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Corona, Strommarkt und PPA

Herr Herrmann, was ist beim Energiehandel jetzt zu beachten?

Tilman Weber

Wo können Erneuerbare-Firmen jetzt Hilfe bekommen?

Nicolai Herrmann: Bezüglich des von der Bundesregierung aufgestellten Hilfeschirms gilt natürlich, dass Mittelständler jetzt Hilfen beantragen können, ob Kurzarbeitergeld oder die sogenannten KFW-Kredite. Wichtig sind aber auch regulatorische Hilfen. So hält die Bundesnetzagentur bislang an allen Ausschreibungsterminen für neue Windparks und Photovoltaik fest. Hätte sie mit Verweis auf mangelnde Nachfrage wegen rückläufigen Stromverbrauchs die Auktionen und so die staatliche Nachfrage storniert, wäre das ein schwieriges Signal gewesen. Die aufrecht erhaltende kurzfristige Nachfrage ist für die EE-Branche in der aktuellen Krise sehr wichtig. Außerdem hat die BNetzA bekanntlich für Verzögerungen in der Realisierung von Anlagenparks längere Inbetriebnahme-Fristen angekündigt. Firmen sollen etwa bei Problemen in der Lieferkette oder bei Verzögerung der Errichtung unbürokratisch eine Verlängerung der Fristen für bezuschlagte EEG-Anlagen beantragen können.

Was ist beim Stromhandel jetzt zu beachten?

Nicolai Herrmann: Der Stromhandel funktioniert weiterhin ohne Probleme. Gerade in den vergangenen Wochen hat sich da sogar mehr Handelsvolumen als sonst gezeigt – aufgrund der Preisvolatilität auf dem Terminmarkt. Der Terminmarkt reagiert darauf, dass die Preise für Energieprodukte sinken, weil die Wirtschaft herunter fährt. Auch CO2-Handels-Akteure gehen von geringerer Nachfrage aus und stoßen daher nun Vorräte ab, was den CO2-Preis sinken lässt. Zugleich sind in den Terminmärkten nicht nur Nachfrager von Energiehandelsgütern unterwegs sondern auch Marktspieler, die spekulativ handeln. Dies kann zu stärkeren Preisbewegungen führen, als durch rein physikalische Nachfrageeffekte zu erwarten.

Entstehen durch die Preisbewegungen neue Chancen für die Direktvermarkter von Grünstrom?

Nicolai Herrmann: Nein. In der Direktvermarktung nach EEG-Marktprämienmodell sind die Betreiber und die Direktvermarkter vor absoluten Preisrisiken geschützt, denn die von den Netzbetreibern ausgezahlte gleitende Märktprämie gleicht sinkende Großhandelserlöse ja aus. Das gilt für alle EEG-Anlagen in der Direktvermarktung; für Anlagen in der Festvergütung gibt es auch keine Auswirkungen aus dem aktuellen Preisrückgang im Stromgroßhandel. Wo wir kurzfristig Auswirkungen erwarten, ist bei der Bewertung von Stromabsatzverträgen, den PPA für Anlagen ohne EEG-Vergütung. Wo neue Stromabsatzverträge abgeschlossen werden, müssen sich die Beteiligten bei ihren Preisabschlüssen stets an der Beschaffungsalternative des Stromhandels orientieren. Der Base-Preis für Termingeschäfte bei Stromlieferungen für 2021 sank von rund 45 Euro pro Megawattstunde vor zwei bis drei Monaten auf aktuell 2,5 rund 35 Euro pro Megawattstunde, das ist ein Minus von etwa 20 Prozent. So werden derzeit alle Akteure geplante Erneuerbaren-Projekte in Bezug auf PPAs neu bewerten müssen.

Ist die Zeit gut für neue langfristige Stromlieferverträge für Wind- und Solarparks?

Nicolai Herrmann: Wie gesagt: Diese PPA genannten Verträge werden die gesunkenen Strompreise im Terminhandel widerspiegeln, es ist daher nun sehr wichtig, die aktuelle Lage energiewirtschaftlich genau zu analysieren – denn ein reines Zuwarten bringt ja weder Projektentwickler, Investoren noch die Energiewende als solches voran. Zur Kernfrage wird deshalb, wann sich die Nachfrage nach Strom wieder erholen wird. Denn sowohl im Weiterbetriebsbereich gibt es steigenden Bedarf und im PV-Neubaubereich werden die Stromgestehungskosten trotz der Krise auch perspektivisch weiter fallen und damit das PPA-Segment attraktiv machen. Dann sollte schnell wieder ein Run auf PPA für Wind-Weiterbetrieb und PV-Freifläche einsetzen. Der Terminmarkt kann diese Mengen jedoch ohne weiteres aufnehmen, auch wenn vielleicht später in diesem Jahr ein hoher Zeitdruck für PPA-Abschlüsse von mehreren tausend Megawatt von Altwindparks herrscht, weil deren Förderung zu Ende 2020 ausläuft.

Hat Weiterbetrieb nun Hochkonjunktur – weil neue Windparkprojekte aufgrund politischer Blockaden und Coronakrise vorerst nicht zustande kommen?

Nicolai Herrmann: Dem Weiterbetrieb von Windkraft kommt eine wichtige Rolle zu, vor allem für die kurz- und mittelfristige EE-Zielerreichung. Jedoch sehen sich viele Betreiber aufgrund des derzeit gesunkenen Strompreisniveaus für 2021 einer großen wirtschaftlichen Herausforderung gegenüber. Sollte sich diese Situation nicht in den nächsten Monaten wieder entspannen und die erzielbaren Großhandelserlöse wieder steigen, so müsste die Politik klären, ob sie bei länger anhaltender Wirtschaftskrise und einem monatelangen Tief der Strompreise für Weiterbetreiber ein überbrückendes Unterstützungs-Angebot machten. Denkbar wäre eine niedrige Anschlussförderung von zwei Cent zusätzlich zum Marktwert, wobei die Erlöse aus dem Strommarkt für den Weiterbetrieb von Wind trotzdem die wichtigste Erlösquelle darstellen werden. Daher müssen Weiterbetreiber die Entwicklung der Energie- und Strommärkte gerade jetzt genau beobachten und analysieren.

Das hier zu lesende Interview ist die Langfassung einer kurzen Stellungnahme von Nicolai Herrmann in der neuen Ausgabe des gedruckten Magazins ERNEUERBARE ENERGIEN, die am 9. April erschienen ist. Dort finden Sie auch die knappe und übersichtliche Zusammenfassung der wichtigsten Nachrichten zu den Sofort-Auswirkungen der Coronapandemie auf die Energiewirtschaft und speziell die Erneuerbaren-Branche. Falls Sie nicht Abonenntin oder Abonnent sind, können Sie die April-Ausgabe hier auch als Einzelheft mit Angabe der Heft-Nummer 03/2020 nachbestellen. Auch die Bestellung eines Probehefts ist möglich, allerdings ohne Anspruch auf Zusendung einer bestimmten Ausgabe.

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