Nicole Weinhold
Zahlreiche Institutionen und Verbände fordern anlässlich der gerade im Bundestag stattfindenden Lesung des Entwurfs einer Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetztes (EEG) eine weitreichende Überarbeitung dessen, um den Herausforderungen für Wirtschaft, Energiewende und Klimaschutz gerecht zu werden. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) betont, die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung und die damit verbundene notwendige Deckung der Nachfrage nach Strom aus erneuerbaren Energien würden bei den im Entwurf getroffenen Annahmen und vorgesehenen Maßnahmen deutlich verfehlt. "Auch vor dem Hintergrund der im Rahmen des Green Deals anstehenden Verschärfung europäischer Klimaschutzziele sind die zu Grunde gelegten Voraussetzungen längst überholt, weshalb statt des 65%-Ziels bis 2030 besser 75 bis 80 % als Ziel formuliert und die Ausbaupfade für Erneuerbare Energien entsprechend angepasst werden sollten“, kommentiert BEE-Präsidentin Simone Peter den Gesetzesentwurf und unterstützt damit die Forderung von Umweltministerin Svenja Schulze. Darüber hinaus biete der Entwurf keine angemessene Perspektive für den Weiterbetrieb wertvoller Erneuerbaren-Energien-Anlagen, verkenne eine Vielzahl von Chancen im Feld der Prosumer und Bürgerenergie und lasse erhebliche Flexibilisierungspotenziale zur Systemintegration der Erneuerbaren Energien außer Acht.
Realistische Annahmen zur Entwicklung des Bruttostromverbrauchs
„Zentrale Voraussetzung für einen ausreichenden Ausbau Erneuerbarer Energien sind realistische Annahmen zur Entwicklung des Bruttostromverbrauchs. Er wird sich nach Einschätzung vieler Institute und auch des BEE durch die Kopplung der Sektoren und einen Strommehrbedarf für Elektromobilität, Wärmepumpen, Grünen Wasserstoff und andere Sektorkopplungstechnologien bis 2030 deutlich erhöhen“, so Peter. Um den Bedarf an Ökostrom zu decken, müssten die Ausbaupfade und -mengen angepasst werden. Allein für das 65%-Ziel brauche es einen jährlichen Zubau von mindestens 10 GW Photovoltaik, 4,7 GW Windenergie Onshore, 2 GW Windenergie Offshore, 600 MW Bioenergie und je 50 MW Geothermie und Wasserkraft; für 75 bis 80% entsprechend mehr. Hierfür müssten bürokratische Hemmnisse im EEG fallen, der Eigenverbrauch belohnt statt bestraft, Flächen und Genehmigungen bereitgestellt und ein gut organisierter Ausschuss von Bund und Ländern regelmäßige Bestandsaufnahmen und ggf. Nachbesserungen vornehmen.
Das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende KNE hat sich mit einigen Naturschutzaspekten des EEG 2021 auseinandergesetzt. "Damit Deutschland seine Klimaschutzziele erreicht, muss der Ausbau erneuerbarer Energien deutlich beschleunigt werden, so das KNE. Der neue Paragraf 1 Absatz 5 des EEG 2021 sehe vor, dass die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien im öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. "Auf den ersten Blick scheint dies selbstverständlich, denn die Energiewende ist kein Selbstzweck. Der umfassende Umstieg auf die Nutzung erneuerbarer Energien dient dazu, die sich deutlich abzeichnenden bedrohlichen Auswirkungen eines weiteren Klimawandels zu verhindern. Der neu eingefügte Passus des § 1 Abs. 5 soll insbesondere den Ausbau der Windenergie erleichtern."
Ausbau der Windenergie erleichtert - Artenschutz bleibt erhalten
Windenergieanlagen können nur errichtet und betrieben werden, wenn dadurch nicht gegen die artenschutzrechtlichen Verbote und insbesondere nicht gegen das Verbot, eine besonders geschützte Art zu töten, verstoßen wird. Kommt es zu einem Verstoß, kann eine artenschutzrechtliche Ausnahme vom Tötungsverbot erteilt werden. Die Ausnahme – nach § 45 Abs. 7 Bundesnaturschutzgesetz – soll im Einzelfall Verbotstatbestände überwinden und Projekte zulassen, obwohl sie im Hinblick auf die artenschutzrechtlichen Vorgaben der Regelgenehmigung gescheitert sind.
KNE zieht folgendes Fazit: "Es gibt gute Gründe, die dafürsprechen, dass der zügige Ausbau der erneuerbaren Energien im Interesse der öffentlichen Sicherheit liegt. Nur ein beschleunigter Erneuerbaren-Ausbau kann angesichts des Ausstiegs aus der Kernenergie und Kohleverstromung die Versorgungssicherheit gewährleisten. Zudem werden negative Folgen des Klimawandels – von Beeinträchtigungen der Gesundheit bis zu volkswirtschaftlichen Schäden – abgemildert. Der besondere Artenschutz wird mit dem neuen Paragraphen nicht unterwandert. Die Rolle des besonderen Artenschutzrechts in der Regelgenehmigung bleibt unangetastet, und die Ausnahme bleibt eine solche, da sie nur bei kumulativem Vorliegen ihrer strengen Voraussetzungen erteilt werden darf."
Marktlicher Rahmenbedingungen für PPAs
Zur ersten Lesung des Deutschen Bundestages zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes EEG sagt der BNE, die marktlichen Rahmenbedingungen für PPAs sollten verbessert und das EEG selbst stärker auf Innovationen ausgerichtet werden. "Die Chancen der Digitalisierung gilt es zu nutzen, ohne in eine Überregulierung hinein zu laufen“, betont Robert Busch, Geschäftsführer des bne. Der Ausbau der Erneuerbaren sollte auch den Menschen vor Ort zu Gute kommen. Der BNE begrüßt daher das Ziel, dass Standortgemeinden an den Einnahmen von Windparks beteiligt werden sollen. "Wir sehen es aber als ebenso wichtig an, dass dies auch bei Freiland-Photovoltaikanlagen möglich ist. Dies sollte auch für PPA-Anlagen gelten, die keine EEG-Vergütung erhalten. Die Ausschreibungen bei Photovoltaikdachanlagen erscheinen noch wenig durchdacht. Hier sollten erste Erfahrungen gesammelt oberhalb 750 Kilowatt gesammelt, Übergangslücken vermieden und ausreichend Ausschreibungsvolumen zur Verfügung gestellt werden."
Die Innovationsausschreibungen sollten stärker auf Innovationen ausgerichtet werden, findet der BNE. Hierzu sei es einerseits wichtig, dass die Funktionsmöglichkeiten der Speicher erweitert werden. Andererseits seien Flächeneffizienz-Ansätze wie Agri-PV, Lärmschutzwände, Toprunner-Hocheffizienz-Module zu stärken.
Chance für den dringend notwendigen Ausbau von Speichern und die dezentrale Sektorenkopplung bleibt ungenutzt
Der Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW) warnt vor einem deutlichen Einbruch bei der Installation neuer Solardächer in Deutschland im kommenden Jahr. Gleichzeitig drohe die Stilllegung tausender älterer, aber noch jahrelang funktionsfähiger Solarstromanlagen. „Der Gesetzesentwurf steht im klaren Widerspruch zu den Verlautbarungen der Bundesregierung, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen, um die Klimakrise einzudämmen. Der Zubau neuer gewerblicher Solardächer wird mehr als halbiert, unzähligen Solarpionieren quasi der Stecker gezogen und klimafreundliche solare Selbstversorger systematisch und europarechtswidrig diskriminiert. Eine riesige Chance für den dringend notwendigen Ausbau von Speichern und die dezentrale Sektorenkopplung bleibt ungenutzt. Jetzt sind die Abgeordneten des Bundestages gefordert, eine klimapolitische Vollbremsung zu verhindern und aus dem vorliegenden Kabinettsentwurf das überfällige Solarbeschleunigungsgesetz zu machen,“ erklärt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW.
Eigenverbrauchsverbot
Konkret kritisiert der BSW insbesondere zu geringe Ausbauziele für die Solarenergie sowie den geplanten Systemwechsel bei der finanziellen Absicherung größerer Solardächer hin zu Ausschreibungen, die mit einem Eigenverbrauchsverbot verknüpft sind. Der Betrieb und die Investition kleinerer Solarstromanlagen werde zudem durch unverhältnismäßige Vorgaben zum Messen und Regeln sowie durch die Belastung mit der EEG-Umlage derart künstlich verteuert, dass der Weiterbetrieb älterer Anlagen meist unattraktiv und Investitionen in neue Solaranlagen und Speicher ausgebremst werde.
Auch die Errichtung neuer Solarparks treffe nach wie vor auf zahlreiche Restriktionen. „Anstatt die Energiewende in wirtschaftlich schwierigen Zeiten noch deutlich stärker als Konjunkturmotor zu nutzen, werde sie künstlich gedrosselt und ihr ein Korsett angelegt. Die auch in Corona-Zeiten gewaltige Investitionsbereitschaft in der Bevölkerung und Wirtschaft in die inzwischen preiswerte Solartechnik wird nur zu einem Bruchteil genutzt,“ so Körnig.
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