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Aus unserem Magazin

Strom statt Radau

In einer Gesellschaft, die immer mobiler wird, ist es laut. Menschen fahren zur Arbeit, zu Verabredungen oder zum Einkaufen. Anwohner leiden indes stark unter der Lärmbelastung, die der Straßenverkehr mit sich bringt. Um das Geräuschaufkommen einzudämmen, werden oft Schutzmaßnahmen getroffen, so auch in Neuötting.

Die Gemeinde errichtete im vergangenen Jahr eine Lärmschutzanlage an einer stark befahrenen Landesstraße – teilfinanziert durch eine Energiegenossenschaft und ausgerüstet als Photovoltaikanlage. Die vorhandene Fläche entlang der Staatsstraße 2550 bot Platz für eine fünf Meter hohe Lärmschutzwand.

Da sich Photovoltaik (PV) hier bestens inte­grieren lässt, entschied sich die Gemeinde für einen Lärmschutz mit Sonnenstrom. Dafür ging sie eine Partnerschaft mit der R. Kohlhauer GmbH ein, einem Unternehmen für Lärmschutzkonzepte an Verkehrswegen. Sie kombiniert bereits seit über 20 Jahren Lärmschutz und Photovoltaik und gilt hier als einer der Pioniere. Vor rund fünf Jahren entwickelte die Firma zudem ein Konzept, das Solarmodule in die Lärmschutzwand integriert. Dadurch lassen sich die Bauelemente mitsamt der Verkabelung im Werk vormontieren. Auf der Baustelle werden sie lediglich installiert. Die PV-Anlagenbauer setzen die Module nur noch in die vorhandenen Haltevorrichtungen der Lärmschutzwand ein und schließen sie an.

„Nachdem die kristallinen Solarzellen in den vergangenen Jahren immer günstiger geworden sind, beschloss ich, sie in die Wände zu integrieren, um so eine Standardlösung zu entwickeln, die sich auf alle Flächen anwenden lässt“, erzählt Geschäftsführer Reinhard Kohlhauer. Die Module lassen sich zudem bei einer Beschädigung austauschen, was die Wartungskosten klein hält.

Im nächsten Schritt musste die Gemeinde erkennen, dass die Photovoltaikanlage zu teuer für sie geworden wäre. Zudem fehlte jegliches Fachwissen für Betrieb und Wartung. Aus diesem Grund vergab sie die PV-Zone an die Energiegenossenschaft Inn-Salzach in Form einer Teilfinanzierung der Lärmschutzwand. Die Genossenschaft wurde damit Betreiberin der Anlage.

Zur Planung und Installation der PV-Anlage benötigte der Fachspezialist im Lärmschutzbau Unterstützung von der Max Solar GmbH, die in Zukunft auch für Wartung und Überwachung der Anlage zuständig ist. Die beiden Firmen haben das PV-integrierte Element gemeinsam entworfen und den Prototyp anschließend weiterentwickelt.

Den Bau der 234 Meter langen Lärmschutzwand noch ohne die PV-Module führte die Beck Lärmschutz GmbH aus. Der erwartete Jahresertrag der PV-Anlage mit 65 Kilowatt (kW) liegt nach den Berechnungen von Max Solar bei rund 55.000 Kilowattstunden (kWh).

Die Nutzung der Lärmschutzwand durch die Energiegenossenschaft Inn-Salzach ist in Form eines Gestattungsvertrags mit der Gemeinde geregelt. Entgelte für die Nutzung fallen für die Genossenschaft nicht an. Dafür hat sie die Kosten für den oberen Teil der Lärmschutzwand übernommen.

Zahlreiche Hindernisse

Trotz der vielen Vorteile, die die Kombination Lärmschutz und Photovoltaik mit sich bringt, ist die Nachfrage nach diesem Nutzungsmodell der PV bundesweit bislang überschaubar. Kohlhauer sagt, der Anteil der Lärmschutzwände mit inte­grierter Photovoltaik liege bei unter einem Prozent aller Aufträge, die er bekomme. „Letztlich gibt es verschiedene Einflüsse“, antwortet er auf die Frage nach der Ursache für das geringe Aufkommen. „Das sind oft sehr lange Prozesse, die hier zu durch­laufen sind“, erklärt Björn Hemmann, Sachverständiger bei der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS), Landesverband Franken. „Von Umwelteinflüssen wie Reflexion durch die Anlagen über Netz­anschlussbedingungen bis hin zu Abnahme- und Vergütungsmöglichkeiten ist einiges zu beachten.“

Auch das EEG wirkt sich auf die Umsetzung der Projekte aus. Ab 2017 müssen Betreiber von Photo­voltaikanlagen mit mehr als 750 Kilowatt Leistung an Ausschreibungen der Bundesnetzagentur teilnehmen, wenn der Strom zu einem festen Tarif über mehrere Jahre vergütet werden soll. Bei den Ausschreibungen erhalten nur diejenigen einen Zuschlag, die ihre Anlage mit möglichst niedrigen Kosten wirtschaftlich betreiben können. PV-Lärmschutzprojekte haben da schlechte Karten.

Alternative zum Investorenmodell

Unter dem Aspekt der Eigenversorgung ortsnaher Verbraucher sind lärmschutzintegrierte Photo­voltaikanlagen dagegen schon interessant. In Neu­ötting wird so beispielsweise der Neubau der Mon­tessori-Schule mit Strom von der Lärmschutzwand versorgt: „Circa 60 Prozent werden direkt bei der Erzeugung verbraucht, während der Überschuss ins Netz eingespeist wird. Dafür bekommt man eine feste Vergütung“, erklärt Christoph Strasser, Vertriebsleiter bei Max Solar. Die Rentabilität der Anlage steigt, sobald Verbraucher versorgt werden.

Das Projekt kommt jedenfalls gut an. So erzählt Strasser: „Wir haben Anfragen von Kommunen erhalten, die ähnliche Projekte planen und es angenehm finden, dass man Lärmschutz und erneuerbare Energien in Wohngebiete integrieren kann, ohne dass es zu möglichen Bürgerprotesten kommt.“

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(Maria Dahl)