Ob grau, blau, türkis, pink oder gelb: Die Farben von Wasserstoff sind vielfältig. Dabei ist das Gas doch eigentlich farblos. Die Bezeichnungen beziehen sich daher auch nicht auf die optische Erscheinung, sondern es geht dabei um Herstellungs- und Gewinnungsmethoden von H2. Diese unterscheiden sich insbesondere darin, mithilfe welches Energieträgers Wasserstoff gewonnen wird. Grüner Wasserstoff entsteht, wenn für die Elektrolyse erneuerbare Energien eingesetzt werden. Lange war unklar, was genau unter den Begriff fällt. Zählen auch regenerative Energien dazu, bei denen dennoch CO2 freigesetzt wird, und braucht es wirklich 100 Prozent grüne Energien, damit auch der entstandene Wasserstoff grün ist? Damit klar erkenntlich ist, was dazuzählt, definierte die EU-Energiekommission im vergangenen Jahr einheitliche Vorgaben, die nun auch von der Bundesregierung beschlossen wurden. Wann also gilt Wasserstoff als grün?
Alles außer Bio
Klare Vorschriften und ein zuverlässiges Zertifizierungssystem sind nach Aussage der Energiekommissarin der Europäischen Union Kadri Simson geschaffen worden, als im Februar 2023 die EU die Definition für grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien bekannt gab. „Diese delegierten Rechtsakte bieten Investoren die dringend benötigte Rechtssicherheit und werden die Führungsrolle der EU-Industrie in diesem grünen Sektor weiter stärken“, sagte die estnische Politikerin.
Rund zehn Monate später hat auch die Bundesregierung einheitliche Vorschriften für die Herstellung von grünem Wasserstoff beschlossen und setzt europarechtliche Vorgaben zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) um. Mit der Novelle der 37. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (37. BImSchV) definiert der Gesetzgeber erstmals genau, unter welchen Bedingungen der Strom zur Herstellung von E-Fuels und anderen synthetischen Kraftstoffen als vollständig erneuerbar und der mit diesem Strom erzeugte H2 als grün gelten dürfen.
Nach diesem Beschluss darf Wasserstoff nur dann als grün bezeichnet werden, wenn der bei seiner Herstellung eingesetzte Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien nichtbiogenen Ursprungs stammt. Damit ist die Produktion von Wasserstoff mit allen Arten erneuerbarer Energien möglich bis auf die dadurch ausgeschlossene Bioenergie.
Außerdem muss der CO2-Ausstoß der gesamten Produktion durch die Nutzung von grünem Wasserstoff um mindestens 70 Prozent gesenkt werden. Dabei berücksichtigt die Bundesregierung die Emissionen über die gesamte Lieferkette. Somit muss unter anderem für den Transport des grünen Wasserstoffs der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß gesenkt werden. Diese Anforderungen gelten ebenso für die Produktion von mit grünem Wasserstoff erzeugten E-Fuels für Straßenfahrzeuge und weitere erneuerbare Kraftstoffe nicht-biogenen Ursprungs (RFNBOs – Renewable fuels of non-biological origin).
Welcher Faktor ist der richtige?
Eine weitere Neuerung der Novelle des 37. BImSchV ist die Anrechenbarkeit der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) von RFNBOs. Die THG-Quote verpflichtet die Kraftstoffhersteller in Deutschland per Gesetz dazu, einen wachsenden Anteil ihrer Produkte klimaneutral herzustellen. Für das Erreichen der THG-Quote können sich die Unternehmen unterschiedliche Produkte anrechnen lassen. Eine Erfüllungsoption sind RFNBOs sowie der Einsatz von grünem Wasserstoff in Raffinerien, die herkömmliche fossile Kraftstoffe produzieren. Weitere Optionen zur Erfüllung sind Agrokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermitteln, fortschrittliche Biokraftstoffe aus Abfällen und Reststoffen (zum Beispiel Stroh und Gülle) und Strom. Bislang war nur die zweifache Anrechnung von erneuerbaren Kraftstoffen möglich. Nun erhöht sich die Anrechenbarkeit auf den Faktor 3.
Die Bundesregierung geht aufgrund der unterschiedlichen Bereitstellungskosten der verschiedenen Anrechnungsoptionen davon aus, dass die erneuerbaren Kraftstoffe zunächst vor allem in Form von grünem Wasserstoff in Raffinerien verwendet werden. Abschließend führt die Novelle ein neues System zur Nachweisführung ein. Dieses prüft die Erfüllung der Anforderungen bei Herstellung und Lieferung von erneuerbaren Kraftstoffen nichtbiogenen Ursprungs auf Basis der Zertifizierung aller relevanten Wirtschaftsteilnehmer. Um das möglich zu machen, führt das Umweltbundesamt ein Register der Kraftstoffe sowie eine elektronische Datenbank ein.
Wirtschaftlichkeit braucht Maßnahmen
Der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV) begrüßt die im Kabinett beschlossene Novellierung der 37. BImSchV: „Mit der nun anstehenden Umsetzung des Kabinettsbeschlusses im parlamentarischen Verfahren schafft die Bundesregierung – mit großer zeitlicher Verzögerung – die notwendige Rechtssicherheit für Investitionen in grüne Wasserstoffprojekte zur Kraftstoffproduktion“, äußert sich der Vorstandsvorsitzende des DWV Werner Diwald. Kritisch sieht der Verband jedoch den anhaltenden Preisverfall der THG-Quoten-Preise seit Frühjahr 2023. Lag der Quotenpreis für eine Tonne CO2 im Januar 2023 noch bei rund 400 Euro, sank der Wert über das Jahr stetig bis auf einen Betrag von rund 130 Euro im Dezember. Diese Entwicklung stelle für die Wirtschaftlichkeit von Wasserstoffprojekten im Raffineriebereich ein großes Problem dar. Wenn die erneuerbaren Kraftstoffe nichtbiogenen Ursprungs also erfolgreich in den Markt eingeführt werden sollen, seien über den Kabinettsbeschluss hinausreichende regulatorische Maßnahmen erforderlich.
Der DWV fordert als Sofortmaßnahme eine Anhebung des Anrechnungsfaktors für grünen Wasserstoff von 3 auf 4. Der aktuell beschlossene Faktor 3 wurde laut Bundesministerium nach „umfangreicher Analyse zu den prognostizierten Herstellungskosten“ ermittelt. Die Analyse wurde jedoch damals, Anfang 2023, im Kontext eines THG-Quoten-Preises von 300 bis 350 Euro pro Tonne CO2 und des damaligen Strompreises für erneuerbare Energien durchgeführt.
Der THG-Quoten-Preis hat jedoch seinen Wert geändert. Er hält sich aktuell nach starkem Fall recht konstant bei 130 Euro pro Tonne CO2. „Aufgrund der enormen Änderungen dieser wichtigen Kontextfaktoren zum Nachteil der Wirtschaftlichkeit von Wasserstoffprojekten ist aus Sicht des DWV eine Anpassung des Anrechnungsfaktors erforderlich“, sagt Werner Diwald.
Damit solche Faktoren jedoch nicht wechselhaft sind, brauche es mit der Neufassung des Immissionsschutzgesetzes vor allem langfristige Rechtssicherheit für die Anrechnung auf die verpflichtenden Klimaziele der Raffinerien. „Nur so sind die Unternehmen in der Lage, die notwendigen Investitionsentscheidungen für die Elektrolyseanlagen und die zugehörige Infrastruktur zu treffen. Aus Sicht des DWV ist eine Festsetzung für mindestens 20 Betriebsjahre der jeweiligen Anlage notwendig“, fordert der Verband.
Produktionskapazitäten erweitern
„Die Novellierung der 37. BImSchV ist ein erster wichtiger Schritt für den wasserstoffbasierten Kraftstoffsektor“, bekräftigt der Wasserstoff-Verband. Jedoch sind weitere Anpassungsmaßnahmen notwendig, damit die Produktion für erneuerbare Kraftstoffe nichtbiogenen Ursprungs im Sinne der Ziele der Bundesregierung vorangetrieben werden kann. Um in die richtige Richtung zu wirken, schlägt der DWV ein spezifisches Marktfenster für RFNBOs vor, welches durch die Bundesregierung gesetzt werden soll.
Dieses könnte beispielsweise durch die Einführung einer Unterquote zur Verwendung von grünem Wasserstoff bei der Erfüllung der Verpflichtungen umgesetzt werden. Eine Unterquote zwingt Verpflichtete dazu, einen bestimmten Anteil der erneuerbaren Kraftstoffe zu verwenden. Nach dem Verband würde das die Verwendung von grünem Wasserstoff steigern. Innerhalb des von der Bundesregierung berufenen Wasserstoffrats gibt es zur Einführung einer Unterquote verschiedene Auffassungen. Eine Gruppe von Mitgliedern empfehle eine gemeinsame Unterquote für Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe von mindestens 7,6 Prozent im Jahr 2030. Bis 2026 solle eine Mindestquote von einem Prozent energetisch für Wasserstoff und wasserstoffbasierte Kraftstoffe erreicht worden sein.
Dabei sind jedoch auch die Ziele der Europäischen Union zu beachten. Schätzungen der Europäischen Kommission zufolge werden etwa 500 Terawattstunden Strom aus erneuerbaren Quellen benötigt, um das für 2030 gesetzte Ziel einer Erzeugung von zehn Millionen Tonnen RFNBOs zu erreichen. Dieser Wert entspricht rund 14 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in der EU. Für diese Summe soll vor allem der stark steigende Einsatz großmaßstäblicher Elektrolyseure verantwortlich sein.