Der Personalhunger der Erneuerbaren-Branche bleibt hierzulande riesig: 30.000 Jobs müsste alleine die Offshore-Windkraftwirtschaft bis 2030 besetzen, 216.000 neue Mitarbeitende braucht die Solar- und Windbranche aktuell. Wird es nicht besser?
Arwid Detlefs: Nein, für den Moment nicht. Ich wüsste auch nicht warum, da dem drei gewichtige Faktoren entgegenstehen: Deutschlands geburtenstarke Jahrgänge gehen verstärkt in Rente und stehen dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung. Der Fachkräftemangel, auch in den Erneuerbaren, besteht ohnehin schon länger, und die Unternehmen der Branche haben Jahre lang zu wenig Personal ausgebildet. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass durch die regelmäßigen Änderungen des Gesetzgebers an den Rahmenbedingen immer wieder Verunsicherung geschaffen wurde. Somit gab es keinen langfristigen Planungshorizont, was auch einer Personalplanung entgegensteht. Nun ist natürlich zu fragen, wie sich die Branche behelfen kann?
Wie denn?
Arwid Detlefs: Es ist höchste Zeit für die Branche, stärker auf die Werbetrommel zu schlagen, um Nachwuchs aus Hochschulen und Berufsausbildung für sich zu begeistern. Ich denke, hier sind auch die Verbände gefordert, die Erneuerbaren und die Attraktivität, den Reiz sowie die Zukunftsperspektive ihrer Jobs deutlich stärker zu kommunizieren.
Stichwort Außenwirkung: Wie lassen sich Quereinsteiger gewinnen, ohne die es ja auch nicht gehen wird?
Arwid Detlefs: Die Lösung ist im Prinzip simpel: Tue Gutes und rede darüber! Es war ja auch in den 2000-Nuller-Jahren schon einmal so, dass sich in anderen Branchen nach Fachkräften umgesehen werden musste. Jetzt müsste die Branche viel mehr nach vorne stellen, was sie für die Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit unseres Landes tut und ihr Image aufpolieren. Momentan bestimmt dagegen leider eine schwierige Gemengelage und Vermischung aller möglichen Themen, auch und gerade die in Teilen sehr harsche und unsachliche Kritik an der Regierungsarbeit, mit welchen Aspekten die Erneuerbaren öffentlich im Gespräch sind.
Wo gibt es aus Ihrer Sicht noch Potenzial auf Seiten der Unternehmen?
Arwid Detlefs: Als erstes empfehle ich dringend eine höhere Geschwindigkeit in den Rekrutierungsprozessen. Ich höre immer wieder von mehreren Wochen bis Monate, bis es zu Terminvereinbarungen, Feedback oder nur schlichten Eingangsmeldungen an die Bewerber kommt. In der aktuellen Situation ein Unding gegenüber den Bewerbern, die offen für einen Wechsel sind und zwischenzeitlich vielleicht andere Angebote erhalten und auch annehmen. Dort wo Rekrutierung Chefsache ist, funktioniert es in meiner Wahrnehmung viel besser.
Wie wichtig ist die interne betriebliche Ausbildung, auch wenn sie nicht das benötigte Personalvolumen bereitstellen kann?
Arwid Detlefs: Die ist dennoch extrem wichtig. Unternehmen können Quereinsteiger leichter integrieren, wenn sie die Fähigkeit zu Aus- und Weiterbildung haben. Sie haben damit auch eher das Potenzial, die Neuen adäquat und zügig einzuarbeiten.
Wie lässt sich das Personal nach der Einstellung binden?
Arwid Detlefs: Besonders durch Wertschätzung. Dabei geht es nicht nur darum, verschiedene Bedürfnisse an besonderen Arbeitszeiten und Homeoffice-Anteilen zu erfüllen, so sich das in eigene Unternehmensabläufe integrieren lässt. Zentral wichtig ist es, die Mitarbeitenden dort abzuholen und einzusetzen, wo sie von ihren Fähigkeiten her sind, statt dort, wo man sie gerne hätte. Firmen sollten im Rahmen der Kompetenzen von Mitarbeitern echte Verantwortung übergeben. Entscheidungen von Vorgesetzten sollten transparent und nachvollziehbar sein. Personalführungen sollten lieber Anleitungen zu Lösungen als Vorschriften ausgeben.
Windenergietage, Forum 32, heute am Donnerstag, 9. November, um 9.30, 10.30, 11.30, 14.30, 15.30, 16.30 Uhr, „Quo vadis dilectus? Oder geht es auch im Recruiting nicht mehr ohne Geschenke á la „panem et circenses“?“, Gespräche und Diskussionen nach Anmeldung über amd@birn-partners.com. Außerdem können Sie Arwid Detlefs morgen beim Podiumsgespräch von 11 bis 12 Uhr in Forum 2 treffen und zuhören, wenn es dabei um „Finden und Halten von Personal in Zeiten des Fachkräftemangels“ geht.