Nicole Weinhold
Was Altmaier vorhat, ist gegen Vernunft und Vereinbarung: Die EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Energierat kommen am 11. Juni in Luxemburg zusammen, um ihre Position zu den Ausbauzielen für erneuerbare Energien und für Energieeffizienz bis 2030 festlegen. Es wird nicht leicht, hier eine Einigung zu erzielen, denn die Positionen des Europäischen Parlaments (EP) und des Rats gehen auseinander. Innerhalb des Rates sieht es so aus, dass Frankreich wie das EP ein verbindliches Energieeffizienzziel und einen Erneuerbare-Energien-Anteil am gesamten Energieverbrauch von jeweils 35 Prozent für 2030 fordert. Nach Informationen des Deutschland Naturschutz Rings DNR will Deutschland derweil nur 30 Prozent Energieeffizienz und 30 Prozent Erneuerbare als EU-Ziel. Der DNR verweist darauf, dass Deutschland "eigentlich als Land der Energiewende und als Vorreiter bei den Erneuerbaren bekannt" sei, "mit einer engagierten Klimakanzlerin“ an der Spitze". "Dabei könnte Deutschland die Forderungen des EPs und der progressiven Mitgliedsstaaten wie Frankreich aufgrund seiner national festgelegten Ziele problemlos unterstützen", so die Naturschützer.
Deutschland muss höhere EU-Ziele nicht fürchten – und doch …
Die Fakten: Im Energiekonzept hat Deutschland sich auf ein 50-prozentiges Einsparungsziel von Primärenergie bis 2050 festgelegt. Bis 2030 entspricht dies einer Reduktion von 30 Prozent. Die EU-Kommission berechnet die Einsparmenge jedoch so, dass die nicht-energetische Nutzung von Primärenergie zum Beispiel zur Produktion von Kunststoff außenvorgelassen wird. Das deutsche Reduktionziel von 30 Prozent bis 2030 ist also nicht mit einem 30-Prozent-Ziel auf Europäischer Ebene gleichzusetzen. Das EU-Ziel müsste höher ausfallen. Deutschland könnte sich demnach problemlos für 35 Prozent auf europäischer Ebene einsetzen.
Bei den Erneuerbaren sieht es ähnlich aus. Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung ein Ausbauziel von 65 Prozent im Strombereich bis 2030 festgeschrieben. Aus BMWi-Kreisen haben wir bestätigt bekommen, dass Deutschland sich damit für mind. 34 Prozent einsetzen könnte. Denn 65 Prozent Erneuerbare am Strom würden je nach den Entwicklungen in Wärme und Verkehr, etwa 32 bis 33 Prozent für Verkehr, Wärme und Strom zusammen heißen. Deutschland könnte sich laut DNR für mindestens 34 oder sogar 35 Prozent einsetzen. Ein EU-weites Erneuerbarenziel von 30 Prozent hingegen bedeutet in Deutschland ein Ziel von etwa 28 bis 29 Prozent Erneuerbare. "Das Bundesumweltministerium setzt sich für 35 Prozent ein, Wirtschaftsminister Peter Altmaier ist derjenige, der sich bewegen muss", so der DNR.
Einschätzung zur deutschen Position
Diese Zurückhaltung ist für die europäischen Verhandlungen in problematisch: Deutschlands Standpunkt galt bisher vielen EU-Ländern als Orientierung für das, was realistisch machbar ist. "Darüber hinaus stellt sich die Frage warum Deutschland sich für keine höheren Ziele einsetzen möchte", so der DNR. "Man könnte unterstellen, dass Deutschland seine eigenen Ziele nicht doppelt gesetzlich legitimieren möchte, schließlich scheint man es mit dem Erreichen von Zielen nicht mehr so genau zu nehmen. "
Position der Mitgliedstaaten
Frankreich und Schweden unterstützen ein 35 Prozent Energieeffizienz in 2030. Darüber hinaus hat sich Luxembourg für ein ambitioniertes Ziel in den Diskussionen engagiert. Bislang haben damit die Mitgliedstaaten, die sich für den aktuellen General Approach des Rates einsetzen (d.h „slightly over 30 percent“), eine Mehrheit. Mit dem Regierungswechsel in Italien und Spanien wachsen nun die Hoffnungen, dass sich die Mehrheiten verschieben. Sollte Deutschland seine Position nach oben korrigieren, würde ein höheres Effizienzziel auf der EU-Ebene um einiges wahrscheinlicher. Deutschland hatte sich im Juli 2017, als der Rat seine Position von 30 Prozent verabschiedet hat, gemeinsam mit Frankreich, Schweden, Portugal, Dänemark, Luxembourg und Irland noch für ein höheres Effizienzziel ausgesprochen.
Neben Frankreich setzen sich beim Ausbau der Erneuerbaren auch Dänemark, Schweden, Luxembourg, Portugal und Litauen für ein ambitioniertes Erneuerbarenziel ein. Ungarn, Lettland, Polen und Rumänien blockieren ein höheres Ziel. Außerdem stehen die Chancen gut, dass sich die Positionen Italiens und Spaniens durch die Regierungswechsel ändert.
Deutschland ist derzeit in keine Führungsposition beim Thema Erneuerbare und Klimaschutz. Wir werden sowohl die EU-2020-Ziele für Energieeffizienz und für den Erneuerbare-Energien-Anteil am Endenergieverbrauchs als auch das eigene Klimaziel von 40 Prozent CO2-Minderung bis 2020 nicht erreichen. "Aktuell sprechen die Verschiebungen der Sonderausschreibungen für Windenergie und Photovoltaik und der Einsetzung der Kohlekommission eine ähnliche Sprache", fasst der DNR kritisch zusammen.