„Satelliten-Messungen lassen eine Verminderung der Windgeschwindigkeit noch nach mehr als zehn Kilometern erkennen“, erklärt Projektleiter Professor Martin Kühn von der Universität Oldenburg zum aktuellen Wissensstand. „Derzeit werden diese Effekte nur aufgrund von Simulationen oder vereinfachten Modellen abgeschätzt. Die Höhe der Windgeschwindigkeitsverminderung hängt jeweils von den konkreten Parametern der Windparks, aber auch von Windgeschwindigkeit, Turbulenz und vor allem von der atmosphärischen Schichtung ab.“
Diesen Effekten wollen die Wissenschaftler nun im Rahmen von GW Wakes auf den Grund gehen und daraus praxisrelevante Ergebnisse ableiten. Am Projekt beteiligt sind vier Physik-Arbeitsgruppen der Universität, die auch Mitglied von Forwind, dem Zentrum für Windenergieforschung der Universitäten Oldenburg, Bremen und Hannover sind. Außerdem forschen die Fraunhofer-IWES-Projektgruppe Computational Fluid and System Dynamics sowie der Offshore-Windturbinenhersteller Bard aus Emden in dem dreijährigen Projekt mit.
Das Projekt wird vom Bundesumweltministerium (BMU) mit über 3,8 Millionen Euro gefördert. Damit will die Forschungsgruppe um Projektleiter Kühn zunächst ein Laser-optisches Fernerkundungsgerät, einen Multi-LIDAR, erwerben. Es basiert auf der Fernerkundungsmethode LIDAR (Light Detection and Ranging) und misst Luftströmungen mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung. Aus den Messdaten dieses Windscanners werden nicht nur Erkenntnisse über die Strömungsverhältnisse um die einzelnen Windenergieanlagen und in den Windparks erwartet. Zusätzlich soll die Wirkung der so genannten Nachlaufströmung auf angrenzende Windparks untersucht werden. Bei der Nachlaufströmung handelt es sich um den Luftfluss hinter dem Windschatten von Rotoren, wo die vom Rotor auseinandergerissenen Luftbewegungen wieder zusammenfallen und Luftverwirbelungen der Windradflügel noch zu Turbulenzen führen. GW Wakes knüpft indirekt an das ebenfalls von den Oldenburger Wissenschaftlern mitgestaltete Forschungsprojekt „RAVE-OWEA – Verifikation von Offshore-Windenergieanlagen“ an, das noch bis zum 30. Juni dieses Jahres läuft. Owea untersucht dabei insbesondere Belastungen und Unterströmungen einzelner Offshore-Windenergieanlagen im deutschen Nordsee-Testwindpark Alpha Ventus. „Aufgrund der vergleichsweise geringen Größe von Alpha Ventus – zwölf Windenergieanlagen auf vier Quadratkilometern – können jedoch keine verlässlichen Erkenntnisse über die sehr komplexen Strömungs- und Turbulenzbedingungen sowie die Interaktion mit der maritimen Grenzschicht bei viel größeren zukünftigen Windparks erwartet werden“, erklärt Kühn. Deshalb biete der im Aufbau befindliche 400-Megawatt-Windpark Bard Offshore 1 mit 80 Windenergieanlagen auf 52 Quadratkilometern erstmals weltweit die Chance, die Unsicherheiten systematisch in einem realistischen Maßstab zu untersuchen.
Das erste Teilprojekt von GW Wakes heißt aber Alpha Ventus und soll laut Kühn die Messdaten des RAVE-Datenarchivs durch neuartige Strömungsmessungen mit zwei synchronisierten LIDAR-Geräten von großer Reichweite ergänzen. Im nachfolgenden Teilprojekt GW Wakes – Bard Offshore 1 wird das Projektkonsortium weiterführende experimentelle und numerische Untersuchungen unternehmen. Hierzu dient ein sehr stark reduziertes Mess- und Monitoringprogramm an den Windenergieanlagen. Weltweit einmalig seien jedoch die aufwändigen Strömungsmessungen mit drei räumlich verteilten Lasergeräten, die über synchronisierte Lichtimpulse die Strömungen und Turbulenzen im Umkreis von bis zu acht Kilometern untersuchen. Damit könne man über die grafische Darstellung erkennen, wo sich kritische Wirbel und Turbulenzen in den Windparks bilden, sagt Kühn.
Neben den experimentellen Arbeiten werden auch umfangreiche Strömungssimulationen auf dem von Forwind mit Mitteln des Bundesumweltministeriums bereits im Jahr 2011 beschafften Parallelrechencluster durchgeführt. Die direkte Einbindung des Anlagenherstellers und Betreibers Bard sowie des Fraunhofer IWES als Forschungspartner in das Teilprojekt B soll eine schnelle Übertragung von Forschungsergebnissen sichern. Bard will die Forschungsgruppe mit Betriebsdaten des 100 Kilometer vor der Insel Borkum entstehenden Windparks Bard Offshore 1 unterstützen. Das Unternehmen will laut Vertriebsleiter Daniel Brickwell die GW Wakes-Forschungsergebnisse auch für die Auslegung neuer Turbinen nutzen. „Das Messprogramm in BARD Offshore 1 ist vom Frühjahr 2013 bis Frühjahr 2014 geplant“, sagt der Projektleiter.
(Regine Krüger)