Oliver Ristau
Keine guten Nachrichten für Uniper und RWE: Die norwegische Regierung verbannt große Kohlestromproduzenten aus ihrem Pensionsfonds. Der mit einem Vermögen von 935 Milliarden Euro größte Staatsfonds der Welt, in den die Norweger ihre Gewinne aus der Öl- und Gasproduktion anlegen, um künftigen Generationen eine Altersversorgung zu zahlen, wird laut einem Beschluss des Parlaments in Oslo das meiste Kapital aus der Kohle abziehen.
Auch die Münchener Allianz hat den Ausstieg angekündigt. Bis 2040 will der weltgrößte Versicherer der Kohle komplett den Rücken kehren. Wettbewerber wie Axa und Generali handeln ähnlich. Solche Großinvestoren sind wichtige Finanziers für Unternehmen. Künftig wird es für Kohlestromer schwieriger werden, an Kapital zu kommen.
Kohle wird auch für die Geldanlage vieler Deutscher immer mehr zum Auslaufmodell. Unter allen Fonds und Vermögensangeboten, die in Deutschland mit Nachhaltigkeit werben, schließt die Hälfte Kohleprojekte explizit aus. Diese Fonds investieren keinen Cent in Geschäfte mit der fossilen Ressource. Nach Auskunft des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) entsprach das Ende 2018 einem Vermögen von knapp 80 Milliarden Euro.
Erfolgreichstes Jahr für sauberes Kapital
Überhaupt war das vergangene Jahr das historisch erfolgreichste für die saubere Kapitalanlage. Während das verwaltete Vermögen aller Deutschen insgesamt bei drei Billionen Euro stagnierte, legte das nachhaltig orientierte Kapital um 45 Prozent auf 135 Milliarden Euro zu. Der Anteil grüner Anlagen am Gesamtmarkt stieg so auf 4,5 Prozent.
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Klimaschutzdebatten in Politik und Medien wächst das Interesse weiter. So spricht die auf nachhaltige Geldanlage spezialisierte Umweltbank von einer „wachsenden Zahl gerade jüngerer Kunden, die nach Klimaschutz fragen“. Auch die Mitglieder im FNG – teils konventionelle Fondshäuser und Banken – „berichten aktuell von einem Schub“, so Sprecherin Anne-Marie Gloger. Vermögensverwalter und Banken diskutierten hausintern stärker denn je, ob es noch Sinn mache, in die Ölindustrie oder in bestimmte Autokonzerne zu investieren.
Es geht um Ethik und Rendite
Dabei geht es nicht allein um die Ethik, sondern um Rendite. So ist es für alle Manager des größten deutschen Fondsanbieters DWS mittlerweile Pflicht, Daten zur Nachhaltigkeit der Unternehmen aufzubereiten, in die investiert wird – auch für diejenigen, die keine explizit grün-sozialen Fonds verwalten.
Durch die Zahlen würde manchem Fondsmanager, den das Thema bisher wenig interessierte, erstmals nachweislich klar, dass das Ignorieren zentraler Nachhaltigkeitskriterien wie Umwelt-/Klimaschutz, Soziales und gute Unternehmensführung – keine Korruption, keine Diskriminierung, Chancengleichheit der Geschlechter – die Kosten erhöhen und die Gewinne schmälern könne, so Oliver Plein, Nachhaltigkeitsexperte der Deutsche-Bank-Tochter. In der Konsequenz investieren manche Manager – weniger aus Überzeugung als aus der Hoffnung auf höhere Renditen – nicht mehr in solche Titel. „Viele Studien zeigen: Nachhaltigkeit kostet keine Rendite“, sagt Plein. „Im Gegenteil: Transparenz zahlt sich oftmals aus.“
Nestlé in Nachhaltigkeitsfonds
Doch in der Branche herrscht keine Übereinstimmung, was unter Nachhaltigkeit genau zu verstehen ist. Es existieren verschiedene Systeme, die die einzelnen Kriterien unterschiedlich stark gewichten. Zudem gibt es strenge und weniger strenge Fonds. Während ein Teil bestimmte Branchen wie Kohle und Atomkraft rigoros ausschließt, setzen andere darauf, die besten einer Branche mitzunehmen. Für die Kohlebranche wäre das zum Beispiel das Unternehmen, das den Rohstoff am effizientesten verbrennt. Fonds, die versuchen, möglichst viele Branchen abzubilden, setzen auf Titel, die manch grüner Investor meiden würde. So ist der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé in einigen Nachhaltigkeitsfonds vertreten, obwohl der Konzern immer wieder im Zentrum der Kritik steht, etwa beim Einkauf von Kakao oder bei der Wasserprivatisierung in Afrika. Manch ethisch motiviertem Anleger dürfte es übel aufstoßen, in seinem Portfolio den wegen Datenlecks und Intransparenz kritisierten Sozialen-Netzwerk-Betreiber Facebook zu finden.
Die EU will im Begriffswirrwarr für Klarheit sorgen. Dafür hat sie einen Aktionsplan zur Förderung nachhaltiger Finanzen aufgelegt. Die Idee dahinter: Für die Pläne der Gemeinschaft zum Ausbau einer klimafreundlichen Energieversorgung braucht es hunderte Milliarden an Investitionen. Durch Vorgaben für die Finanzindustrie zu nachhaltigen Investments könnten diese Mittel künftig einfacher mobilisiert und so die eigenen Klimaziele vorangebracht werden.
CO2-Fußabdruck muss sichtbar werden
Zum Aktionsplan zählt die sogenannte Taxonomie. Die will für grüne Geldanlagen erstmals allgemeingültig den Begriff der Nachhaltigkeit definieren. Vermögensprodukte, die diese Kriterien nicht beinhalten, müssen explizit darauf hinweisen.
Außerdem müssen Fonds und Vermögensverwalter offenlegen, welchen Einfluss ihre Anlageentscheidungen – also die für ihren Fonds ausgewählten Firmen – auf Umwelt und Gesellschaft haben. Zudem muss der CO2-Fussabdruck des Portfolios sichtbar werden.
Auch die Bankberatung verändert sich. So sollen ab Ende 2020 alle Bankberater ihre Kunden auch über die Nachhaltigkeitsaspekte der von ihnen angebotenen Anlageprodukte informieren. Die Kunden sollen dabei gezielt nach ihren grünen und sozialen Präferenzen gefragt werden. „Über die Bankberatung wird das Thema nachhaltige Geldanlagen viele Anleger erreichen“, hofft FNG-Vertreterin Gloger. Das dürfte angesichts der anhaltenden Klimadebatte dazu beitragen, dass noch mehr Privatanleger Themen wie Atomkraft, Kohle und klassische Automobile aus ihrer Geldanlage verbannen.
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