Jörg Steinbach, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Energie in Brandenburg, zum dortigen Stand der Umsetzung der Bundesvorgaben zur Flächenausweisung. Brandenburg ist kumuliert das Windland Nummer zwei mit über acht Gigawatt installierter Windleistung.
Es gab viele, die gesagt haben, die Flächenziele für die Windenergie greifen zu spät mit einem ersten Schritt 2027 und dem Rest der gut zwei Prozent der Landesfläche erst 2032. Doch Theorie und Praxis sind zweierlei. Wie wollen Sie die Umsetzung schaffen?
Jörg Steinbach: Brandenburg hat eine Tradition als Energieland, das Thema hat als solches grundsätzlich eine hohe Akzeptanz. Und Brandenburg wird auch künftig Energieland sein. Alles andere würde sicherlich auch einen Sturm des Protestes auslösen. Die regionale Nutzung erneuerbarer Energien soll über die neue Gesetzgebung deutlich verbessert werden. Wenn die Menschen sehen, dass sie selber auch einen persönlichen Vorteil vom Ausbau haben, lässt es sich auch einfacher diskutieren. Wir leben in einem Flächenland mit vielen ländlichen Gebieten, die von der mit dem Ausbau verbundenen Wertschöpfung profitieren können – auch mit Blick auf die Arbeitskräfte. Diese Argumente müssen wir ins Feld führen, um auch weiterhin für die breite Akzeptanz zu werben. Hinsichtlich der zu spät greifenden Flächenziele kann ich sagen, dass wir in Brandenburg – im Rahmen unserer Energiestrategien – schon lange vor dem bundesweiten Zwei-Prozent-Ziel an unserem Zwei-Prozent-Flächenziel gearbeitet haben. Auch aufgrund von Natur- und Artenschutzbelangen war es für die Regionalen Planungsgemeinschaften in der Vergangenheit schwierig, dieses zu erreichen.
Es gibt viele Ausschlussflächen, auf denen keine neuen Windkraftanlagen entstehen dürfen.
Aber ganz konkret: Sie wollen 1,8 Prozent der Landesfläche bis 2027 festschreiben. Wie gehen Sie da vor?
Jörg Steinbach: In den vergangenen Jahren wurden auf Bundesebene viele gesetzliche Änderungen vorgenommen, um den Ausbau der Windenergie zu beschleunigen und zeitgleich zu erleichtern. Für Brandenburg hatte das neue Bundesrecht durchgreifende Folgen. Die Regionalplanung musste ganz neu ausgerichtet werden. In allen Regionen mussten die Planungsverfahren zügig von einer „Ausschlussplanung“ auf eine „Angebotsplanung“ umgestellt werden. Das erforderliche Landesrecht haben wir umgehend geschaffen. Mittlerweile geht es erstaunlich schnell voran. In drei von fünf Planungsregionen liegen uns bereits Planentwürfe vor. Diese erfüllen beziehungsweise übertreffen das geforderte (Teil-)Flächenziel. Bis zur Zielerreichung nach Windenergieflächenbedarfsgesetz können Windenergieanlagen als privilegierte Vorhaben nach Paragraf 35 Baugesetzbuch im Außenbereich realisiert werden, sofern alle Genehmigungsvoraussetzungen gegeben sind. Sofern diese Anlagenstandorte in die Windenergiegebiete integriert werden können, tragen sie quasi zur Erfüllung des Ziels bei.
25 Prozent niedriger könnten die Netzentgelte in Brandenburg ausfallen, wenn die Bundesnetzagentur geplante Änderungen umsetzt.
Oder sie machen ein bisschen mehr.
Jörg Steinbach: Es kann vorkommen, dass dort, wo es möglich ist, ein bisschen mehr gemacht wird. Einige Planungsregionen haben zum Beispiel 2,22 oder 2,35 Prozent der Regionsflächen in den Planentwürfen vorgesehen. Das Thema ist aber nicht konfliktfrei. Zudem gibt es viele Ausschlussflächen, auf denen keine neuen Windkraftanlagen entstehen dürfen. Ausgewiesene Naturschutzgebiete machen bei uns den größten Teil dieser Ausschlussflächen aus. Gleichzeitig gibt es die Notwendigkeit, den Ausbau mit hoher Geschwindigkeit voranzutreiben. Das Ziel ist es, unser gesamtes Energiesystem umzustellen, sodass wir aus eigener Kraft unsere Energieversorgung realisieren können und von Energieimporten in einem größeren Maße unabhängig werden.
Zudem müssen wir den Menschen besser vermitteln, wie wichtig die Energietransformation ist. Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Energiepreise sind bei jedem Einzelnen im Portemonnaie angekommen. Das soll sich nicht wiederholen.
Und trotzdem ist die Anfangseuphorie, gemeinsam auf Energieautarkie zu setzen, in der Bevölkerung leicht abgekühlt. Wie schaffen Sie es, den Spirit sozusagen hochzuhalten, dass Sie als Energiewendeland immer noch die Begeisterung auch der Menschen hinter sich haben?
Jörg Steinbach: Das klappt vor allem durch Kommunikation. Man muss sehr viel Überzeugungsarbeit vor Ort leisten, die im Augenblick durch zwei Dinge erschwert wird. Zum einen besteht eine gewisse Schieflage zwischen Bundesländern, die einen sehr hohen Regenerativanteil haben, und anderen mit einem vergleichsweise geringeren Ausbau. Das führt bei einigen zu dem Gedanken: „Jetzt sollen doch erst mal die anderen nachziehen, bevor wir noch mehr Windräder aufstellen.“ Zum Zweiten ist die Frage der Netzentgelte entscheidend. Es ist nicht einfach, den Bürgerinnen und Bürgern klarzumachen, warum wir im Augenblick die höchsten Strompreise haben, wenn doch unser Anteil an Erneuerbaren so hoch ist. Dieser Umstand resultiert aus der aktuellen Verteilung der Netzentgelte und ich bin froh, dass die Bundesnetzagentur Ende 2023 diesbezüglich Änderungen angekündigt hat. Durch die Vorschläge werden die Netzentgelte in Brandenburg vermutlich um bis zu 25 Prozent sinken. Das wird sich auch in der Stromrechnung deutlich auswirken.
Zudem stellen wir mit unserem Windenergieanlagenabgabengesetz eine finanzielle Partizipation der Kommunen am Ausbau der Windenergie sicher. Nach dem Gesetz sind Betreiber von Windenergieanlagen ab dem Inbetriebnahmejahr zur Zahlung einer jährlichen Sonderabgabe an Gemeinden im Umkreis von drei Kilometern flächenanteilig in Höhe von insgesamt 10.000 Euro verpflichtet.