Wenn bei einer solchen Vereinbarung „jetzt Startschuss wäre“, sagt Jens Assheuer, „könnten wir im nächsten Jahr die Gründungsstrukturen für die 64 Turbinen bauen lassen, 2017 mit den Installationen auf See beginnen und 2018 den Windpark ans Netz anschließen.“ Assheuer ist Geschäftsführer der Bremerhavener WindMW GmbH, einem von der amerikanischen Privatkapitalgesellschaft Blackstone eingekauften Offshore-Projektierer, der Anfang April den Nordsee-Windpark Meerwind Süd/Ost fertig errichtet hat. Seine Idee hat er jetzt in einer Stellungnahme an die Bundesnetzagentur deutlich gemacht. Die Netzagentur hatte jüngst dem Projekt Nördlicher Grund einen bisher in Aussicht stehenden Anschluss an die ursprünglich geplante, aber noch nicht im Bau befindliche Offshore-Umspannplattform Sylwin 2 abgesagt. Auf Sylwin 2 will die Behörde vorerst verzichten, weil sie mit den bestehenden Umspannstationen und anderen in der Planung weiter fortgeschrittenen Umspannstationen den Bedarf an Anschlusskapazitäten schon erfüllt sieht. Der Bedarf an Offshore-Windkraft ist indes politisch festgelegt. Die Bundesregierung hatte 2014 definiert, sie wolle bis 2020 eine Meereswindkraft mit einer Kapazität von 6,5 Gigawatt errichtet sehen und bis 2030 die Erzeugungsleistung auf 15 GW ansteigen lassen.
WindMW-Chef Assheuer schlug in seinem Schreiben an die Bundesnetzagentur nun vor, den mit 64 modernen Sechs-MW-Anlagen konzipierten Windpark Nördlicher Grund statt an Sylwin 2 an den bisher nur zu 50 Prozent ausgelastete Konverter-Plattform Helwin 2 anzuschließen. An diese 690-MW-Plattform zur Übertragung des Offshore-Windstroms an Land wird nach jetzigem Stand vorerst nur der derzeit im Bau befindliche 288-MW-Windpark Amrumbank West angedockt. Allerdings räumt Assheuer ein, die Bundesnetzagentur habe bereits geantwortet, die Idee sei abzulehnen. Denn sie sehe keine Cluster-übergreifenden Netzanschlüsse für die Offshore-Windparks vor. Der offizielle Offshore-Netzentwicklungsplan sieht eine Bündelung der Windparks in 13 sogenannten Clustern vor.
Dass Nördlicher Grund aufgrund des von der Bundesregierung de facto gesetzten Ausbaudeckels von 6,5 GW nun bestenfalls eine Verschiebung auf das nächste Jahrzehnt erfährt, ist skurril. Denn das Vorhaben hatte als eines der ersten deutschen Nordsee-Windkraftprojekte bereits sämtliche Genehmigungen zum Bau zusammen – „einschließlich einer unbedingten Netzanschlusszusage von Übertragungsnetzbetreiber Tennet“, wie Assheuer betont. Doch 2012 hatte die Bundesregierung die Genehmigungsregeln für Netzanschlüsse der Offshore-Windparks geändert und im Zuge dieser Änderung die Anschlusszusage für Nördlicher Grund wieder kassiert.
Netzagentur darf auf Umspannplattform verzichten – und leitet Strom aus Nördlicher Grund um
Assheuer wirbt, bei einem Umlegen von Nördlicher Grund an Helwin 2 könne die Netzagentur in Zukunft sogar ganz auf Sylwin 2 verzichten. Derzeit hat diese nur vor, Sylwin 2 aufs vielleicht nächste Jahrzehnt zu verschieben. Der Offshore-Windkraft-Manager betont, sein Unternehmen habe für Nördlicher Grund bereits „die Turbinen eingekauft, Kabel eingekauft und die Gründungsstrukturen eingekauft.“ Nur der Installationsvertrag zur Errichtung des Windparks stehe noch aus. Angesichts des fortgeschrittenen Zustands will er sich aber auch mit der negativen Antwort der Bundesnetzagentur auf seinen Vorschlag für den Anschluss über Helwin 2 noch nicht abfinden. Denn der Gesetzgeber habe das von der Netzagentur ins Feld geführte Tabu Cluster-übergreifender Anschlüsse an die Umspannstationen gar nicht festgelegt.
Er sieht das Stopp für die Anschlussgenehmigung als schädlich auch für die Ziele der Bundesregierung und für die gesamte Offshore-Windbranche an. „Selbst wenn ich nicht mehr unter dem Ausbau-Deckel für das Jahr 2020 zum Bau von Nördlicher Grund komme, muss ich jetzt schon planen können, um noch unter den Deckel für 2030 zu kommen.“ Soll heißen: Um die Finanzierung des Projekts aufrechtzuerhalten, und nicht auch für das 15-GW-Ziel der Bundesregierung irgendwann noch als überflüssig eingestuft zu werden, sollte Nördlicher Grund jetzt Planungssicherheit erhalten. Die Lobbyorganisation Stiftung Offshore Windenergie und Akteure der Branche wie Assheuer sehen die Stopps von Ausbaugenehmigungen aber nicht nur für den Planungshorizont und damit die Investitionsbereitschaft der Unternehmen als schädlich an. Weil auch geplante Projekte immer wieder scheiterten, so mahnen diese, müssten die Planungen der Netzagentur und des Bundesamts für Seeschifffahrt (BSH) als Genehmigungsbehörde für die Baustellen der Windparks selbst vorsorglich Projekte mit einem in Summe weit über das 6,5-GW-Ziel hinausreichenden Volumen ermöglichen.
BSH stellte Genehmigungsverfahren für küstenferne Windparks ein
Erst kürzlich war bekannt geworden, dass auch das BSH im Einklang mit der Netzagentur neue Genehmigungen eingestellt hat. Der Politik hatte bereits im Energiewirtschaftsgesetz vom Juli 2014 festgeschrieben, sie wolle den Ausbau der Netzkapazität bis 2014 auf maximal 7,7 GW begrenzen. Dieses Erzeugungsvolumen berücksichtigt bereits einen kleinen Sicherheitspuffer von 1,2 GW. Das BSH hatte Mitte April erklärt, es werde die Arbeit an den Genehmigungsanträgen sämtlicher weiterer Projektplanungen in den küstenfernen Zonen jenseits von 100 Kilometer Entfernung vom Land einstellen. Denn alle schon jetzt genehmigten Projekte hätten zusammen genügend Erzeugungsvolumen für das Ausbauziel der Regierung.
Assheuer aber betont, der Bescheid der Netzagentur sei „noch nicht rechtsverbindlich“. WindMW bereite daher nun ein Memorandum vor, mit dem das Unternehmen das Gespräch mit der Politik suchen wolle.
(Tilman Weber)