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PV-Extremstandorte

Strom aus der Wüste

Hochfliegende Pläne stillschweigend beerdigt: Vor drei Jahren hatte die Desertec-Industrie-Initiative vollmundig angekündigt, gigantische Spiegelkraftwerke in die Sahara zu setzen. Halb Europa sollte mit dem Sonnenstrom versorgt werden. Mittlerweile sind die wichtigsten Firmen der Initiative pleite (Solar Millennium) oder ausgestiegen (Bosch Rexroth, Siemens). Denn die Technologie der nachgeführten Parabolspiegel hat sich als zu kompliziert und teuer erwiesen. Wenn schon Strom aus der Wüste, dann durch die Photovoltaik (PV). Sie braucht keine Präzisionsspiegel, die zerkratzt werden könnten. Sie kommt ohne Stellmotoren und anfällige Elektrik aus und sie braucht kein Wasser für die Dampfturbinen.

Nun hat die Phoenix Solar AG im Februar in Saudi-Arabien mit 3,5 Megawatt Solarleistung das dort derzeit größte Kraftwerk aufgebaut. Der Generator befindet sich in Riad auf dem Gelände des King Abdullah Ölforschungszentrums (Kapsarc). Auf 55.000 Quadratmetern Fläche wurden in nur 20 Monaten Bauzeit mehr als 12.000 kristalline Solarmodule von Suntech Power installiert. Zuvor wurden die polykristallinen Solarmodule auf ihre Wüstentauglichkeit getestet: Sie bestanden den so genannten Blowing Sand Test, der auf dem Standard DIN EN 60068-2-68 beruht. Suntech ließ sich ausdrücklich bescheinigen, dass seine Module wüstenfest sind. Sie ertragen die Hitze, den Staub und den Sand, der bei Windstärken eines Orkans über die Rahmen und Gläser schmirgelt.

Schon Lawrence von Arabien wusste von den gefürchteten Stürmen zu berichten, bei denen man innerhalb weniger Minuten die Hand nicht mehr vor Augen sieht. Der hohe Winddruck presst den feinen Sand wie Nadeln in jede Ritze, sogar in die Poren der Haut. Belastbare Daten für Solarmodule fehlten bislang, Suntech hat diese Lücke geschlossen. Um die Auswirkungen des Staubs und Sands zu ermitteln, schmorten die Solarmodule in einer Staubkammer. Durch Düsen am Boden der Kammer wurde Druckluft auf die Module geblasen, wobei der Staub sich überall verteilte.

Leistungselektronik für große Hitze

Abgesehen von den Solarmodulen waren die Herausforderungen beim Wüstenkraftwerk in Riad enorm: Um die Anschlüsse der Modulstrings gegen Versandung zu schützen, wurden die Generatoranschlusskästen in die gut isolierten und klimatisierten Zentralstationen für die Wechselrichter verlagert. Die Wechselrichter wurden von SMA aus Kassel geliefert, wo schon seit Jahren an speziellen Wechselrichtern für heiße und staubige Regionen geforscht wird. Kein Wunder, denn die Anlage in Riad erzeugt rund 5.800 Megawattstunden Solarstrom im Jahr, fast doppelt so viel wie ein gleich großes Kraftwerk in Deutschland. Sie werden in das Mittelspannungsnetz des Forschungszentrums eingespeist.

Bevor SMA die Wechselrichter auslieferte, wurden alle Platinen, insbesondere die Leistungselektronik, gegen Sandstürme abgedichtet. Extrem hohe Außentemperaturen erschweren die Kühlung der Leistungsteile, deshalb laufen die Geräte im Dauerstress, aufgeheizt schon am frühen Vormittag. Der Wechselrichter erreicht viel mehr Volllaststunden als in unseren Breiten, etwa das Doppelte wie in Deutschland. Dafür haben die SMA-Ingenieure eine spezielle Kühltechnik entwickelt. Denn feinste Staubkörner dringen durch die kleinsten Ritzen. Über das Kühlsystem gelangen sie auch in die Elektronik und zerstören die Platinen. Mit dem speziellen SMA-Kühlsystem bleibt der Staub draußen. Die Ingenieure haben einen Wechselrichter viele Tage mit Ziegelmehl getestet, dessen Kornverteilung dem rötlichen Wüstensand von Arizona ähnelt. Mit Windgeschwindigkeiten von 1,5 bis 20 Metern pro Sekunde wurden Staub und Sand waagerecht auf das Gehäuse geblasen. Während des Tests saugten die Lüfter des Kühlsystems die Luft an und wälzten sie im Gehäuseinnern um. Nach dem Test waren auf Gerät und Dichtungen reichlich Staubablagerungen zu finden, im Geräteinnern jedoch keine. Auch die ausgebauten Lüfter erwiesen sich als staubfrei. Jeder SMA-Wechselrichter muss eine Feuertaufe in der Klimakammer bestehen. Im firmeneigenen Testzentrum werden die Geräte zwischen minus 40 und plus 90 Grad Celsius bis an ihre Leistungsgrenzen getestet. Kurzzeitig herrschen in der Testkammer bis zu 200 Grad Celsius.

In der Wüste winkt ein gigantischer Solarmarkt. Andreas Hänel, Vorstandsvorsitzender der Phoenix Solar AG: „Erst vor Kurzem wurde verkündet, dass Saudi-Arabien in den nächsten 20 Jahren rund 41 Gigawatt Solarleistung installieren will.“ Die Araber haben viel Sonne und sie haben das Geld. Allerdings ist dieser Markt kein Selbstläufer, wie der Aufwand bei Suntech und SMA zeigt. Zahlreiche Forschergruppen arbeiten fieberhaft daran, die Photovoltaik für die heißen, trockenen Wüsten zu optimieren.

Denn schon die US Army hatte die mörderische Wirkung des Wüstensands unterschätzt. So mussten die amerikanischen Helikopter im ersten Golfkrieg am Boden bleiben, weil der Sand den Rotoren und Turbinen zusetzte. Es dauerte Wochen, bis die Ingenieure das Problem gelöst hatten.

Hassan Qasem, Doktorand an der Universität im britischen Loughborough, hat sich in den letzten zwei Jahren damit beschäftigt, ob und wie die Solarmodule durch Staub und Sand verschmutzen. Er wollte die fehlenden Erträge genau messen, die im Wüstenstaub versanden. So machte er sich auf den Weg nach Kuwait, wo es nur an 22 Tagen im Jahr regnet. Der Niederschlag beträgt rund 116 Liter pro Quadratmeter. Quasem verglich Standardmodule mit Solarmodulen, die eine Antistaubbeschichtung hatten. Jeden Tag vor Sonnenaufgang machte er sich auf den Weg, um die verschieden aufgeständerten Module zu säubern, fast 16 Monate lang. Das Ergebnis: Die Verluste der auf 30 Grad aufgeständerten Module lagen zwischen 10,3 und 13,4 Prozent, wobei die Verluste des beschichteten Moduls nur geringfügig niedriger ausfielen. Den höchsten Ertrag brachte ein Modul, das senkrecht installiert worden war. Bei ihm war der Effekt der Selbstreinigung durch Wind und Regen am höchsten.

Beschichtung und Textur bringen wenig

Forscher der École Polytechnique Fédéral im eidgenössischen Neuchâtel haben etwa 750 Kilometer weiter südöstlich einen Teststand in den Sand von Ras Al Khaimah gebaut. In dem östlichsten der Vereinigten Arabischen Emirate herrschen ideale Bedingungen für einen Langzeitversuch: Die Durchschnittstemperatur beträgt 36 Grad Celsius, Regen gibt es nur an zwölf Tagen im Jahr. Dann fallen nur 89 Liter, der Wind haucht mit durchschnittlich elf Kilometern pro Stunde über den sandigen Boden. Die durchschnittliche Luftfeuchtigkeit liegt bei 25 Prozent.

Die Schweizer bestückten ihren Teststand mit 20 kristallinen Modulen, die sich nur hinsichtlich der Beschaffenheit des Frontglases unterschieden. Neben zwei Modulen mit glattem Glas setzten sie unterschiedlich texturierte Frontgläser ein. Vier Module hatten Frontglas mit einer groben Kratertextur. Vier Module waren mit abgerundeten Pyramiden texturiert, vier Module hatten feine Ätzprofile auf dem Glas. Jeweils zwei Module jeder Texturierungsgruppe waren mit Antischmutzbeschichtung (Anti-Soiling Coating: ASC) versehen. Eins wurde regelmäßig gereinigt. Die Eidgenossen wollten herausfinden, welches Modul am besten für die Wüste geeignet ist. Außerdem wollten sie wissen, ob sich Texturen und Beschichtungen auf den Frontgläsern lohnen, weil sie die Ertragsverluste minimieren. Solche Module sind deutlich teurer als Standardmodule mit glattem, unbeschichtetem Glas.

Acht Monate lang zogen die Forscher jeden Morgen zum Teststand, um die Erträge der Module zu messen. Ein schweißtreibender Job. Sie stellten fest, dass die Ertragsverluste nach 20 Tagen zwischen zwei und fünf Prozent lagen. Nach 50 Tagen betrugen sie zwischen 22 und 27 Prozent. Dabei schnitten die Module mit der groben Textur am besten ab, auf ihnen lagerte sich am wenigsten Staub ab.

Allerdings funktionierte bei ihnen die Selbstreinigung im Regen schlechter. Sobald die spärlichen Regenwolken abgezogen waren, stiegen die Ertragsverluste deutlich an. Nun war das vorher beste Modul das schlechteste. Die Verluste des Moduls mit grober Textur stiegen bis auf zwölf Prozent. Das Modul mit glatter Oberfläche, das durch den Regen sauber gewaschen wurde, hatte in den darauf folgenden Wochen kaum Ertragsverluste. „Aufgrund des schlechten Reinigungseffektes hatte sich am Rand des Moduls mit grober Textur Schmutz angesammelt“, analysiert Valentin Chapius, Wissenschaftler in Neuchâtel. „Er verursachte zusätzliche Effizienzverluste.“

Wüstensand: Härtetest für das Modul

In einer zweiten Testreihe untersuchten die Schweizer die Auswirkungen der Antischmutzbeschichtung auf den Frontgläsern der Module. Dabei ergab sich, dass die Verluste der Module mit texturiertem Frontglas und ASC geringer waren als der Module ohne ASC. Jedoch in unterschiedlichem Maße. So waren die Verluste des Moduls mit mittlerer Textur und ohne ASC mit 14,86 Prozent am höchsten, sogar noch höher als beim Referenzmodul ohne Textur und ohne ASC. Auch mit ASC war das Modul mit mittlerer Textur klar im Nachteil. Der Ertragsverlust der acht Monate summierte sich auf 13,82 Prozent. Im Vergleich dazu betrugen die Verluste durch Verschmutzung beim Modul mit starker Textur nur 12,6 Prozent und beim Modul mit leichter Textur nur 12,53 Prozent. „Einen Gewinn kann man also nur erzielen, wenn man ein texturiertes Frontglas und eine Anti­schmutzbeschichtung nutzt“, resümiert Chapius. „Die ASC trägt zwar dazu bei, dass sich etwas weniger Schmutz auf den Modulen ansammelt, aber sie hilft überhaupt nicht bei der Reinigung durch Regen. Außerdem ist der Effekt stark von der Textur des Frontglases abhängig.“

Für einen Investor lohnen sich die Mehrausgaben für ASC und texturierte Frontgläser in der Regel nicht, auch nicht die Reinigung der Module mit Sondertechnik. Denn in diesen Regionen wird Wasser teurer gewogen als Öl oder Gold. Niemand kann sich das leisten, nicht einmal die reichen Ölscheichs. Außerdem werden die Module so heiß, dass Wasser augenblicklich verdunstet. Und: Das Glas könnte durch den thermischen Schock mit kaltem Wasser springen, das Modul wäre unbrauchbar.

(Heiko Schwarzburger/Sven Ullrich)