Nach einem klaren und verlässlichen Rahmen sehnen sich viele erneuerbare Energieträger. Die am 24.07.2024 beschlossene Importstrategie für Wasserstoff und Wasserstoffderivate hat die Aufgabe die Rahmenbedingungen zu schaffen. Der Beschluss soll als wesentlicher Pfeiler der deutschen Wasserstoffpolitik die nationale Wasserstoffstrategie unterstützen. Die Bundesregierung geht von einem nationalen Bedarf an Wasserstoff und dessen Derivaten in Höhe von 95 bis 130 Terawattstunden (TWh) in 2030 aus. Dabei müssen voraussichtlich rund 50 bis 70 Prozent (45 bis 90 TWh) aus dem Ausland importiert werden. Es sei davon auszugehen, dass der Importanteil nach 2030 weiter steigt. Nach ersten Einschätzungen könnte sich der Bedarf bis zum Jahr 2045 auf 360 bis 500 TWh an Wasserstoff sowie etwa 200 TWh an Wasserstoffderivaten erhöhen.
„Sie sendet ein klares Signal an unsere Partner im Ausland: Deutschland erwartet im Inland eine große und stabile Nachfrage nach Wasserstoff und Derivaten und ist ein verlässlicher Partner und Zielmarkt für Wasserstoffprodukte. Damit schafft die Importstrategie Investitionssicherheit für die Wasserstoffproduktion in Partnerländern, den Aufbau notwendiger Importinfrastruktur und für die deutsche Industrie als Abnehmer“, erklärt Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck.
Ziele der Importstrategie
- Sicherstellung einer nachhaltigen, stabilen, sicheren und diversifizierten Versorgung mit ausreichend Wasserstoff und Wasserstoffderivaten, um die Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft zu gewährleisten und die nationalen Klimaschutzziele einzuhalten.
- Erreichen einer zuverlässigen Versorgung mit grünem, auf Dauer nachhaltigem Wasserstoff und seinen Derivaten. Um den notwendigen raschen Wasserstoffhochlauf zu ermöglichen, bezieht die Importstrategie auch kohlenstoffarmen Wasserstoff und seine Derivate in die Bedarfsdeckung mit ein.
- Die Bundesregierung unterstützt für den Import von Wasserstoff eine diversifizierte Produktpalette. Neben molekularem (das heißt gasförmigem oder flüssigem, nicht in Derivaten gebundenen) Wasserstoff kommen diverse Wasserstoffderivate (wie zum Beispiel Ammoniak, Methanol, Naphtha, strombasierte Kraftstoffe) und Trägermedien (zum Beispiel LOHC) in Frage.
- Die Bundesregierung verfolgt den parallelen Aufbau von Importinfrastrukturen für Pipeline- und Schiffstransporte. Für Transporte per Schiff, Schiene oder Straße kommen vor allem Wasserstoffderivate, Trägermedien und Folgeprodukte in Frage. Der Schiffstransport ermöglicht Wasserstoffimporte aus Regionen, die aus technischen und ökonomischen Gründen nicht per Pipeline angebunden werden können.
- Neben enger Kooperation mit europäischen Partnern zu regulatorischen Fragen, Erzeugungspotentialen und Infrastruktur, arbeitet die Bundesregierung auch international mit einer Vielzahl an Partnerländern, -regionen und Akteuren zusammen. Ziel ist, die Lieferquellen möglichst breit zu diversifizieren. Dazu kooperiert das Bundesministerium im Rahmen der mehr als 30 Klima- und Energiepartnerschaften und Energiedialoge. Zudem wurden in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Partnerländern explizite H2-Abkommen geschlossen.
Kritik an Zulassung von blauem Wasserstoff und CCS
Der Verein deutscher Ingenieure (VDI) begrüßt, dass mit der Importstrategie wichtige Signale an Industrie und die zukünftigen Partnerländer gesendet werden. Damit diese erfolgreich in die Praxis übergehen kann brauche es jedoch ein einheitliches Zertifizierungssystem für international verbindliche Qualitätsstandards. Normen und Standards wie ISO-Standards, aber auch VDI-Richtlinien würden hierfür einen wichtigen Beitrag leisten. Zudem müsse die Realisierung eines H2-Kernnetztes, inklusive Speichern und weiterer Infrastruktur zügig aufgebaut werden. Dennoch sei wichtig, dass eine Wasserstoff-Importstrategie die Binnenproduktion nicht überschattet. „Die Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland ist ein wichtiger Baustein für die Wertschöpfung vor Ort“, betont der VDI-Direktor Adrian Willig.
Deutlichen Nachbesserungsbedarf sehen dagegen Umweltorganisationen, die die Zulassung von blauen Wasserstoff mit CCS (Carbon Capture and Storage) Unterstützung kritisieren. „Wer die Klimakrise aufhalten will, darf nicht mit Wasserstoff aus Erdgas planen. In einem zukunftsfähigen Energiesystem haben fossile Brennstoffe keinen Platz. Blauer Wasserstoff bedeutet Erdgas mit CCS. Dabei ist die CO2-Speicherung unwirtschaftlich und nicht ausreichend erprobt. Fossile Unternehmen können damit zu lange an ihrem klimaschädlichen Geschäft mit Gas festhalten“, sagt Greenpeace Energieexpertin Mira Jäger. Zudem brauche es strikte soziale und ökologische Kriterien, damit die Energiewende in den Partnerländern nicht ausgebremst werde. „Wasser- und Flächenverbrauch dürfen sich nicht negativ auf die lokale Bevölkerung auswirken. Die überdimensionierten Importmengen, die sich die Bundesregierung hier erträumt, sind damit nicht vereinbar“, kritisiert Jäger.
Auch der WWF Deutschland fordert eindeutige Nachhaltigkeitskriterien: „Es ist ein großes Versäumnis, dass die Importstrategie keine klaren Nachhaltigkeitskriterien für Wasserstoff benennt. Bereits in der 2023 überarbeiteten Nationalen Wasserstoffstrategie hat die Bundesregierung selbst deutlich gemacht, dass ambitionierte und möglichst einheitliche Nachhaltigkeitsstandards und Zertifizierungssysteme zwingend notwendig sind. Dazu braucht es schnell klare und partizipativ erarbeitete Leitlinien“, sagt Viviane Raddatz, Klima-Chefin des WWF Deutschland. Diese Kriterien sollten gemeinsam mit den relevanten Akteursgruppen in Deutschland und den Partnerländern ausgearbeitet werden. Dadurch würde auch die Wirtschaftlichkeit erhöht werden, da Projektentwickler und Finanzierer eine erhöhte Investitionssicherheit und niedrigere Projektrisiken erhalten würden.