Nicole Weinhold
Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin, erklärt im Interview, warum die Solarbranche in Deutschland weit hinter ihrem Potenzial zurückbleibt - und was sich jetzt ändern muss, damit wir unsere Klimaziele erreichen.
Der Deckel ist noch nicht gefallen. Die Solarbranche will höchstrichterlich anordnen lassen, dass der drohende Förderstopp für neue Solaranlagen endlich aufgehoben wird. Was soll das?
Volker Quaschning: Wir brauchen auch ein Gesetz mit drei Lesungen im Bundestag. Jetzt hat natürlich das Konjunkturpaket Priorität. Ich weiß nicht, ob sie das Gesetz noch vor der Sommerpause beschließen oder nicht. Also, wenn sie es erst nach der Sommerpause machen, dann greift der Deckel doch noch. Ein gewisses Restrisiko gibt es also durchaus.
Was würde es denn bedeuten, wenn der Deckel nicht fiele?
Volker Quaschning: Er fällt auf alle Fälle, das ist beschlossen. Die Frage ist nur – wann? Also wenn er nicht rechtzeitig fällt, haben wir zwei, drei Monate eine Lücke. Der Deckel würde erst einmal bedeuten - wenn er greift - dass wir noch einen Monat Zeit haben zu bauen. Dann werden wir wahrscheinlich wieder das typische Stop & Go sehen: Ein Strohfeuer, dann zwei Monate Pause, bis das Gesetz geändert wird und es wieder weitergeht.
Hat das Zögern jetzt schon Auswirkungen beim Deckel?
Volker Quaschning: Es hat schon lange Auswirkungen. Ich habe mit einigen Vertretern aus der Branche gesprochen, die schon vor einem Jahr gesagt haben: `Eigentlich habe ich genug Aufträge und müsste Leute einstellen, aber solange der Deckel nicht weg ist, ist das Risiko enorm groß, dass ich sie in einem Jahr wieder entlassen muss. Darum lehne ich lieber ein paar Aufträge ab.´ Insofern hat die Deckeldiskussion schon zu einer Zurückhaltung bei zahlreichen Firmen mit der Energiewende geführt.
Sie unterstützen eine Petition zum Eigenverbrauch. Warum ist es so wichtig, dass die Sonnensteuer fällt?
Volker Quaschning: Wir brauche für das Einhalten das Pariser Klimaschutzabkommen, einen Faktor 5 bei jährlichen Zubau der Photovoltaik- was den meisten gar nicht klar ist. Wir machen da ein bisschen was, dort ein bisschen was und dann bauen wir statt vier Gigawatt (GW), 4,5 und alles ist gut? So haben wir nicht einmal eine Chance, den Wegfall der Kernenergie zu ersetzen. Das heißt, wir müssen uns jetzt an allen Ecken und Enden Gedanken machen, wie wir das Tempo drastisch erhöhen können. Das kann man natürlich erstmal durch Freiflächen und Ausschreibungen machen. Da kommt man auf große Mengen. Allerdings haben wir auf Freiflächen immer sehr schnell die Akzeptanzproblematik. Das sehen wir auch beim Wind. Deswegen ist es enorm wichtig, dass wir alle Bürger an der Energiewende beteiligen. Die beste Art die Leute zu beteiligen ist, sie alle zu Prosumern zu machen, sodass sie ihren eigenen Strom verbrauchen. Das sollte man nicht behindern. Wir haben momentan Gesetze, die das sehr kompliziert machen und dadurch viele Leute verschrecken. Und wenn man erst einmal verschreckt ist, dann ist man eventuell auch Gegner der Energiewende und damit wird die Akzeptanzproblematik befeuert.
Der Eigenverbrauch ist von der Menge her gar nicht so relevant, aber für die Psychologie und für die Akzeptanz der Energiewende ist er enorm wichtig. Außerdem können wir damit auch kurzfristig Tempo machen, weil wir Gelder der Bürger mobilisieren können. Deswegen sollte man tunlichst dafür sorgen, dass der Eigenverbrauch nicht dauernd noch beschnitten wird.
Warum ist das Thema in anderen Ländern nicht so problematisch wie hier in Deutschland?
Volker Quaschning: Das hat auch historische Gründe. Wir hatten den hohen Zubau bei der Photovoltaik und dann wurden verschiedene Maßnahmen eingeführt, darunter auch die Eigenverbrauchsumlage. Ein Hauptgrund für deren Schaffung war, dass die Politik den Photovoltaikzubau bremsen wollte. Er sollte nicht durch den ungeförderten Zubau unkontrollierbar ansteigen. Das heißt, man wollte auf alle Fälle die Kontrolle behalten über den Solarenergiezubau und ihn regulieren und reduzieren können, wenn man das möchte. Das ist im Prinzip der Kontrollwahn der Regierung, statt dass man sich freut, dass die Energiewende von selbst wieder in Schwung kommt. Natürlich würde ein schneller unkontrollierter Solarenergiezubau zu Konsequenzen bei der Kohleverstromung führen - und das wollte man vermeiden.
Stichwort Akzeptanz: Wenn es wieder verstärkt auf die Freiflächen geht, um die Ausbau Ziele zu schaffen – bekommt die Solarbranche dann ähnliche Probleme wie die Windkraft?
Volker Quaschning: Das wird passieren. Man sieht es in anderen Ländern. Ich habe mit einem Kollegen aus Japan gesprochen, wo das schon der Fall ist. Wir haben 50 GW PV und wir brauchen vielleicht 500. Wir müssen das, was wir haben, verzehnfachen. Da kann man sich vorstellen, dass es Wiederstände geben wird. Deswegen müssen wir uns jetzt Gedanken über die Akzeptanz machen. Die Dächer werden nicht ausreichen, das ist klar. Wir werden die Freiflächen brauchen. Aber wenn die meisten selber eine Photovoltaikanlage auf dem Dach habe, dann glaube ich, dass sie weniger Wiederstände gegen Freiflächenanlagen leisten werden.
Wie sieht es mit einer sinnvolleren Nutzung von Freiflächen aus? Ich habe das Gefühl, dass es bisher planerisch ein bisschen blind gelaufen ist.
Volker Quaschning: Das auf alle Fälle. Windkraft und Solar zusammenzupacken, das wird auf alle Fälle den Netzausbau erleichtern, weil man dadurch Leitungen gemeinsam nutzen kann. Andererseits haben Wind- und Solaranlagenbetreiber Einbußen, weswegen man das aus wirtschaftlichen Gründen eher meidet. Deswegen wäre es sinnvoll, wenn der Gesetzgeber so etwas fördern würde.
Wir brauchen einen Faktor 10 bei der insgesamt installierten Photovoltaikleistung. Es werden also enorme Freiflächen gebraucht. Wir reden zwar nur von einem Prozent der Ackerflächen, aber wir werden eine Diskussion darüber bekommen. Deswegen finde ich auch die Agrophotovoltaik sehr spannend, weil man da die doppelte Nutzung haben kann. Und auch da müsste es von der Gesetzgeberseite mal ein sehr, sehr starkes Zeichen geben. Fördern heißt nicht, dass man da Milliarden von Euro reinstecken muss, sondern dass man da bei Ausschreibungen Prämien draufgibt, was nicht wirklich enorme zusätzliche Kosten bedeuten würde. Damit kann man das Thema signifikant nach vorne bringen.
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