Heute sei die Energiewende etwas völlig anderes als im Jahr 2000, findet Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur GmbH (Dena). „Wir haben Millionen Einzelkomponenten wie Haushalte und Netzeinspeisepunkte, die in der Energiewende eine Rolle spielen“, so Kuhlmann. „Damals gab es auch noch keine Digitalisierung der Energiewende“, verweist er. Eigentlich dürfe man nicht mehr von der Energiewirtschaft sprechen, „sondern von der Energiewendewirtschaft“. Erneuerbare Energien seien heute Mainstream. Jetzt würden Innovationen aus den Bereich Smart Energy und Integrated Energy hinzukommen.
Nach Einschätzung der RWTH Aachen und Siemens Corporate Technology müssen mittel- und langfristig für die unterschiedlichen Anteilsgrößen Erneuerbarer am Stromverbrauch die Zielsetzungen für den Energiemarkt angepasst werden. Ist heute bei einem Regenerativanteil von mehr als 20 Prozent die Systemintegration wichtig, so sprechen die Forscher bei über 40 Prozent von der Notwendigkeit der Marktintegration. Bei mehr als 60 Prozent sehen die Wissenschaftler eine regionale Selbstversorgung und bei über 80 Prozent die Entkopplung von Erzeugung und Verbrauch durch die ganzheitliche Integration dezentraler Energiewandlung in Kombination mit Speichersystemen.
Die mittelfristige Energiezukunft können sich die Besucher der Hannover Messe vom 25. bis 29. April in der Integrated Energy Plaza, Herzstück der Halle 27, anschauen. Zusammen mit GP Joule machen Dena und Hannover Messe hier die Systemvernetzung erlebbar.
Herzstück der Halle 27
Dabei stellt ein von GP Joule bereitgestelltes Modell anschaulich dar, wie das System mit neuen dezentralen Speicherkonzepten funktionieren kann. „Vor zehn Jahren hieß es noch: Speicher brauchen wir nicht. Das sehen wir jetzt anders“, sagt Ove Petersen, Geschäftsführer der GP Joule GmbH. Seine Firma habe sich Gedanken gemacht, was getan werden kann, wenn die Netze mit Strom aus erneuerbaren und fossilen Energien so weit gefüllt sind, dass kein weiterer Strom aufgenommen werden kann. Kleine Batterien und auch Pumpspeicher seien nur in der Lage, kurzzeitig Energie aufzunehmen und abzugeben. „Darum heißt unsere Lösung Wasserstoff.“
Mit dem Modellprojekt „Kombikraftwerk Power-to-Gas-to-Power“ wird sichergestellt, dass an windschwachen Tagen keine fossilen Kraftwerke mehr benötigt werden, um die schwankende Windstromeinspeisung auszugleichen. Die Stromlücke der erneuerbaren Energien wird mit einer smarten, ebenfalls regenerativen Lösung ausgeglichen. Das Modell des Stromlückenfüllers kombiniert Wasserstoff-Elektrolyseure und Biogastechnologie zu einem effizienten Zwischenspeicher. Stelle man einen Elektrolyseur neben ein Blockheizkraftwerk (BHKW), könne man auf diese Weise bei Strombedarf einspringen. Das heißt, überschüssige Energie könne als Wasserstoff gespeichert und bei Bedarf ins Netz abgegeben werden. GP Joule hat in Schleswig-Holstein seit 2015 40 PEM-Elektrolyseure mit jeweils fünf Kilowatt (kW) Leistung am Netz. Damit kommt die Power-to-Gas-Anlage auf 200 kW. Petersen sieht Wasserstoff, der mithilfe der PEM-Elektrolyse aus überschüssigem Wind- und Solarstrom erzeugt wird, zudem als attraktiven Rohstoff für die Industrie und mittelfristig als Kraftstoff für die Mobilität. Das Unternehmen aus Reußenköge wird die Technologie auf der Integrated Energy Plaza vorstellen.
Speicher sind dabei nur ein Teil der Lösung. Auf der Integrated Energy Plaza demonstrieren Unternehmen wie der Windenergieanlagenhersteller Enercon, der Kabelhersteller und Systemanbieter für Energieverteilung Prysmian und der Technologiekonzern Siemens ihre Produkte sowie Lösungen für eine integrierte Energiewelt. Die Dena gestaltet das interaktive Bühnenprogramm. Weitere Partner der Integrated Energy Plaza sind die Verbände VDE, VDMA Power Systems und ZVEI. Hier geht es zur Hannover Messe. (Nicole Weinhold)