Die CO2-Emissionen müssen sinken. Darum soll sauberer Strom auch in anderen Sektoren in Form von E-Mobilität, Power to Gas etc genutzt werden. Esther Chrischilles, von der Firma Innogy berichtet beim Branchentag Windenergie NRW von einer Synthesestudie, aus der hervor geht, dass es mehr Strom in Wärme und Mobilität geben wird. "Schätzungen gehen von einem Strombedarf von bis zu über 1.000 TWh im Jahr 2050 in allen Bereichen zusammen aus", so Chrischilles. In den über 1000 TWh ist übrigens auch der Strombedarf durch indirekte Elektrifizierung enthalten. Dabei habe aber die Möglichkeit direkter Elektrifizierung ihre Grenzen, etwa was die Speicherbarkeit anbelangt. Gleichzeitig werde man auch nicht für alles Backup-Erzeugungsanlagen haben können. Grenzen der Elektrifizierung zeigen sich zum Beispiel auch beim Flugverkehr. Technologien wie Power to X werden entsprechend einen Platz im künftigen Energiesystem haben.
Wie wird die Energiewende 2.0 aussehen? Folgende Faktoren sind laut Chrischilles Rahmen gebend: Technologieentwicklung, Akzeptanz, Regulatorischer Rahmen: Zum Thema Regulierung stelle die Innogy-Mitarbeiterin fest, dass beim Thema Sektorkopplung eine möglichst hohe Technologieoffenheit geboten ist. Eine Möglichkeit der Lenkung böten Energiesteuern. Zunehmend CO2-ärmerer Strom sollte im Wärmemarkt nicht höher besteuert werden als fossile Brennstoffe. Genau das ist aber derzeit der Fall. Was kann man machen? Man könnte die klassische Energiesteuer schrittweise in eine CO2-Komponente überführen, wie Frankreich es getan hat. Der Nachbar hat mit 30 Euro angefangen. So würde ein Anreiz bestehen Brennstoffe entsprechend ihres CO2-Gehaltes einzusetzen.
"Politisch ist das aber aufgrund von Verteilungswirkungen schwierig durchsetzbar", so Chrischilles. Eine andere wichtige Frage sei die Umfinanzierung der EEG-Kosten: "Sollen diese über die Kilowattstunde abgerechnet werden? Sinnvoller wäre sicherlich diese Kosten den öffentlichen Haushalt zu integrieren. Mehreinnahmen durch eineCO2-Komponente könnten eine teilweise Gegenfinanzierung ermöglichen?"
Das Thema Akzeptanz hob die Referentin besonders hervor: Bei zunehmender Diskussion um Mindestabstände etc. - wie solle man da die 65 Prozent Erneuerbare bis 2030 im Strommix hinkriegen? Mindestabstände würden die Energiewende zudem auch teurer machen, zumal dann überproportional gute Standorte ausgeschlossen würden. Eine effiziente Flächenallokation sähe anders aus. Chrischilles spricht von über 20 Milliarden Euro Mehrkosten würden bundesweit Mindestabstände von 1500 Metern eingeführt. Zu dem Thema meldeten sich auch zahlreiche Zuhörer zu Wort. Betont wurde, wie wichtig es sei, die Bevölkerung möglichst frühzeitig, offen und ehrlich in die Planungen einzubeziehen. Zudem sollten Anwohner beteiligt werden.
Im Anschluss stellte Carsten Junge von dem Windturbinen-Hersteller GE das Projekt Gaildorf vor, wo der Turmfuß von Windkraftanlagen als Pumpspeicherkraftwerk genutzt wird. Für Netzbetreiber sei es interessant, dass die Anlagen eine Frequenzunterstützung liefern. Zudem muss der Betreiber seine Anlagen nicht drosseln, sondern kann Überschussstrom durch den Pumpspeicher nutzen. Er verliert also kein Geld. Die Wassermenge in dem Speicher beträgt 160.000 Kubikmeter, Fallhöhe ist immerhin 200 m. 4,5 Stunden kann der Speicher überbrücken. Junge verriet aber auch, dass es bisher keine weiter Pläne für ähnliche Projekte gebe. Stattdessen arbeitet GE aber an einem Speicher aus flüssigem Salz, wie es auch in der Solarthermie eingesetzt wird.
Heiko Rüppel von der Auricher Enercon GmbH stellte dann die Tankstelle der Zukunft vor. Der Windturbinenhersteller hat kürzlich die erste Prototypen-Ladestation E-Charger 600 in Betrieb genommen. Mit bis zu 600 Kilowatt sind sie leistungsstärker als eine Tesla-Ladestation. Je nach Fahrzeug liefert der Charger die entsprechende Leistung: Beim Pkw sind es 50 kW, 150 kW beim Sprinter und 350 kW beim Lkw. Eine Schaltmatrix sorgt dafür, dass mehrere Einheiten zusammengeschaltet werden. Angst vor der sogenannten Zahnarztsackgasse müssten Netzbetreiber aber nicht haben, so Rüppel. Das sei das Phänomen, wenn in einer Straße lauter Tesla gleichzeitig abends zum Aufladen angeschlossen werden. "Das passiert nicht in Deutschland, wir bringen nicht viel auf die Straße, erstmal beliefern wir das Luxussegment." China werde den deutschen Autobauern aber einheizen. Er verweist auch auf die Firma Magna in Graz, die den I-Pace Jaguar baut.
Zum Thema Busse sagt Rüppel, Stadtwerke würden hier anfangen umzudenken. Man brauche keine hohen Batteriekapazitäten, wenn man viel nachladen könne. "Im Nutzfahrzeugbereich wird die Entwicklung viel schneller gehen." Er betont: "Wir wollen nicht die Ladesäulen verkaufen. Mir geht es um das ganze System. Wir bieten mehr als andere Hersteller, ich möchte den Ladepark der Zukunft aufbauen - gleich auch mit WLan-Hotspot.
(Nicole Weinhold)