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Kommentar: Neue Studie zu Kohle weltweit

Weltstudie: Kohle ist der teure Irrweg

Kohle ist offenbar keineswegs der Billigheimer unter den Energiequellen, als der sie oft dargestellt wird. Das zeigt eine neue internationale Studie. Das 24-seitige Positionspapier "Beyond Coal" beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von weltweiter Kohlenutzung und Armut sowie mit erneuerbaren Energien im Unterschied dazu. Angefertigt wurde das Papier im Auftrag von zahlreichen internationalen Umweltorganisationen wie unter anderem Oxfam und Misereor.

Zu den Ergebnissen der Untersuchung zählt, dass arme, netzferne Haushalte nicht von Kohlekraftwerken in ihrer unmittelbaren Nähe profitieren. Meist bleiben sie abgeschottet vom Stromnetz. Wie die Grafiken oben und unten zeigen, lässt sich kein Zusammenhang zwischen Kohleverstromung und Stromversorgung von Privathaushalten erkennen. Stattdessen funktioniert die Elektrifizierung auch abgelegener Regionen mit erneuerbaren Energien deutlich besser und günstiger. Günstiges und sauberes Kochen ist eher gewährleistet durch erneuerbare Technologien.

© OXFAM

Eine weitere wichtige Erkenntnis: China wird oft als Region dargestellt, die ihre große Armut seit den 90er Jahren durch Industrialisierung mithilfe von Kohlekraftwerken bekämpfen konnte. Die Wahrheit aber ist, dass China die Armut schon vor der industriellen Revolution reduziert hat (Grafik unten). Und zwar durch veränderte Gesetzgebungen, die die Landwirtschaft positiv beeinflussten. Die Industrialisierung mithilfe der Kohle hat derweil nur einem sehr geringen Teil der Bevölkerung geholfen, der Großteil litt seit der Zeit der Industrialisierung wieder größere Not.

Auch ist es offenbar ein Irrtum, dass Kohlekraftwerke in der Region dafür sorgen, die Armut zu bekämpfen. Preiswerte Energie schafft neue Arbeitsplätze und Wachstum. Aber die Energiekosten für Kohle sind längst nicht mehr die günstigsten: die Kosten für Photovoltaik sind seit 2009 in den USA um 80 Prozent gefallen und im Wind um 60 Prozent. Zudem hat der Regenerativsektor auch bei den Arbeitplätze inzwischen die Nase vorn: 9,4 Millionen Menschen sind in Erneuerbaren beschäftigt. 7 Millionen sind es nur in der Kohle (2012).

© OXFAM u.a.

Hinzu kommt, dass die Auswirkungen der Kohleverfeuerung auf Klima, Umwelt und Gesundheit vor allem die Armen belastet. 670.000 Menschen sterben in China jährlich an den Folgeerkrankungen durch Luftverschmutzungen. In Indien sind es 100.000 Menschen. Was hinzu kommt, sind die Klimaschäden: Wenn nur ein Drittel der geplanten Kohlekraftwerke - vor allem in Asien - gebaut wird, steigt die Klimaerwärmung um mehr als zwei Grad Celsius bis Mitte des Jahrhunderts. Das wiederum wird weitere hunderte von Millionen Menschen in Armut stürzen - durch u.a. Überschwemmungen, Dürren, Brände und Stürme.

Nun bleibt zu hoffen, dass diese Studienergebnisse nicht einfach unter den Tisch gekehrt werden - weil die Kohlelobby auf eine ausreichende Zahl an korrupten Politikern trifft. Die Zahlen sind so deutlich, dass sich zu mindest jetzt niemand mehr in einer öffentlichen Diskussionsrunde vorwagen sollte, um zu behaupten, dass Kohle eine Hilfe für die armen Teile der Bevölkerung ist. Und mal ganz im Ernst: Ein ums andere Mal wird gepredigt, dass wir die Ursachen für die Flucht aus anderen Ländern nach Europa bekämpfen wollen. Dann sollten wir aber mal ganz schön damit anfangen, dass wir beim Aufbau einer regenerativen Energieversorgung in diesen Ländern helfen.

Aber in den Jahren 2003 bis 2013 hat Deutschland stattdessen Finanzhilfen von einer Milliarde Dollar für den Bau von Kohlekraftwerken genehmigt, wie Reuters 2015 berichtete. Der Münchener Industriekonzern Siemens lieferte ebenso Technik zum Bau von Kohlekraftwerken wie Alstom aus Frankreich. Frankreich genehmigte sogar Kredite von 1,8 Milliarden Dollar. Beteuert wird oft in diesem Zusammenhang, die neue Kohle-Technologie sei sauber. "Saubere" Kohlekraftwerke gibt es nicht, sie sind vielleicht sauberer, aber sie sind der falsche Weg. Diese Mogelpackung der Industrie sollte von der Politik nicht unterstützt werden.

Kommentar Nicole Weinhold | Kommentar Nicole Weinhold - © Foto: Nicole Weinhold
Kommentar Nicole Weinhold | Kommentar Nicole Weinhold