Sie hat großes vor, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie will sie sich eingehend um den Klimaschutz kümmern. Jetzt machen sie und ihre Kommission ernst mit dem Green Deal. Ein neues Klimaschutzgesetz soll es richten. Das Ziel: Bis 2050 wird Europa klimaneutral sein – zumindest bilanziell.
Treibhausgase, die nicht vermieden werden können, etwa bei der Zementherstellung, wo CO2 nicht aufgrund der intensiven Energienutzung, sondern beim Brennen im Drehrohrofen als Abfallprodukt entsteht, sollen durch verschiedene Maßnahmen ausgeglichen werden. Dazu sollen natürliche CO2-Senken wie Wälder, Böden, landwirtschaftliche Flächen und Feuchtgebiete stärker genutzt werden. Sogar die Einlagerung des CO2 in den Boden, die sogenannte CCS-Technologie, und die stärkere Nutzung von CO2 (CCU) kommen wieder ins Gespräch.
Zwischenziele fehlen
Allerdings hat die Kommission nur das Endziel im Blick. Hier sind nur wenige Zwischenschritte geplant. So ist auch das bisherige Ziel der Treibhausgasreduktion um 2030 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, immer noch gültig. Allerdings soll dieses Ziel noch bis September dieses Jahres überprüft und gegebenenfalls auf 50 oder 55 Prozent angehoben werden. Danach existieren bis 2050 keinerlei weitere Zwischenschritte mehr, was nicht zu unrecht für heftige Kritik gesorgt hat. Denn es wird kaum ausreichen, die Klimaneutralität in den letzten zehn Jahren vor 2050 mit riesiger Kraftanstrengung anzugehen.
Überprüfung vorgesehen
Denn zum einen wird es dann zu spät sein, um das 1,5-Grad-Ziel, das mit dem Klimaschutzgesetz angestrebt wird, noch zu erreichen. Zum anderen wird es niemanden geben, der dann beispielsweise so viele Ökostromanlagen errichten, so viele Häuser entsprechend umrüsten oder so viele Elektroautos bauen kann, um das alles nachzuholen. Da die Umsetzung des Klimaschutzgesetzes aber den Nationalstaaten überlassen wird, besteht durchaus die Gefahr, dass in einigen Mitgliedsländern die Energiewende weiter auf die lange Bank geschoben wird, Auch wenn das Gesetz eine kontinuierliche Umsetzung einmahnt, was auch immer das bedeuten mag.
Immerhin will die Kommission ab 2023 im Fünfjahresrhythmus die Fortschritte bewerten und Empfehlungen für die einzelnen Mitgliedsländer erstellen. Die Kommission stützt sich dabei auf die Daten, die aus den Mitgliedsstaaten übermittelt werden, sowie auf die Berichte der Europäischen Umweltagentur, den europäischen Statistiken und die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Keine Sanktionen vorgesehen
Doch zu welchen Konsequenzen das eventuell führt, bleibt schwammig, zumal keine Definition gegeben wird, was eine kontinuierliche Umsetzung ist. Hier wären konkrete Vorgaben hilfreich und sogar notwendig, um wie viel die einzelnen Mitgliedsstaaten den CO2-Ausstoß insgesamt jährlich senken müssen. Denn auch bei den einzelnen Ländern bleibt dann eines Restunsicherheit, ob sie sich noch im Brüsseler Zielkorridor befinden oder nicht. Zumal sogar vorgesehen werden kann, dass der Zielkorridor der Umsetzungsbereitschaft der einzelnen EU-Mitglieder angepasst werden könnte.
Energiewende muss auf der Agenda nach oben
Ob das Gesetz seine Wirkung entfaltet, bliebt abzuwarten und zumindest fraglich. Denn immerhin haben die Nationalstaaten das letzte Wort und da steht der Klimaschutz oder gar die Energiewende nicht überall ganz oben auf der Agenda. Sogar die selbsternannten Vorreiter tun sich schwer beim Umstieg der Energienutzung auf Erneuerbare – und zwar in allen Sektoren. Das monatelange Gezerre in Berlin um die Abschaffung des Förderdeckels für Solaranlagen und Mindestabstände für Windkraftanlagen zeigt, dass es schwerer wird, als sich das Ursula von der Leyen und ihr für den Green Deal und die Klimapolitik zuständiger Kommissar Frans Timmermans vielleicht vorstellen. Hier muss die Kommission aufpassen, dass sie nicht als Tiger startet und als Bettvorleger endet.
Nicht auf die Bremser warten
Immerhin hat sie erkannt, dass man mit der Energiewende und dem Klimaschutz nicht auf Burschen im Bremserhäuschen wie Donald Trump oder dem brasilianischen Rechtsaußen Jair Bolsonaro warten darf. Zwar sei der Klimawandel ein globales Problem, das globales Handeln erfordere, schreibt die Kommission in den Begründungstext des Klimaschutzgesetzes. Da aber die EU für zehn Prozent des weltweiten Treibhausgasausstoßes verantwortlich ist, müsse sie die Führungsrolle bei der Energiewende übernehmen, auch wenn die anderen Regionen noch nicht so weit sind.
Immerhin das ist ein starkes Zeichen, auch wenn man sich mit dem Klimaschutzgesetz mehr Druck auf die Regierungen der einzelnen Mitgliedsstaaten gewünscht hätte. Dazu würden nicht nur eine klare Gebäuderichtlinie mit einem Verbot fossil betriebener Heizungen und klare Vorgaben für den Umstieg auf Elektromobilität inklusive einer Strategie für den Ausbau der Ladeinfrastruktur oder der Wasserstofftechnologie. Auch die Beseitigung sämtlicher Hürden für den Ausbau der Ökostromanlagen und die stärkere Einbeziehung der Landwirtschaft in den Klimaschutz sind dringend notwendig. Sonst besteht die Gefahr, dass Brüssel das eigene Ziel krachend verfehlt.