Katharina Wolf
Ein Klimaschutzgesetz, das auf den Beschlüssen des am Freitag vorgestellten Klimapakets basiert, soll noch in diesem Jahr „aufs Gleis gesetzt werden“. Das erklärte Florian Pronold (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium, gestern während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses des Bundestages.
Für die CO2 ausstoßenden Bereiche würden damit verbindliche Einsparziele festgelegt, betonte der Staatssekretär. Beschlossen worden sei durch das Klimakabinett auch ein Mechanismus zur fortlaufenden jährlichen Überprüfung und Anpassung der Ziele. Dieser Mechanismus stelle einen neuen Schritt, einen „Epochenbruch“ dar, sagte Pronold. Allerdings räumte er auch ein: „Ich bin mir sehr sicher: Es muss auch nachjustiert werden“, betonte er.
Fridays for Future reagiert enttäuscht
Diese Einschätzung teilt er mit vielen, die sich vom Klimapaket mehr erhofft hatten, allen voran die Fridays for Future-Demonstranten. „Liebe Bundesregierung: Wenn man jahrelang nichts für den #Klimaschutz tut & dann nach massivem monatelangem Druck aus der Bevölkerung Maßnahmen diskutiert, die mit 1,5° rein gar nichts zu tun haben, ist das kein ,Durchbruch', sondern ein Eklat“, twitterte der deutsche Zweig der Bewegung noch am Freitag.
Auch andere zeigten sich enttäuscht, vor allem der Bundesverband Windenergie (BWE) angesichts des nun festgelegten Mindestabstandes vom 1.000 Metern zwischen Windparks und Wohnbebauung.
BWE: Murks statt großer Wurf
„Der große Wurf wurde angekündigt, doch die Regierung hat es vermurkst“, kritisierte BWE-Präsident Hermann Albers. Angesichts der Bereitschaft von Industrie, Energieversorger und Investoren stünden bereit, großflächig in Erneuerbare Technologien einzusteigen, fehlten die notwendigen angehobene Ausschreibungsmengen für Windenergie an Land. „Dass sich Teile der Unionsfraktion zudem durchsetzen konnten und über die Einführung pauschaler Abstandsregelungen bewusst weitere Hürden aufgebaut werden, ist unverständlich und grob fahrlässig“, so Albers. Damit werde die Regional- und Landesplanung ins Chaos gestürzt, was die gesamte Branche gefährde.
Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation bei Greenpeace Energy, nannte das Klimapaket ein Windkraft-Verhinderungsprogramm und eine Breitseite gegen die Energiewende. „Kanzlerin Merkel hat offenbar das Ziel komplett aufgegeben, den Klimaschutz mithilfe der Erneuerbaren voranzubringen.“ Für den Ausbau der Windenergie an Land sei dieses Papier der Bundesregierung eine Bankrotterklärung. In der Politik sei längst bekannt, dass pauschale Mindestabstände bei neuen Windanlagen von 1.000 Metern die möglichen Flächen um 20 bis 50 Prozent reduzieren.
Positivere Reaktionen aus der Offshore-Branche
Positiver urteilten Stimmen aus der Offshore-Branche - kein Wunder, ist doch der Deckel für den Ausbau der Windkraft auf See auf 20 GW bis 2030 angehoben worden. Andreas Wagner, Geschäftsführer der Stiftung Offshore Windenergie, sprach von einem „wichtigen klima- und industriepolitischen Signal“. Uwe Knickrehm, Geschäftsführer des Bundesverbandes Windparkbetreiber Offshore (BWO), sagte, auch wenn 20 GW installierte Offshore-Leistung im Jahr 2030 die Energiewende nicht allein retten könnten, so stelle die Erhöhung der Ausbauziele dennoch einen wichtigen Schritt zur Erreichung des Ziels von 65 Prozent erneuerbaren Energien im gleichen Jahr dar. Er forderte, die Betreiber von Offshore-Windparks, die Übertragungsnetzbetreiber sowie Bundes- und Landesregierungen schnellstmöglich zusammenzubringen, um gemeinsam mit der Umsetzung zu beginnen.
Erleichterte Solarbranche, erzürnte Klimaforscher
Erleichtert äußerte sich der Bundesverbandes Solarwirtschaft über den Wegfall des PV-Ausbaudeckels. „Die Streichung des Förderdeckels für Solardächer wird in letzter Minute einen Markteinbruch abwenden, wenn sie jetzt umgehend gesetzlich fixiert wird. Insgesamt bleibt das Eckpunktepapier aber eher zaghaft und vage. Statt den Solarturbo zu starten, knüpft man einen fluglahmen Flickenteppich“, sagte Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW).
Vernichtend dagegen reagierten das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Agora Energiewende. Das Klimapaket sei erschreckend kraft- und mutlos, sagte Patrick Graichen, Geschäftsführer bei Agora Energiewende. Den vorgeschlagenen CO2-Preis von zehn Euro pro Tonne bezeichnete er als „schlechten Scherz“, der keinerlei Lenkungswirkung entfalten werde.
Auch Ottmar Edenhofer, Direktor des PIK, zeigte sich enttäuscht über die „Mutlosigkeit“ der vorgestellten Ideen. Die CO2-Preise seien zu niedrig, um die Klimaschutzziele zu erreichen. „Ein sinnvoller Einstiegspreis liegt dagegen bei 50 Euro pro Tonne CO2 – und er müsste dann bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts, also 2030, auf 130 Euro steigen“, so Edenhofer. Der geplante CO2-Preis habe nur eine Alibi-Funktion. Er verwies auf das von der Bundesregierung in seinem Institut angeforderte Gutachten.
Klimaforscher Stefan Rahmstorf, ebenfalls am PIK, hat zudem gestern im Petitionsausschuss vorgetragen, dass das Klimapaket nicht geeignet sei, dass Pariser Klimaabkommen umzusetzen. Um das Ziel einer maximalen 1,5 Grad-Erwärmung zu halten, dürfte Deutschland - anteilig am weltweiten CO2-Ausstoß - laut Rahmstorf im Jahr 2030 264 Megatonnen emittieren. Das Ziel der Bundesregierung liege aber bei 563 Megatonnen.
Es wird also noch einiges zu diskutieren sein, bevor das Paket Gesetzeskraft erreicht, zumal die Grünen, die über den Bundesrat Einfluss nehmen können, schon angekündigt haben, Verbesserungen einzufordern.