Seit geraumer Zeit bereitet den einstigen Windkraft-Pionieren und heutigen Betreibern von Ü20-EEG-Anlagen das Laufzeitende Kopfschmerzen – nach 20-jähriger Betriebsdauer und dem Ende einer durchs Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantierten Vergütung zum Einspeisetarif meist oberhalb des Börsenstrompreises. Der Gesetzgeber war mit seinen Äußerungen immer klar und eindeutig: Es wird mit ihm keine weitere EEG-Förderung nach diesem Laufzeitende für Altanlagen geben. Viele Altanlagenbetreiber mussten daher intensiv prüfen, ob Repowering – ein Neubau mit leistungsstärkeren Anlagen – oder der Weiterbetrieb möglich ist. Oder ob der Rückbau notwendig wäre. Leider hängt das Repowering in der Regel hauptsächlich von der in Deutschland inzwischen deutlich verschärften Genehmigungspraxis ab. Denn die hohen Nabenhöhen der modernen Windturbinen kollidieren oft mit gesetzlichen Mindestabständen zur Wohnbebauung – ein Repowering ist also oftmals nicht möglich. Auch der Weiterbetrieb bedarf gewisser Vorüberlegungen. Die aufwändigen und somit nicht kostengünstigen Standsicherheitsgutachten müssen rechtzeitig angefertigt werden. Erst daraus lässt sich ableiten, wie lange der Weiterbetrieb einer Anlage technisch und rechtlich möglich ist. Auch müssen Pacht-, Betriebsführungs- und Versicherungsverträge auf den Prüfstand, kostenseitig optimiert und gegebenenfalls mit jeweils neuen Laufzeiten und Konditionen verlängert werden.
Direktvermarkter bieten passende ModelleDirektvermarkter lassen die Anlagenbetreiber nicht im Regen stehen und bieten bereits seit längerem verschiedene Modelle für den Weiterbetrieb an. Vom Festpreis, über Sharing-Modelle mit Risikoteilung bis zum „Open-Book-Modell“ reicht die Vielzahl der neuen Angebote für Stromlieferverträge, Power Purchase Agreements (PPA) genannt. Keine einfache Entscheidung, denn die den Modellen zu Grunde liegenden Börsenpreise haben sich gerade letztes Jahr, bedingt durch die Coronapandemie, stark nach unten bewegt und somit besonders im Festpreis-Modell mögliche Einnahmen für den Anlagenbetreiber deutlich dezimiert – und das auf Jahre. Um den Weiterbetrieb für den Anlagenbetreiber dennoch gangbar und auch ökonomisch nachhaltig zu machen, wurde von wenigen Direktvermarktern wie der Inpower GmbH das bereits erwähnte Open-Book-Modell weiterentwickelt und im Markt angeboten. Hier sind auch während der Vertragslaufzeit noch Preisabsicherungen auf Wunsch des Anlagenbetreibers möglich. So können Wunschpreis und entsprechende Wunschmenge vom Anlagenbetreiber frei festgelegt werden, ab dem und in der die Leistung an einen Abnehmer am Terminmarkt veräußert werden darf. Mit entsprechender Börsentransaktion dieser sogenannten Limit-Order kann dieses Angebot dann verbindlich dort platziert werden. Im Open Book-Modell hat der Anlagenbetreiber zwei Möglichkeiten: Bei der täglichen Day-Ahead-Vermarktung partizipiert er vom im Vergleich zum vergangenen Jahr wieder deutlich gestiegenen Vermarktungspreis. Optional kann er sich zusätzlich am Terminmarkt auch für die restliche Vertragslaufzeit absichern. Auch hier sind die Preise zuletzt gestiegen. Beides ist möglich: Ohne Preisabsicherung werden die Mengen täglich am Day-Ahead-Markt verkauft. Bei gleichzeitiger Preisabsicherung über den Terminmarkt werden nur noch die Differenzmengen zwischen Prognose und bereits am Terminmarkt verkauften Mengen am Day-Ahead-Markt gehandelt.
Open-Book-Modelle für KurzentschlosseneEntsprechende Open-Book-Verträge wurden 2020 partnerschaftlich mit zahlreichen Anlagenbetreibern geschlossen. Sie sind ebenfalls für all jene interessant, die sich bisher noch nicht vertraglich gebunden haben und aktuell in der vom Gesetzgeber in letzter Minute aufgenommenen Last-Minute-Regelung gelandet sind. Hierbei wird mit der EEG-Novelle für das aktuell laufende Jahr ein Zuschuss auf den Monatsmarktwert Wind in Aussicht gestellt, der in der ersten Jahreshälfte bei 1,0 Cent pro Kilowattstunde (kWh), im dritten Quartal 2021 bei 0,5 Cent und in Quartal vier bei 0,25 Cent pro kWh liegt. Davon behält sich der Netzbetreiber jeweils eine Vermarktungspauschale von 0,4 Cent pro kWh, so dass in der zweiten Jahreshälfte der Zuschuss negativ wird, in Quartal vier liegt er folglich bei minus 0,15 Cent pro kWh. Der 1. Oktober 2021 wäre somit der späteste Zeitpunkt, zu dem der Wechsel hin zu einem passenden Direktvermarkter umgesetzt sein sollte. Der Gesetzgeber lässt hierfür ein einmaliges Wechseln im EEG 2021 zu. Wegen der entsprechenden Vorlaufzeit und Wechselfrist bei der Anmeldung zur Direktvermarktung sollten die Gespräche mit dem Direktvermarkter möglichst bereits im Frühjahr erfolgen und frühestmöglich (spätestens bis zum Sommer) abgeschlossen sein, um gegebenenfalls bereits noch von den aktuell hohen Terminmarktpreisen zur Preisabsicherung zu partizipieren.
Regionale ÖkostromtarifeEine weitere – auch energiewirtschaftlich durchaus sinnvolle – Möglichkeit bietet die Vermarkung von Ü20-Anlagen über regionale Ökostromtarife. Hierbei werden die Energiemengen seitens des Direktvermarkters beziehungsweise Ökostromversorgers vollständig übernommen und entweder direkt und in Gänze an Endkunden in der Region abgegeben. Oder es werden die Strommengen zu Teilen an Endkunden abgegeben und die übrigen Teile als Überschussmengen an der Börse verkauft. Gerade Direktvermarkter, die sich seit längerer Zeit mit den regionalen Ökostrom-Modellen auseinandergesetzt haben, bieten hier interessante Kombimodelle an. Auch in der Inpower-Gruppe werden bereits im achten Jahr über die Tochtergesellschaft Grünpower entsprechende Tarife angeboten, die zum Teil direkt aus EEG-Anlagen über die vom EEG unabhängige Form der „sonstigen Direktvermarktung“ beliefert werden – also ohne jegliche EEG-Förderung. Der bisherige Anteil der Direktbelieferung – von Wind- und Solarstrom aus der sonstigen Direktvermarktung – konnte 2021 bei Grünpower nochmals erhöht werden. Im Windbereich fiel die Steigerung bei allen Grünpower-Premium-Tarifen von 15 Prozent auf nunmehr 25 Prozent Anteil an der Kundenbelieferung aus, was fast einer Verdopplung entspricht. Und das als Novum bereits in zeitgleicher Vollversorgung: Hierbei stellt das virtuelle Kraftwerk der Muttergesellschaft Inpower entsprechende Prognosen der eingebundenen Energieerzeuger zur Verfügung, die mit den Lastprognosen des Kundenverbrauchs viertelstundengenau abgeglichen werden. Steht kein Wind- oder PV-Strom zur Verfügung, wird zeitgleich auf Wasserkraft zurückgegriffen. Das nachhaltige Konzept adelte das Magazin Öko-Test in der Januarausgabe 2021 sogar durch ein Sehr Gut für den entsprechenden Stromtarif „grün.power light“ und dessen Einsatz von Strom aus ausgeförderten Ü20-Anlagen. Autor: Josef Werum, Geschäftsführer, Inpower
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