Nachdem die Centrotherm Photovoltaics AG keine Versicherungen mehr für ihre Lieferungen erhalten hat und daraufhin in Finanzierungsschwierigkeiten gekommen ist, musste der Anlagenbauer für die Photovoltaikproduktion nun Insolvenz anmelden. Der Konzern aus Blaubeuren hat beim zuständigen Amtsgericht in Ulm den Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens beantragt, das heute genehmigt wurde. Damit nutzt Centrotherm ein spezielles Verfahren, das mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) am 1. März dieses Jahres in Kraft getreten ist. Der Vorteil ist, dass sich der Konzern jetzt in Eigenregie sanieren kann, ohne eine Zerschlagung zu fürchten. Centrotherm ist von Vollstreckungen und Zwangsmaßnahmen der Gläubiger weitgehend geschützt und bleibt voll handlungsfähig.
Auf technologische Stärken konzentrieren
Das ESUG schreibt eine bestimmte Vorgehensweise vor. Zunächst hat Centrotherm mit Andreas Hoefer einen Sanierungsexperten in den Vorstand bestellt, der die Sanierung nach ESUG plant und dem Unternehmen als Vertrauensperson loyal zur Seite steht. Hoefer wurde bei der Genehmigung des Schutzschirmverfahrens auch vom Gericht in Ulm als vorläufiger Sachverwalter bestellt. Jetzt hat Centrotherm drei Monate Zeit, um den Sanierungsplan durchzuziehen, der nach Aussage von Unternehmenssprecher Robert M. Hartung in den nächsten Wochen weiter präzisiert werden soll. Zunächst wollen sich die Schwaben auf ihre technologischen Stärken konzentrieren. Es geht vor allem um den Maschinenbau für die Energie- und High-Tech-Industrie. Das betrifft nicht nur die Lieferung von Equipment zur Photovoltaikherstellung, sondern auch zur Solarthermieproduktion, wie Hartung betont. „Bei thermischem Equipment und den damit verbundenen Technologien waren und sind wir Weltmarktführer“, sagt der Unternehmenssprecher. „In diese Kompetenz müssen und werden wir weiter investieren, um unseren Technologie- und Wettbewerbsvorsprung zu halten.“
Neue Märkte suchen und intern restrukturieren
Ein zweiter Punkt des Sanierungsplans ist die Erschließung neuer Märkte. „Neben der kontinuierlichen Verbesserung der Produktionsprozesse und der gezielten Kostenminimierung steht für den deutschen Photovoltaikmaschinenbau auch die strategische Erschließung neuer Märkte auf der Agenda“, erklärt Peter Fath, Technologievorstand bei Centrotherm. „Für die Photovoltaikproduktion werden zunehmend Ländern aus der MENA-Region, Indien, Brasilien und Südafrika interessant. Trotzdem darf das Kerngeschäft in Asien und auch der Produktionsstandort Europa nicht vernachlässigt werden.“ Bisher war es vor allem Fernost, in die die meisten Lieferungen gingen. Dieser Markt ist aber stark zurückgegangen. Das trifft die gesamte Zulieferbranche für die Photovoltaikproduktion. Die Photovoltaiksparte des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA Photovoltaik-Produktionsmittel) in Frankfurt am Main hat jetzt veröffentlicht, dass die Umsätze in Asien im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 60 Prozent zurückgegangen sind. Das trifft die Branche aber nicht unvorbereitet. „Mit einer Abkühlung des Marktes in Asien zu Beginn des Jahres haben wir durchaus gerechnet“, erklärt Florian Wessendorf, Projektleiter beim VDMA Photovoltaik-Produktionsmittel. Aufträge kommen derzeit vor allem von Großprojekten. Da will aber Centrotherm in Zukunft vorsichtiger agieren. Man bietet sich bei Großprojekten nur noch als Technologiepartner an, erstellt Expertisen und liefert Produkte. Das vermindere das Geschäftsrisiko, wie Hartung erklärt.
Außerdem will sich Centrotherm intern restrukturieren. „Wir brauchen weitere Strukturanpassungen, um den Bestand unseres Unternehmens für die Zukunft zu sichern“, erklärt Jan von Schuckmann, im Vorstand von Centrotherm für die Restrukturierung verantwortlich. „Damit erhalten wir die Wettbewerbsfähigkeit von Centrotherm in einer schwierigen Marktsituation. Parallel werden wir weiterhin in Forschung und Entwicklung investieren und unsere Marktposition ausbauen.“
Die Gläubiger beruhigen
Jetzt geht es aber erst einmal darum, die Gläubiger zu beruhigen und ein Schuldenmoratorium durchzusetzen, was Hoefers Aufgabe ist. Bisher sieht es so aus, als könnte er das auch schaffen. „Der erste Eindruck ist sehr positiv, das Schutzschirmverfahren ist im Unternehmen gut vorbereitet worden“, sagt Martin Hörmann, der vom Amtsgericht Ulm als Wahrer der Interesse der Gläubiger bestellt wurde und die Einhaltung des Sanierungsplans und das Schutzschirmverfahren überwacht. „Wir werden in gemeinsamer Anstrengung alles unternehmen, um die aussichtsreiche Sanierung zu einem guten Abschluss zu bringen.“, so Hörmann. Gelingt das, ist Centrotherm gerettet und der Schutzschirm wird aufgehoben. Es gibt keine Insolvenz. Sollte das Schuldenmoratorium aber scheitern, muss ein Insolvenzplan ausgearbeitet werden, den die Gläubiger genehmigen. Der Insolvenzverwalter muss danach die Vorgaben des Insolvenzplans durchführen. Er kann das Unternehmen nicht einfach zerschlagen und lukrative Teile verkaufen. „Ich verstehe meine neue Aufgabe vor dem Hintergrund des Schutzschirmverfahrens als Moderator der Interessen aller Verfahrensbeteiligter“, erklärt Tobias Hoefer. „Denn es muss das gemeinsame Ziel aller sein, das Unternehmen Centrotherm trotz des gravierenden Markteinbruchs zu erhalten und in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Wenn das gelingt, profitieren alle davon. Das Schutzschirmverfahren bietet die besten Chancen dazu und ich denke, dass meine mehr als 15jährige Erfahrung als Unternehmenssanierer wie als Insolvenzverwalter bei dem dafür notwendigen Ausgleich der Interessen von Nutzen sein kann.“ (Sven Ullrich)