Ist die Situation in Brandenburg tatsächlich so prekär, dass man die Windkraft in die Schranken weisen muss?
Jan Hinrich Glahr: Prekär ist sie insofern, dass die Politik den Eindruck erweckt, die Akzeptanz für Windkraft sei am Sinken. An den Zielen, zwei Prozent der Landesfläche zu nutzen hat sich nichts geändert. Natürlich ist die Windkraft dadurch dass wir weiter ausbauen deutlich sichtbar. Und wir haben das Problem, dass es uns als Branche und mit der Landespolitik nicht gelingt, die Notwendigkeit der Energiewende und den damit verbunden Windkraftausbau zu kommunizieren, sodass die Menschen verstehen, wozu das gut ist.
Fehlt es an Informationen?
Die eine Kampagne läuft aus Richtung der konventionellen Energien, die versucht darzulegen, dass die Kohle noch viel länger gebraucht wird. Die andere läuft aus dem Bereich erneuerbare Energien. Die sagt, wir sind auf dem richtigen Weg und wollen den Ausbau mit den heutigen Akteuren fortsetzen, damit wir eine demokratische Energiewende bekommen.
Wie kommt es zu diesem deutlichen Signal gegen die Windkraft bei Ihnen? Die 10H-Regel kennen wir bisher nur aus Bayern.
Es gibt eine grundsätzliche Unsicherheit in der brandenburgischen Bevölkerung, weil wir ein extremes Spannungsfeld zwischen der Braunkohle einerseits und den erneuerbaren Energien andererseits haben. Damit zusammenhängende Transformationsprozesse wie Netzausbau oder Ausbau der Erneuerbaren insgesamt. Das andere ist, dass es tatsächlich eine Gruppe gibt, die sich gegen die Windkraft engagiert. Die hat es zunehmend geschafft, mit Unterschriftenaktionen und so weiter, den einen oder anderen unschlüssigen Bürger zur Unterschrift für größere Abstände zu bewegen. Das ist für mich das Signal, dass wir noch viel deutlicher informieren müssen: wie weit ist eine Windkraftanlage von der Wohnbebauung entfernt gesundheitsschädlich? Und wir müssten über die Chancen informieren, die wir mit der Windkraft in Brandenburg haben.
Was sind das für Chancen?
Die Windkraft ist heute schon die günstigste Erzeugungsform der erneuerbaren Energien – auf Augenhöhe mit neuen Kohlekraftwerken. Wir werden in diesem Jahr eine neue Wertschöpfungsstudie veröffentlichen und darlegen können, dass wir eine Wachstumsbranche sind, die einen Teil des Strukturwandels in der Lausitz auffangen kann.
Welche Vorteile hat man vor Ort?
Wir haben in Brandenburg hohe indirekte Effekte durch Zulieferbetriebe. Außerdem haben wir in den Kommunen selbst immer mehr Wertschöpfung, dadurch dass sich die Windparkprojektierer und -betreiber in der Kommune engagieren. Es gibt auch immer mehr Kommunen, die selbst auf die Projektierer zugehen und sagen: Das wollen wir. Zudem sind Bürgerwindprojekte ein ganz starker Trend, genossenschaftliches Engagement. Da setzen wir grundsätzlich große Stücke drauf.
Das wird ja jetzt schwieriger durch Ausschreibungen…
Das ist eine Bewegung, die aus meiner Sicht kontraproduktiv ist, weil wir ja eigentlich die Bürger mitnehmen wollen bei der Energiewende.
(Nicole Weinhold)