, wie fein austariert die Balance zwischen ambitionierter Klimapolitik, Versorgungssicherheit und marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik sein muss.

Erneuerbare Energien genießen dabei mehr Rückhalt denn je – in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Doch die Umsetzung erfordert politische Entschlossenheit, regulatorische Klarheit und ein gemeinsames Verständnis davon, dass der Umbau des Energiesystems nicht durch Rückschritte oder Unsicherheiten gefährdet werden darf. Die Branche ist bereit – doch sie erwartet jetzt klare, konsistente und mutige Entscheidungen.