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Gastbeitrag

Was passiert, wenn der Ölpreis wieder steigt?

In Zeiten hoher Energieverfügbarkeit stellte der Ausbau der erneuerbaren Energien einen eher gemäßigten Faktor dar, daher ist es jetzt an der Zeit, die Erneuerbaren ernsthaft und deutlich schneller als von der schwarz-roten Bundesregierung geplant auszubauen. Denn spitzt sich die Energiefrage weiter zu, die fossilen Ressourcen können die Nachfrage immer weniger bedienen, Peak-Oil ist irgendwann überschritten und der Energiepreis steigt demzufolge weiter an, so sind Energie-Investitionen in die Zukunft zunehmend schmerzhaft. Man weiß beim Bau neuer Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie dann zwar, dass sich diese Abzweigung vom kleiner werdenden Erdöl und Erdgas-Vorrat in –je nach Art der erneuerbaren Energie- in einigen Monaten oder Jahren gewissermaßen energetisch amortisiert und bei gleichem oder weiter gestiegenem Energiepreis auch betriebswirtschaftlich refinanziert haben wird.

Energetische Amortisation

Die Agentur für Erneuerbare Energien nennt in diesem Zusammenhang folgende energetische Amortisationszeiten:

Windkraftanlage Binnenland 3 – 7 Monate

Photovoltaikanlage 24 - 60 Monate

Solarthermische Anlage 5 – 15 Monate

Geothermisches Kraftwerk 7 – 10 Monate

Wasserkraftanlage 9 – 13 Monate

Im Extremfall wird sich das Problem ergeben, welche anderen Bereiche im Gegenzug und zumindest vorübergehend eine gedrosselte Energieversorgung zu akzeptieren haben: Verkehr, Heizung, Elektrizität oder Lebensmittelproduktion?

Diese zentralen und bedeutsamen Bereiche werden auch ohne fossile Energiequellen nicht komplett kollabieren, solange die erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und Energieeinsparung diese aber noch nicht ersetzen, muss in diesem Szenario von einem erheblichen Einbruch der Produktivität beziehungsweise Quantität ausgegangen werden. Konkret heißt das weniger Individualmobilität ("Autofreier Sonntag"), weniger Heizwärme, Elektrizität und Lebensmittelproduktion, was weltweit Menschen etwa mit geringem Einkommen hart treffen wird.

Die schwindenden fossilen Energiereserven sind gute Argumente für die Notwendigkeit des nachhaltigen Energiewandels hin zu Energieeinsparung, Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien. Paradoxerweise kann die zunehmende Energieknappheit aber auch diesen Energiewandel erschweren, da für den Aufbau der erneuerbaren Energien-Anlagen zunächst ebenfalls Energie benötigt wird.

Was bedeutet das konkret?

Bei einer für Windkraftanlagen nicht untypischen durchschnittlichen Laufzeit von 20 Jahren werden etwa 2,5 Prozent der später produzierten Energie aufgewendet, um die Anlage herzustellen. Bei einer ähnlich lang laufenden Photovoltaikanlage sind dies abhängig von der Bauart schon 10 bis 25 Prozent. Hinzu kommt der Transportaufwand, der eine mehr oder weniger große zusätzliche energetische Belastung bedeutet, je nachdem, wo die Anlagen produziert und wo sie danach aufgebaut werden.

Soll eine Windenergieanlage also über 20 Jahre jedes Jahr beispielsweise sieben Millionen Kilowattstunden einspeisen, so sind rechnerisch zur Herstellung dieser Windenergieanlage etwa 3,5 Millionen Kilowattstunden aufzuwenden, also die Hälfte des jährlichen Energieertrages, allerdings nur einmalig, während die Windenergieanlage 20 Jahre (oder mehr) Energie produzieren kann.

Müssten durch einen starken Rückgang der fossilen Energien die Erneuerbaren also auf einen Schlag zum Beispiel vom Jahr 2022 auf das Jahr 2023 zusätzliche 10 Prozent der Energieversorgung übernehmen, so würden diese zur Herstellung der eigenen EE-Kraftwerke je nach Anteil von Wind und PV den Gesamtenergiebedarf zunächst um + 5 Prozent (nur Wind onshore) bis + 20 Prozent (Mindestwert nur Photovoltaik) steigern, bei einem Mischmodell (halb Wind onshore, halb Mindestwert PV) ergäbe sich ein gesteigerter Gesamtenergiebedarf von etwa + 12,5 Prozent.

Und das könnte ein erhebliches Problem sein: In Zeiten geringer Energieverfügbarkeit wird es enorm schwer, die zusätzlich notwendige Energie zur Produktion der Erneuerbaren bereitzustellen, denn die genannten Größenordnungen sind durchaus relevant.

Investition in Erneuerbare lohnt sich

Die Investition in jede der oben genannten Formen der erneuerbaren Energien lohnt sich bezogen auf die energetische Amortisation, unter dem Strich und nach einigen Monaten bis Jahren kommt also deutlich mehr Energie heraus als zur Produktion aufgewendet wurde. Dennoch verstärkt der Aufbau der erneuerbaren Energien die Konkurrenz um fossile Energiequellen, da zum Aufbau der erneuerbaren Energien auch Energie benötigt wird, die zumindest derzeit noch stark aus fossilen Quellen stammt. Diese Abhängigkeit von fossiler Energie zur Generierung neuer Erneuerbare-Energien-Kraftwerke wird umso geringer, je mehr der Anteil der erneuerbaren Energie an der Gesamtenergie ausmacht.

Und schließlich: Je länger mit dem globalen und intensiven Aufbau der Erneuerbare-Energie-Kraftwerke, je länger mit weitreichender Energieeinsparung und Energieeffizienz gewartet wird, umso schmerzhafter ist die verstärkende Wirkung der Energiekonkurrenz, umso teurer und schwerer wird der nachhaltige Energiewandel.

Philipp Schmagold ist Projektentwickler für Windparks (onshore) der Ebert Erneuerbare Energien Unternehmensgruppe. Gleichzeitig ist er promovierter Lehrbeauftragter der Fachhochschule Kiel, Studienschwerpunkt Regenerative Energien.

Quellen:

Agentur für Erneuerbare Energien, Fragen und Antworten zur Windenergie, http://www.unendlich-viel-energie.de/de/service/faq/faq-windenergie.html, eingesehen am 23.03.2012.

Zittel, Werner (2005): Ölwechsel! – Der “peak of oil” steht bevor. https://www.netinform.de/GW/files/pdf/Oelwechsel.pdf

Schmagold, Philipp (2012): Dissertation „Aktivierung kommunaler Nachhaltigkeitspotentiale in den Bereichen Ernährung und Energiewirtschaft, https://d-nb.info/1023780992/34, zuletzt eingesehen am 05.11.2014.