Bedeuten höhere Anlagengrößen auch einen technisch größeren Bedarf an Messungen?
Volker Köhne: Nein, nicht automatisch. Nur werden größere Anlagen eben viel mehr wahrgenommen und rücken damit auch mehr ins Interesse. Und was man optisch mehr wahrnimmt, nimmt man auch akustisch mehr wahr und stört sich dann daran.
Nimmt die Wichtigkeit von Lidarmessungen mit höheren Anlagen zu?
Köhne: Auf jeden Fall. Je mehr die Bauhöhen der Anlagen zunehmen, desto größer muss ein Windmessmast sein. Windmessmasten mit Höhen von 100 und mehr Metern sind schon gewaltige Bauwerke mit entsprechenden Kosten. Wenn man dort stattdessen moderne Lasertechnik anschaffen kann, auch vom Anschaffungswert her hochwertige Geräte, kommt man einigermaßen in einen Bereich, in dem sich das rechnet.
Trifft diese wachsende Bedeutung auch für ihren weiteren wichtigen Prüfbereich zu, die Schallemissionsmessungen? Gerade bei Ihnen in Schleswig-Holstein übertönt doch der Wind solche Geräusche?
Köhne: Akustik spielt schon seit Anfang der 1990er Jahre messtechnisch eine Rolle. Zunächst hatte man gedacht, die Anlagen seien klein und schalltechnisch nicht zu beachten. Aber das hat man ad acta gelegt, weil es früh erste Beschwerden gab. Anfangs hat man mit vereinfachten Rechenverfahren Akustikprüfungen gemacht, später mit Nachweismessverfahren, die sich im Laufe der Zeit entwickelten: Die Schallimmissionsprognose vor der Errichtung eines Windparks ermittelt rechentechnisch, ob die Werte an einem Immissionspunkt an einem Haus in der Umgebung eingehalten werden oder nicht. Die Rechnungen basieren wiederum auf vorher erworbenen Daten auch aus unseren Messungen an Prototypen oder ersten Serienanlagen jenes Anlagentyps, der nun in einem von uns mit der Schallprognose betreuten Projekt errichtet werden soll.
Mit was für Messkampagnen-Kosten ist denn für die neueste Windpark-Generation mit ihren vielen Anlagenvarianten zu rechnen?
Köhne: Abhängig von der Lage des Windparks – wie die Fläche gelegen ist, ob eine Messung oder zwei notwendig werden – variieren die Kosten sehr stark. Sie sind auch abhängig davon, ob Vergleichsdaten vorliegen, wie lange man Messungen abhängig von Tages- und Jahreszeiten vornehmen kann.
Speziell die Lidarmessung, geht es hierbei immer um einen sechsstelligen Betrag?
Köhne: Das kann jetzt schon weniger sein. Braucht es beispielsweise nur eine kurzfristige Kampagne an einem Standort, ist mit 30.000 bis 50.000 Euro zu rechnen. Bei einem großen komplexen Projekt sollte deutlich mehr ausgegeben werden.
Stößt die gewünschte Genauigkeit der Messungen nicht aber rasch an Grenzen der Realität: Die Dichte der Windparknutzung verändert sich schnell, Repowering verschiebt die räumliche Verteilung der Windparks, Ausschreibungssysteme könnten plötzlich Windparks bevorzugen, die vielleicht sogar weniger , aber verschoben zum Trend anderer Windparks zu etwas besseren Preisen erzeugen?
Köhne: Natürlich sind dem Grenzen gesetzt. Aber wir müssen uns bemühen an jedem Standort die Risiken des Investments gering zu halten und dafür hochwertige Messdaten abzuliefern.
Was ist für Windkraft-Messdienstleistungen gerade technisch die wichtigste Herausforderung?
Köhne: Bei Lidar sicherlich die Kalibrierung – mit anderen Worten: die Erhöhung des Vertrauens in Lidartechnologie. Dass wir anerkannte Verfahren finden und in der Branche etablieren, um die Unsicherheitsbetrachtung wieder mit wirklich kleinen Werten zu versehen. Da wird in der Industrie dran gearbeitet: Für Vergleichsmessungen baut man teilweise neben den Lidarmessungen wieder kleine Windmessmasten auf. Lidar soll so ein gleichwertiges, wenn nicht sogar technisch höherwertiges Verfahren werden, mit dem man verschiedene Höhen mit dem gleichen Messverfahren abtasten kann. Größte technische Herausforderung bei Schallmessungen ist es, Anlagen- und Hintergrundgeräusche zu trennen, um eine gerechte und vernünftige Beurteilung des Geräuschverhaltens durchzuführen. Zum Beispiel, wenn Wind so stark weht und auch umliegende Büsche Geräusche verursachen – oder der Autoverkehr.
Bisher sind Geräuschmessungen nur in Entfernungen bis zu 1.000 Metern technisch sinnvoll. Werden Sie diese Messgrenze verschieben können?
Köhne: Es wird sehr schwer bleiben, in so weiter Distanz eine vernünftige Transparenz des Anlagengeräuschs zu erhalten. Der Geräuschpegel der Anlage wird nach zwei Kilometern immer deutlich unter dem der Hintergrundgeräusche liegen. Es gibt Ersatzmessverfahren, um die Anlagen dennoch zu beurteilen. Man stellt aber auch fest: Bei solchen Entfernungen habe ich am Immissionspunkt in der Regel keine Geräuschprobleme mehr.
Die Länderarbeitsgemeinschaft Immissionsschutz hat neue Vorgaben für Geräuschmessungen und Prognosen erarbeitet. Erhöht sich dadurch der Aufwand für Sie?
Köhne: Die Behörden fordern wohl noch öfter eine Nachmessung ein. Ansonsten werden die Messverfahren nur verfeinert.
Gibt es denn für all diesen Bedarf an Messungen genügend Messexperten?
Köhne: Ich denke, dass es in Deutschland dafür genügend Experten gibt. Es gibt im Moment Wartezeiten, weil die Messungen auch sehr stark wetterabhängig und umgebungsgeräuschabhängig sind. Zum Beispiel muss ich an einer viel befahrenen Straße in den Nachtstunden messen, um die echten Windparkgeräusche herauszufiltern – und dann darf es da auch nicht regnen.
Das Gespräch führte Tilman Weber