Nicole Weinhold
Klaus Töpfer (CDU) hat sich immer für Umweltschutz eingesetzt, als Bundesumweltminister unter Helmut Kohl, als Direktor des UN-Umweltprogramms, als Direktor des Institute for Advanced Sustainability Studies. Wie beurteilt der 80-Jährige die aktuelle deutsche Klimapolitik?
Wie schätzen Sie die Situation von Svenja Schulze ein, die für ihre Bemühung um ein Klimaschutzgesetz mit festen Maßnahmen für jedes Ministerium von den unionsgeführten Ministerien für Wirtschaft, Landwirtschaft und Verkehr gerüffelt wurde?
Klaus Töpfer: Die Notwendigkeit eines Klimagesetzes steht außer Frage – dies ist in der Koalitionsvereinbarung auch festgeschrieben. Das Pariser Abkommen muss umgesetzt werden. Alle darin enthaltenen Regelungen sind zu nutzen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass vor allem Afrika zwingend wirtschaftliche Entwicklung benötigt und dafür eine klimafreundliche Energieversorgung in enger Zusammenarbeit mit Deutschland braucht.
Haben Sie schon mal daran gedacht, Ihr Parteibuch zurückzugeben? Immer stellt sich die Union beim Klimaschutz quer.
Klaus Töpfer: Nein, daran habe ich nicht gedacht, im Gegenteil: Ich bin davon überzeugt, dass die Zukunft einer Welt mit dann über neun Milliarden Menschen, die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und damit eine erfolgreiche Klimapolitik im Mittelpunkt der politischen Arbeit einer christlich-demokratischen Union stehen muss und stehen wird. Ich war fast acht Jahre Umweltminister in einer von der CDU geführten Bundesregierung – eine umweltpolitisch höchst ertragreiche Zeit.
Nur – wenn gefragt wird, wer einem beim Stichwort Umweltpolitiker in der CDU einfällt, dann kommt nach 30 Jahren immer noch nur Ihr Name.
Klaus Töpfer: Man könnte darüber eitel werden und sich freuen. Aber das tue ich nicht. Ganz im Gegenteil. Nochmals: Mehr denn je bin ich der Meinung, dass die CDU in der Umweltpolitik klare Schwerpunkte setzen und in konkrete Politik umsetzen muss. Unser Lebensstil hat die Konsequenz, dass die damit verbundenen Kosten auf Natur und Umwelt abgeschoben werden und natürliche Lebensgrundlagen zerstören. Was ist, wenn ich von meinen Enkelkindern gefragt werde, warum habt ihr das nicht verhindert? So macht es mich eher betroffen, dass innerhalb dieser christlich orientierten Partei viel zu wenig Menschen konsequent und sichtbar für die Erhaltung der Umwelt, von Natur und Schöpfung eintreten und Profil gewinnen.
Und trotzdem sieht man in der Union keine junge Generation, die diese Linie vertritt.
Klaus Töpfer: In meinem Alter ist es wenig hilfreich, der „jungen Generation“ Vorschriften zu machen. Gegenwärtig verfolgen wir, wie diese „junge Generation“ auf die Straße geht, wie sie sich engagiert, wie sie lauthals protestiert, wie sie das politische Handeln als unzureichend ansieht. Diese jungen Menschen haben es geschafft, Klimawandel und Umweltschutz in den Mittelpunkt der politischen Agenda zu stellen. Entscheidend ist, dass dabei die Notwendigkeit im globalen Zusammenhang herausgearbeitet wird. Dass die erneuerbaren Energien wettbewerbsfähig geworden sind, macht sie globalisierungsfähig und damit zur zentralen Option der Klimapolitik. Dazu hat Deutschland einen entscheidenden Beitrag geleistet.
HTW-Professor Volker Quaschning sagt: Wir wären heute nicht bei 40 Prozent Erneuerbaren, wenn es nicht eine Verknüpfung von Umständen gegeben hätte. Das Stromeinspeisungsgesetz wurde 1991 durchgewinkt, weil Erneuerbare nicht ernst genommen wurden. Dann kam Rot-Grün an die Regierung und wollte sich auf diesem Feld profilieren, unter anderem mit dem EEG. Und als Schwarz-Gelb gerade bremsen wollte, passierte das Fukushima-Unglück.
Klaus Töpfer: Das Stromeinspeisungsgesetz ist auf den Weg gebracht worden, als ich selbst noch Umweltminister war. Es waren zwei Abgeordnete im deutschen Bundestag, die dieses Gesetz entwickelt und vorangebracht haben: ein Politiker der CSU und ein Politiker der Grünen. Dass die ökonomischen Rahmenbedingungen durch Fortschritt und Massenproduktion stimmig wurden, haben die Menschen in Deutschland mit den Strompreisen bezahlt. Wind und Sonne sind dadurch wettbewerbsfähig geworden – in vielen Teilen der Welt noch mehr als bei uns. Damit sind die erneuerbaren Energien globalisiert nutzbar. Gegenwärtig wird mehr in Erneuerbare investiert als in die traditionellen Techniken. Das war und ist bei der Kernenergie nicht der Fall. Afrika mit bald zwei Milliarden Menschen gewinnt damit eine umweltverträgliche Energieversorgung – dezentral, für viele Menschen zugänglich, eine demokratiefähige Technik. Dies wäre mit der Kernenergie undenkbar.
Und trotzdem hat man oft das Gefühl, dass die europäische Bevölkerung sich nicht mitgenommen fühlt. Das wird auch Thema bei der Europawahl im Mai, bei der ein Rechtsruck erwartet wird und Parteien wie die AfD bekanntermaßen zu den Windkraftgegnern und Klimaleugnern gehören.
Klaus Töpfer: Die gesellschaftliche Befindlichkeit ist zunehmend verunsichert durch die massive Krise multilateraler Zusammenarbeit. Von Trumps „America First“ bis hin zum Brexit – von populistischen Nationalismen bis hin zu Renationalisierungen: Viele Menschen sehen sich mehr als Objekt denn als Subjekt politischer, gesellschaftlicher Gestaltung. Gerade gegenwärtig aber bedarf es in der Globalisierung einer verlässlichen multilateralen Zusammenarbeit. Klimawandel ist nicht national erfolgreich zu bewältigen, sondern nur global. Gleiches gilt für den Schutz der Meere, für Wanderungsbewegungen. Handelsströme bedürfen multilateraler Abstimmung. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig zu belegen, dass die Menschen in die Gestaltung der Zukunft eingebunden sind, eine Zukunft mit sozialer Gerechtigkeit, ökologischer Verantwortlichkeit und ökonomischer Begrenzung. Gerade das macht erneuerbare Energien, macht ein Volksbegehren gegen das Insektensterben, macht die Zusammenarbeit im internationalen Bereich so wertvoll.