Sie finanzieren kleine und mittelgroße Solar-, Wind- und Batteriespeicheranlagen in Europa und sagen, es sei nicht leicht, dafür Geld zu kriegen. Woher kommt das Geld?
Martin Siddiqui: Treiber der Energiewende sind neben politischen Rahmenbedingungen und Technologien die notwendigen Investitionen in den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das meiste Kapital findet sich naturgemäß am Kapitalmarkt. Daher haben wir uns dazu entschieden, sehr früh an die Börse zu gehen und die Gesellschaft bereits im November 2019 gelistet. Seitdem haben wir unser Wachstum über Kapitalerhöhungen finanziert. In Summe waren es bisher drei Kapitalerhöhungen: 17,5 Millionen Euro im April 2020, 40 Millionen im Dezember 2020 und 10 Millionen Euro im November letzten Jahres. Perspektivisch soll auch Fremdkapital dazu kommen, das wir über den Kapitalmarkt einwerben wollen.
Die Idee dahinter, Sie haben es gesagt: Wir erwerben Projekte von kleinen und mittelgroßen lokal gut vernetzten Projektentwicklern und führen diese mit den Finanzierungsmöglichkeiten der globalen Kapitalmärkte zusammen, um so eine dezentrale effiziente Energiewende voranzutreiben.
Das heißt, Sie kaufen Projekte im Stadium der Genehmigung?
Martin Siddiqui: Wir kaufen die Anlagen in der Regel in der Phase zwischen Baureife und Fertigstellung.
Und dann betreiben Sie die Projekte?
Martin Siddiqui: Genau. Wir betreiben die Anlagen selbst. Unserem Geschäftsmodell liegt die Feststellung zugrunde, dass es im Lebenszyklus von Regenerativanlagen zwei diametrale Risikoprofile gibt. Die anfängliche Entwicklungsphase ist von binären Risiken geprägt: Man muss unter Anderem Genehmigungen einholen und sich Netzanschlüsse und Landrechte sichern, welche immer das Risiko mit sich bringen, dass ein Projekt auch mal komplett verloren geht bzw. nicht fertiggestellt werden kann. Dieses hohe Risiko spiegelt sich in einem sehr volatilen Ertragsprofil wider. Sobald jedoch alle Genehmigungen vorliegen und die Finanzierung gesichert ist, erreichen die Projekte die Baureife und werden damit kapitalmarktfähig. Ab der Bauphase ergibt sich aufgrund der gesicherten Umsatzerlöse durch Einspeisevergütungen oder private Stromabnahmeverträge entsprechend ein sehr attraktives Risikoprofil mit stabilen und prognostizierbaren Cash Flows. Dadurch, dass wir nur Anlagen kaufen, die sich im Bau befinden oder bereits in Betrieb sind, bringen wir genau den Teil des Lebenszyklus an die Börse, der gut an die Börse passt.
Sie und Ihr Co-CEO Christoph Strasser haben sich bei JP Morgan kennengelernt. Haben Sie dort auch die Geschäftsidee entwickelt?
Martin Siddiqui: Ja, wir haben beide einige Jahre bei JP Morgan zusammengearbeitet, bis wir zu dem Punkt kamen, nochmal nach einer neuen Herausforderung suchen zu wollen. In dem Zeitraum lernten wir die Arvantis-Gruppe aus München kennen, die auch im Bereich erneuerbare Energien aktiv ist. Sie beschäftigten sich damals mit der Frage, was eine sinnvolle Strategie sein könnte, um erneuerbare Energie an den Kapitalmarkt zu bringen. Die Frage war: Was ist das richtige Format für den Kapitalmarkt? Wir haben uns daraufhin angeschaut, was bereits in anderen Regionen der Welt funktioniert und sind im angelsächsischen Bereich auf das Konzept der YieldCo gestoßen. Dies sind börsennotierte Betreibergesellschaften, die mit Entwicklungsgesellschaften zusammenarbeiten und von diesen durch Vorkaufsrechte immer wieder Anlagen erwerben. Mit dieser Idee hatten wir die Grundlage für unser Geschäftsmodell gefunden und sind darauf basierend mit der Pacifico Renewables Yield AG gestartet.
Was ist das Besondere an Ihrer Idee?
Martin Siddiqui: Wir haben zwar auf der Idee der YieldCo aufgebaut, diese jedoch auf den europäischen Markt zugeschnitten. Im angelsächsischen Raum gibt es große Entwickler, die mit großen Betreibern arbeiten. Im Gegensatz dazu wird die Energiewende in Europa jedoch auch stark durch kleine und mittelgroße Entwickler und kleinere Anlagen getrieben. Aufgrund der höheren Bevölkerungsdichte in vielen europäischen Ländern sind die verfügbaren Landflächen kleiner. Folglich hängt der Erfolg der Energiewende in Europa stärker als anderswo auf der Welt von kleinen und mittelgroßen Entwicklern ab. Wir sind anfangs, uns an der YieldCo-Idee orientierend, mit einer Partnerschaft mit einem Entwickler gestartet. Dann haben wir jedoch schnell festgestellt, dass wir den Mehrwert, den die Partnerschaft diesem Entwickler bietet, auch mehreren Entwicklern bieten können und damit das Geschäftsmodell weiter skalieren können. Daher sind wir 2021 Partnerschaften mit drei weiteren Entwicklern in Deutschland, Großbritannien und Australien eingegangen.
Welchen Mehrwert bieten Sie?
Martin Siddiqui: Wir bringen uns da ein, wo die Kompetenz des Entwicklers in der Regel aufhört: Bei der finanzwirtschaftlichen Strukturierung der Projekte sowie der Stromabnahmeverträge. Gleichzeitig bieten wir dem Entwickler einen standardisierten effizienten Verkaufsprozess sowie einen Partner, den er kennt und mit dem er gut und gerne zusammenarbeitet. Durch unsere ergänzende Expertise und das entstehende Vertrauen machen wir Prozesse schneller und den Entwicklern das Leben einfacher. So haben wir das klassische Modell aus dem angelsächsischen Raum zu einem skalierbaren Plattformmodell weiterentwickelt. Es ist ein Alleinstellungsmerkmal, dass wir so schnell in der Lage waren, die ursprüngliche Geschäftsidee weiterzuentwickeln, auf vier Partnerschaften zu skalieren und nun eine Plattform zum Kapitalmarkt für kleine und mittelgroße Projektentwickler geworden sind.
Was unterscheidet Ihr Modell von dem, was andere Versorger anbieten? Sie verkaufen den Grünstrom an die Industrie, nehme ich an.
Martin Siddiqui: Unser Wettbewerbsvorteil liegt nicht auf der Vermarktungsseite. Dort sind wir wie viele andere Unternehmen ein Produzent von Strom aus erneuerbaren Quellen. Wir differenzieren uns jedoch stark auf der Akquisitionsseite durch unseren vorrangigen Zugang zu Anlagen und der Art der Zusammenarbeit mit den Entwicklern. Bei großen Versorgern bzw. Investoren müssen kleine Entwickler häufig mehrere Projekte als Portfolio bündeln, um sie verkaufen zu können. Bei uns kann ein Entwickler auch regelmäßig einzelne kleine Anlagen an uns veräußern, ohne eine kritische Gesamtgröße erreichen zu müssen. Hierdurch wird teures und knappes Risikokapital schneller wieder freigesetzt und kann so erneut seinen Weg in neue Projekte finden, womit der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt wird. Den Effekt des schnelleren Reinvestierens von Kapital wird als Capital Recycling bezeichnet.
Wo wird Kapital gebraucht?
Martin Siddiqui: Die größte Knappheit besteht aus unserer Sicht beim Risikokapital für den Ausbau erneuerbarer Energien, welches in der Entwicklungsphase, also der ersten Phase des Lebenszyklus einer Anlage, benötigt wird, um wie zuvor erläutert unter Anderem Genehmigungen einzuholen, sowie Landflächen und Netzanschlüsse zu sichern. Durch unser Modell und die effizienten Verkaufsprozesse bieten wir unseren Partnern die Möglichkeit, Anlagen schneller zu verkaufen und das freigewordene Kapital in Folge schneller zu recyceln, um es in neue Entwicklungsprojekte zu investieren.
Wie können Verbraucher partizipieren?
Martin Siddiqui: Durch unsere Notierung an der Börse geben wir Verbrauchern die Möglichkeit, direkt monetär an der Energiewende teilzuhaben. Das war ein weiterer Grund für die Entscheidung, früh an die Börse zu gehen. Aus unserer Sicht ist der Kapitalmarkt die transparenteste und einfachste Möglichkeit, in die Energiewende zu investieren, indem man beispielsweise die Aktien eines Unternehmens erwirbt.