Der 4. April dieses Jahres war für Google ein ganz besonderer Tag. „Im Lauf des Jahres 2017 haben wir es geschafft, weltweit jede Kilowattstunde, die wir verbrauchen, aus Erneuerbare-Energien-Anlagen wie Windkraftwerken oder Photovoltaikgeneratoren zu beziehen, die speziell für Google errichtet wurden“, erklärt Urs Hölzle. Er ist beim Internetgiganten für die technische Infrastruktur zuständig. „Damit sind wir die erste öffentliche Cloud und das erst Unternehmen unserer Größe, das dieses Ziel erreicht hat.“
Das ist kein Pappenstiel. Denn Google ist ein wahrer Stromfresser. Die gesamten Serverzentren, Bürogebäude und Niederlassungen des Konzerns verbrauchen so viel Strom wie eine mittlere Großstadt mit 200.000 Einwohnern. Etwa 40 Prozent dieser Strommenge braucht Google allein für die Kühlung der riesigen Serverzentren, die das Unternehmen weltweit betreibt. „Wir haben inzwischen Stromlieferverträge mit Betreibern von Ökostromanlagen mit einer Gesamtleistung von drei Gigawatt abgeschlossen“, sagt Hölzle. „Bisher haben unsere Lieferverträge weltweit Investitionen in erneuerbare Energien in Höhe von drei Milliarden US-Dollar ausgelöst.“ Damit wird das Unternehmen zum größten gewerblichen Abnehmer von Ökostrom weltweit.
Erneuerbare sind beste Kostenoption
Der größte Teil des Stroms kommt aus Windkraft- und riesigen Solaranlagen, die extra für den Internetkonzern errichtet wurden. Eines der jüngsten Projekte dieser Art steht in den Niederlanden. Dort bezieht Google den kompletten Strom des bisher größten Solarparks Sunport Delfzijl. Die Anlage steht im Hafengebiet von Delfzijl in der Provinz Oosterhorn. Insgesamt 123.000 Solarmodule mit einer Gesamtleistung von gut 30 Megawatt versorgen das neue Serverzentrum in Eemshaven jedes Jahr mit 27 Gigawattstunden Strom. Der Liefervertrag mit dem Stromanbieter Eneco, der wiederum den Strom aus der Anlage vermarktet, läuft zunächst über zehn Jahre. Auch dieser Vertrag gehört zur Strategie von Google, seinen gesamten Stromverbrauch mit erneuerbaren Energien abzudecken, die das Unternehmen im Jahr 2013 gestartet hat.
Für Google ist der Umstieg auf erneuerbare Energien ein enormer Imagegewinn. Doch noch wichtiger sind die wirtschaftlichen Gründe, die den Internetgiganten veranlasst haben, auf Ökostrom zu setzen. „In den vergangenen sechs Jahren sind die Kosten für Strom aus Windkraft- und Solaranlagen um 60 beziehungsweise 80 Prozent gesunken“, rechnet Hölzle vor. „Damit erweisen sich die Erneuerbaren immer mehr als niedrigste Kostenoption.
Die Stromkosten wiederum sind einer der größten Posten bei den Betriebskosten für unsere Datenzentren. Mit den Erneuerbaren haben wir eine langfristige Sicherheit gegen Schwankungen bei den Energiepreisen.“
Der Technologiemix muss stimmen
Google will beim eigenen Strombedarf darauf achten, dass dieser ausschließlich mit Ökoenergie gedeckt wird. Zwar betreibt das Unternehmen keine eigenen Anlagen, greift aber auch nicht auf bestehende Generatoren zurück. Vielmehr kauft Google ausschließlich Strom aus Ökokraftwerken, die eigens für Googles Bedarf gebaut wurden. Damit sichert das Unternehmen ab, dass der steigende Strombedarf immer mit neuen Generatoren abgedeckt wird. „Um eine sichere Versorgung zu gewährleisten, setzen wir dabei auf einen Mix aus verschiedenen Erzeugungstechnologien“, betont Urs Hölzle.
Einen ähnlichen Ansatz, sich vor schwankenden Energiepreisen zu schützen, verfolgt auch Apple. Der Computer- und Smartphone-Hersteller ist der zweitgrößte gewerbliche Abnehmer von Ökostrom. Nach Angaben von Bloomberg New Energy Finance bezieht das Unternehmen weltweit Solar- und Windstrom aus Anlagen mit einer Gesamtleistung von etwa 1,3 Gigawatt, Tendenz steigend. Ein Teil dieser Anlagen steht direkt neben den Produktionsstätten und Serverzentren des Konzerns oder ist in oder auf den Gebäuden installiert. Immerhin 626 Megawatt Anlagenleistung betreibt Apple selbst.
Solarstrom im Silicon Valley
Vorzeigeprojekt ist hier das neue Hauptgebäude von Apple. Es ist das weltweit größte kommerzielle Gebäude mit Solar und zudem mit der höchsten LEED-Zertifizierung. Das steht für Leadership in Energy and Environmental Design. Um das Platinzertifikat zu erhalten, hat Apple das Dach seines neuen Hauptquartiers in Cupertino, Kalifornien, komplett mit Solarmodulen belegt. So übernehmen 17 Megawatt Solarstromleistung einen Teil der Versorgung der Zentrale im Silicon Valley unweit von San José. Dazu kommen noch Brennstoffzellenkraftwerke mit einer Leistung von vier Megawatt und ein ganzes Netz von Batterien, die den nicht direkt verbrauchten Solarstrom zwischenspeichern.
Inzwischen hat auch der Computergigant das selbst gesteckte Ziel erreicht und versorgt alle seine Niederlassungen inklusive sämtlicher Applestores weltweit mit Ökostrom. Um auf diesem Kurs zu bleiben, wird Apple alle neuen Niederlassungen ebenfalls komplett mit Ökostromanlagen ausstatten. Nach deren Fertigstellung hat Apple insgesamt 1,4 Gigawatt Anlagenleistung weltweit in Betrieb und kann die Möglichkeit zur Nutzung von Ökostrom in die Standortentscheidungen einschließen.
Nachhaltige Lieferkette
Doch damit nicht genug. Die komplette Lieferkette soll nachhaltig werden. So hat das Unternehmen die Zulieferer dazu gebracht, die Komponenten für die Computer, Tablets und Smartphones von Apple mit Ökostrom herzustellen – mit zunehmendem Erfolg. Immerhin 23 Lieferanten produzieren die Apple-Komponenten komplett mit Ökostrom.
So weit ist Amazon noch nicht. Das Unternehmen betreibt inzwischen Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 1,1 Megawatt auf den Dächern von 17 Logistikzentren. Bis 2020 sollen es 50 sein, so der Plan. Dazu kommen noch neun weitere Wind- und Solaranlagen, von denen Amazon den Strom bezieht. „Diese Projekte sind sehr wichtige Schritte für uns auf dem Weg zu unserem Erneuerbaren-Ziel“, erklärt Tom Chandlee, bei Amazon für den Ausbau der erneuerbaren Energien verantwortlich.
Gut für die Kasse
Auch Ikea hat das Ziel, bis 2020 den gesamten Stromverbrauch auf Erneuerbare umzustellen. Der schwedische Möbelhändler stattet nach und nach die Dächer seiner Filialen mit Solarstromanlagen aus. Ikea deckt bereits 73 Prozent seines Stromverbrauchs mit erneuerbaren Energien ab. Inzwischen haben nach Angaben von Bloomberg New Energy Finance 130 der weltweit größten Unternehmen beschlossen, nach und nach ihren Stromverbrauch mit erneuerbaren Energien abzudecken. Dazu gehören neben Google, Apple, Amazon und Ikea auch General Motors, Nike und Wal-Mart. Selbst der Lebensmittelkonzern Mars und der Chemieriese Dow Chemical steigen nach und nach auf preiswerte erneuerbare Energien um. Noch im Jahr 2013 hat der damalige Deutschlandchef des Chemiegiganten von eigenen Kohlekraftwerken geträumt. Jetzt betreibt das Unternehmen Windkraftanlagen mit einer Leistung von gut 30 Megawatt. Aber gerade die sogenannten Bluechip-Unternehmen, zu denen auch Facebook und Microsoft gehören, sind Vorreiter beim Umstieg auf Ökostrom. Sie haben längst realisiert, dass dies eine kosteneffektive Entscheidung ist, die sich nicht nur für die Umwelt, sondern vor allem für die Finanzergebnisse auszahlt. (Sven Ullrich)
Dieser Artikel ist in unserem Print-Magazin 5/2018 erschienen. Falls Sie das Heft noch nicht vorliegen und nicht abonniert haben, können Sie ein Einzelexemplar hier nachbestellen. Neue und mehr spannende Artikel erhalten Sie, wenn Sie jetzt ein kostenloses Probeheft online bestellen.