Katharina Garus
Im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie haben die finnische LUT University und die Energy Watch Group eine vollständige Energiewende in Europa in den Bereichen Strom, Wärme, Verkehr und Entsalzung bis 2050 simuliert. Das zentrale Ergebnis lautet: Eine Energiewende hin zu 100 Prozent erneuerbare Energien wäre mit dem heutigen, konventionellen fossil-nuklearen System wirtschaftlich konkurrenzfähig und würde die Treibhausgasemissionen noch vor 2050 auf Null reduzieren.
„Der Bericht bestätigt, dass eine Wende hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien in allen Sektoren möglich und nicht teurer ist als das heutige Energiesystem“, sagte Hans-Josef Fell, ehemaliger Abgeordneter des Deutschen Bundestages und Präsident der Energy Watch Group. „Es wird gezeigt, dass Europa auf ein emissionsfreies Energiesystem umstellen kann. Deshalb können und sollten die europäischen Politiker viel mehr für den Klimaschutz tun als derzeit anvisiert.“
Vollständige Energiewende erfordert Massenelektrifizierung
Grundstein für eine vollständige Energieversorgung durch erneuerbare Energien wäre eine Massenelektrifizierung in allen Energiesektoren. Der Stromverbrauch im Jahr 2050 würde dann mehr als 85 Prozent des Primärenergiebedarfs betragen. Dafür wäre etwa vier- bis fünfmal so viel Strom nötig, wie 2015 produziert wurde.
Die nötige Strommenge modellierten die Wissenschaftler mit 62 Prozent Solarenergie, 32 Prozent Windkraft, vier Prozent Wasserkraft, zwei Prozent Bioenergie und weniger als ein Prozent Geothermie. Der Verbrauch fossiler Energierohstoffe und Kernkraft würde vollständig eingestellt werden. Etwa 85 Prozent der erneuerbaren Energien würde aus dezentraler lokaler und regionaler Erzeugung stammen.
Laut der Studie wäre die Energieversorgung nach einer vollständigen Energiewende nicht teurer als aktuell. Die Wissenschaftler rechnen damit, dass die Energiekosten für ein vollständig nachhaltiges Energiesystem in Europa stabil blieben und 2050 bei 50 bis 60 Euro pro Megawattstunde lägen. Gar ein finanzieller Vorteil ergäbe sich unter Berücksichtigung des prognostizierten Beschäftigungswachstums (1,5 Millionen neue Arbeitsplätze in der Erneuerbare-Energien-Branche bis 2050), sowie indirekter wirtschaftlicher Vorteile, welche beispielsweise für Gesundheit, Sicherheit und die Umwelt geschaffen würden, jedoch in der Studie nicht einbezogen wurden.
Handlungsempfehlungen an die Politik
Die Studie schließt mit politischen Empfehlungen. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen demnach die Förderung von Sektorenkopplung, privaten Investitionen, Steuervergünstigungen und rechtliche Privilegien bei gleichzeitiger Einstellung von Subventionen für Kohle und fossile Brennstoffe. Mit der Umsetzung starker politischer Rahmenbedingungen, so der Bericht, sei eine Wende hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien bereits vor 2050 möglich.
„Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die aktuellen Ziele des Pariser Klimaabkommens beschleunigt werden können und sollten“, sagte Dr. Christian Breyer, Professor für Solarwirtschaft an der LUT University. „Eine Wende hin zu 100 Prozent sauberen, erneuerbaren Energien ist sehr realistisch – schon jetzt, mit den heute verfügbaren Technologien.“