Der Solarmarkt brummt. Für Deutschland geht Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW Solar), von 14 Gigawatt neu installierter Photovoltaikleistung aus. Die Österreichische Abwicklungsstelle für die Ökostromförderung (Oemag) hat für 2023 Investitionsförderungen genehmigt, die für den Bau von zwei Gigawatt neuer Solarleistung ausreichen.
Händler räumen die Lager
In beiden Fällen wäre das eine Verdopplung der Nachfrage. Auch in den anderen europäischen Ländern steigt die Nachfrage nach Photovoltaik (PV). „Unseren Einschätzungen zufolge wird der PV-Markt in den nächsten Jahren jährlich durchschnittlich 15 bis 20 Prozent wachsen“, prognostiziert Jürgen Reinert, Vorstandsvorsitzender von SMA.
Er geht davon aus, dass die Nachfrage nach Solaranlagen in Gewerbe und Industrie und nach Solarparks sogar über 20 Prozent wachsen wird. „Ob sich die Nachfrage noch mehr beschleunigt, hängt natürlich auch davon ab, wie sich zum Beispiel die Beschleunigung bei Genehmigungen oder mehr Planungssicherheit bei PV-Investitionen für Privathaushalte oder Unternehmen entwickelt“, sagt Jürgen Reinert.
15 Prozent Wachstum erwartet Jürgen Reinert von SMA mindestens an jährlichem Wachstum des hiesigen PV-Marktes.
SMA will im kommenden Jahr noch stärker wachsen als bisher. Die Voraussetzungen für den Ausbau sind gut. Allerdings: „Kurzfristig wird sich aus unserer Sicht die Nachfrage und damit unser Auftragseingang nach dem sehr starken Anstieg im Jahr 2023 etwas verlangsamen, da sich die Distributoren in den letzten Monaten gut bevorratet haben. Das ist aber eine ganz normale Entwicklung, die wir schon länger prognostiziert haben“, sagt Reinert.
Wettbewerb wird intensiver
Werner Palm, für die Geschäftsentwicklung bei Kostal Solar Electric zuständig, ergänzt: „Der Handel kann liefern, das Handwerk steht besser zur Verfügung. Einzige Hemmungen sehen wir durch hohe Lagerbestände und einen vorsichtigen Handel, der auf Sicht fährt“, sagt er. Dies werde sich im kommenden Jahr beim Absatz neuer Geräte bemerkbar machen, weil der Handel derzeit erst einmal seine Lagerüberbestände abbaut.
Auch Annegret Schneider, Unternehmenssprecherin von Meyer Burger, erwartet eine kleine Delle beim Zubau. „Wir spüren inzwischen flächendeckend in Europa, dass die Nachfrage durch Inflation, steigende Kreditzinsen und wieder gesunkene Energiepreise etwas nachlässt. Dadurch wird der Wettbewerb für alle Akteure inklusive der regionalen Installateure wieder intensiver. Insgesamt bleibt die Nachfrage weiterhin stark genug, um einen weiterhin gut funktionierenden Markt für die nächste Zeit zu erwarten“, prognostiziert sie.
Weiterer Ausbau der Fertigung geplant
Das Unternehmen hat seine geplante Produktionskapazität von 1,4 Gigawatt in Deutschland Ende 2023 erreicht. Der nächste Schritt ist der Bau einer Zell- und Modulproduktion mit einem jährlichen Ausstoß von zwei Gigawatt in den USA. Damit will sich Meyer Burger auch auf dem US-amerikanischen Markt gut aufstellen. „Der nächste Ausbauschritt erfolgt aufgrund der hervorragenden Förderbedingungen in den USA statt in Deutschland“, begründet Annegret Schneider die Entscheidung.
Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. „Im Rahmen der erfolgreichen Bewerbung von Meyer Burger für den EU-Innovationsfonds ist zu einem späteren Zeitpunkt ein Ausbau im Multi-Gigawatt-Bereich in Thalheim geplant“, stellt Annegret Schneider in Aussicht. „Voraussetzung für solche Investitionen sind günstige Marktbedingungen und sichere, faire Wettbewerbsbedingungen für europäische Solarhersteller in der EU.“
Europas Hersteller sind wettbewerbsfähig
Denn ein Grund für die guten Prognosen ist der Modulpreis am Markt, der gerade in den Keller rauscht. Die Gründe sind vielfältig. Nicht zuletzt der Technologiewechsel von Perc hin zur neuen Topcon-Technologie spült derzeit jede Menge Module auf den europäischen Markt und drückt die Preise. Dazu kommt noch die Konkurrenz. „Europäische Hersteller sind prinzipiell wettbewerbsfähig gegenüber asiatischen Herstellern“, betont Sven Stoffers, Vertriebsleiter von Meyer Burger. „Nicht wettbewerbsfähig sind europäische Hersteller allerdings dann, wenn Wettbewerber Ware weit unter Herstellungskosten massenweise auf den Markt bringen. Deshalb muss dieses Marktversagen durch die Politik umgehend abgestellt werden.“
1,4 Gigawatt hat sich Meyer Burger für 2023 als Produktionsziel gesetzt und erreicht es auch.
Verbindliche Signale senden
Als Lösungen setzt die europäische Solarbranche neben Investitionsunterstützung auf Local-Content-Regelungen. Der BSW Solar hat einen Resilienzbonus bei Vergütung und Ausschreibung vorgeschlagen, wenn die Anlagen mit europäischen Komponenten gebaut werden. „Ein klares und verbindliches Signal an die Solarindustrie, dass sich in Deutschland nicht nur Investitionen in Solaranlagen, sondern auch in die Solarindustrie wieder lohnen, ist überfällig. Sich in diesem boomenden Wachstumsmarkt jetzt nicht stärker zu diversifizieren oder an derartigen Zukunftsinvestitionen zu sparen, das wäre nach den Erfahrungen der Energiekrise und der Pandemie-Lieferengpässe riskant und für die Wertschöpfung unserer Volkswirtschaft ein irreversibles Versäumnis“, warnt Jörg Ebel, Präsident des BSW Solar.
Auch Hubert Fechner, Obmann der österreichischen Technologieplattform Photovoltaik (TPPV), verweist auf die Notwendigkeit einer heimischen Produktion. Nicht allein der Preis darf zählen, sondern auch weitere Kriterien wie Umwelt- und Sozialstandards.
Europäische Produkte vertreiben
Hier sind aber auch die Installationsbetriebe zur Mithilfe aufgefordert. „Denn die Frage ist, wie schaffen wir es, den Mehrwert europäischer Produkte ins Bewusstsein der Kunden zu bringen“, betont Hubert Fechner auf dem Herbstkongress 2023 der österreichischen PV- und Speicherbranche in Graz. „Die meisten Kunden fragen nicht nach, woher die Module kommen, weil sie davon ausgehen, dass diese selbstverständlich aus China kommen.“ Dies müsse sich ändern. Dann werde es auch einen Markt für europäische Module geben.
Fechner verweist darauf, dass Österreich schon vier Modulhersteller beherbergt. Einer davon ist Kioto Solar. Die Modulmarke von Sonnenkraft setzt auf das Image heimischer Qualitätsproduktion und auf ein Segment jenseits des Standardmoduls. „Was wir merken, ist die starke Nachfrage nach transparenten Lösungen für Terrassenüberdachungen, Carports, Balkone oder Zäune“, berichtet Wolfgang Seidler, Geschäftsführer von Sonnenkraft. „Deshalb bauen wir in unserem Werk in Wernersdorf in der Steiermark aktuell eine neue Linie mit neuester Topcon-Zelltechnologie auf. Dadurch wird nicht nur die Produktionskapazität gesteigert, sondern auch die neueste Technologie verbaut.“
Handwerker als Partner
Wie andere europäische Anbieter hat sich Kioto Solar längst vom reinen Modulhersteller zum Systemanbieter entwickelt und setzt auf enge Zusammenarbeit mit den Handwerkern. „Handwerker und Partner haben für uns einen ausgesprochen hohen Stellenwert. Für 2024 haben wir eine große Handwerkeroffensive geplant: ‚Gemeinsam fürs lokale Handwerk mit lokal gefertigten Produkten‘“, betont Wolfgang Seidler. „Wir können uns mit den Asiaten von der Größe her nicht messen, merken aber, dass für unsere Kunden die Regionalität und die Qualität einen hohen Stellenwert haben. Dadurch steht für uns nicht die Quantität, sondern die Qualität im Vordergrund.“ Außerdem hat das Unternehmen inzwischen einen eigenen Speicher und einen Wechselrichter im Portfolio.
Terrakottafarbenes Solarmodul für denkmalgeschützte Gebäude
Mit Expertise und Innovation punkten
Diesen Weg beschreitet Solarwatt schon seit Jahren und das mit Erfolg. Denn: „Ich sehe technologisch nach wie vor einen Vorsprung in der intelligenten Vernetzung der einzelnen Komponenten eines sektorengekoppelten Energiesystems bis hin zur fachgerechten Installation. Das ist für die meisten asiatischen Hersteller zu kleinteilig, da wollen sie aktuell nicht rein“, weiß Peter Bachmann, Leiter der Abteilung Customer Solutions bei Solarwatt. „Gerade in Deutschland und Europa gibt es viele Dinge, die Hausbesitzer und Gewerbetreibende beim Bau einer entsprechenden Anlage beachten müssen. Da können wir mit unserer Expertise, unseren Services und unseren Lösungen sehr gut unterstützen.“
Kunden wollen Gesamtlösungen
Ein zweiter Weg sind Innovationen und ein spezialisiertes Portfolio. So kündigt Wolfgang Seidler von Sonnenkraft für 2024 ein neues, terrakottafarbiges Solarmodul an. Dieses eigne sich auch für denkmalgeschützte Gebäude und historische Altbaudächer.
Das Doppelglasmodul ist fast schon europäischer Standard. „Doppelglasmodule haben im Vergleich zu herkömmlichen Glas-Folie-Modulen viele Vorteile wie beispielsweise eine deutlich längere Haltbarkeit. Dieses Wissen hat sich mittlerweile auch bei vielen Installationsbetrieben und Endkunden durchgesetzt“, sagt Peter Bachmann von Solarwatt. „Dazu kommt eine immer weiter steigende Nachfrage nach Modulen, die ohne zusätzliche Sicherungsmaßnahmen im Überkopfbereich oder in der Fassade eingesetzt werden können.“
Qualität, Sicherheit, Service
Einen ähnlichen Weg gehen auch die Wechselrichterhersteller, um ihre Position am Markt zu sichern. Sie leiden zwar weniger unter dem Wettbewerbsdruck aus Fernost. Doch positionieren sich auch in diesem Bereich neue Hersteller, die vor allem über den Preis am Markt punkten wollen. „Die Komplexität ist aber ungleich höher, denn es existieren mehr Vorschriften und Regularien. Handel und Handwerk wollen Gesamtlösungen und Erweiterbarkeit für die Sektorkopplung. Sie fragen nach Qualität, Sicherheit, Service“, sagt Werner Palm von Kostal mit Blick auf den Vergleich mit Modulherstellern. „Ein europäischer Hersteller hat tiefere Kenntnisse von Markt und Menschen und deren Bedürfnissen. Er ist näher an den Netzbetreibern und kennt die Vorschriften.“
70.000 Geräte pro Jahr geplant
Kostal nimmt eine verstärkte Nachfrage nach deutschen Produkten bei Handel und Handwerk wahr. Deshalb plant das Unternehmen derzeit die Vervierfachung der Produktionskapazität für Hybridwechselrichter bis Ende 2024. „Der Ausbau passiert immer mit dem Blick auf die realistische Marktentwicklung“, sagt Werner Palm.
Diesen Ausbau hat Fronius bereits geschafft. Der österreichische Hersteller hat im Herbst 2023 seine neuen Produktionshallen in Sattledt bei Wels in Betrieb genommen. Etwa 20.000 Wechselrichter mehr als vorher laufen jetzt jedes Jahr von den Bändern. Für 2024 strebt Fronius eine Ausweitung der monatlichen Produktionskapazität von 52.000 auf 70.000 Geräte an, mit einer jährlichen Leistung von 10,5 Gigawatt.
Gleichzeitig baut Fronius sein Partner- und Installateursnetzwerk aus. Die Handwerksbetriebe profitieren von einem umfangreichen 24-Stunden-Aftersales-Service und den digitalen Angeboten für Installation, Inbetriebnahme und Wartung der Geräte.
Dazu gehört auch ein Reparaturservice, den Fronius anbietet. Dabei geht das Unternehmen über den Austausch von Platinen hinaus. Zum einen werden die defekten Bauteile zu einem Reparaturcenter von Fronius geschickt und dort, wenn möglich, aufbereitet. Zum anderen gibt es die Möglichkeit, das ganze Gerät zu tauschen.
Nachhaltigkeit auch nach der Installation
Dafür hat Fronius einen Bestand an aufbereiteten Wechselrichtern aufgebaut, die als Austauschgeräte dienen. Ein solches Konzept sei nicht von heute auf morgen umgesetzt, betont Martin Hackl, Leiter der Solarsparte bei Fronius. „Ein reparierbarer Wechselrichter muss anders konstruiert werden. Die Bauteile müssen so verbaut und integriert werden, dass sie einfach austauschbar sind. Außerdem müssen die Installateure entsprechend ausgebildet und geschult werden, damit sie die Reparatur auch durchführen können“, weiß Martin Hackl. „Dieses Konzept haben wir strategisch über zwei Jahrzehnte hinweg aufgebaut und ist der Benchmark für Nachhaltigkeit im Aftersales-Bereich.“
20 Tausend Wechselrichter mehr im Jahr kann Fronius mit neuer Produktionshalle fertigen.
Datensicherheit ist wichtig
Damit sind die Voraussetzungen für Wechselrichterhersteller besser. Sie haben sich schon länger darauf vorbereitet, die gesamte Sektorkopplung abzubilden.
Zudem sei anders als bei den PV-Modulen derzeit noch kein Anzeichen für massive Preissenkungen spürbar, wie Jürgen Reinert von SMA bestätigt. „Die Erfahrung zeigt aber, dass es dazu kommen kann“, warnt er. „Unabhängig davon spielen aber bei Wechselrichtern noch andere Überlegungen eine Rolle: Da sie das Herzstück der PV-Anlage sind und sämtliche Datenströme hier zusammenfließen, ist die Sensibilität der Kunden in Hinblick auf Datensicherheit höher und das Vertrauen in europäische Hersteller größer“, benennt Reinert einen weiteren Faktor, der für europäische Produkte in diesem Bereich spricht.