Bei der Vorlage der Jahresbilanz für 2021 hat das Hamburger Ökoenergieunternehmen Lichtblick am Mittwoch einen Strategiewechsel angekündigt. „Wir entwickeln Lichtblick vom Energiehändler zu einem vertikal integrierten Energieunternehmen. Bis 2026 wollen wir 45 Prozent unseres Gewinnes in neuen Geschäftsfeldern erzielen“, sagte Geschäftsführer Constantin Eis bei der Vorstellung des Geschäftsberichts in Hamburg. Ein Fokus des Unternehmens liege „dabei auf der grünen Stromproduktion“, teilte das Unternehmen in einer Mitteilung nach der Präsentation der Jahreszahlen zudem mit. Es werde dafür gemeinsam mit dem niederländischen Mutterkonzern Eneco in den kommenden fünf Jahre 500 Millionen Euro in eigene deutsche Wind- und Solarparks investieren. Lichtblick plane, dadurch 2026 bereits eine Grünstromerzeugungskapazität von bis zu einem Gigawatt (GW) in Deutschland zu betreiben.
Noch ist der Ökostromvertrieb das Hauptgeschäft der Hamburger. Allerdings begann Lichtblick 2021 auch mehrjährige Stromlieferverträge abzuschließen, um sich eigene Grünstromvolumen vor allem aus nach 20 Jahren Betriebszeit gesetzlich nicht mehr geförderten Altwindparks zu sichern. Nach Abschluss solcher Lieferverträge, im branchenüblichen Wirtschaftsenglisch Power Purchase Agreements (PPA) genannt, erhält Lichtblick zur Kundenversorgung inzwischen den PPA-Strom aus 116 Windparks und 8 Photovoltaik-Feldern. Zuletzt hatte Lichtblick 2021 eine große Liefervereinbarung für eine hohe Anzahl von Altwindparks mit dem Direktstromhandelsunternehmen Quadra Energy abgeschlossen, das zu diesem Zweck viele auch verstreut errichtete Altanlagen in Einzelbesitz oder von kleinen Betreibergesellschaften im Auftrag der Betreiber für die PPA-Vermarktung zu Windpools bündelt. Mit den PPA sichert sich der Ökostromversorger Lichtblick nicht nur Strom zu gemäßigten, vor allem verlässlich stabilen Preisen, sondern auch die Glaubwürdigkeit – nämlich den Kunden echten Ökostrom aus realen deutschen Anlagen zu liefern.
Und dieses Geschäft lässt Lichtblick nach einem schon starken Umsatz-, Gewinn- und auch Kundenwachstum im Jahr 2020 auch für 2021 eine positive Bilanz ziehen – bei einer zunächst stabilisierten Kundenzahl. So blieb „die Zahl der Energieverträge mit Haushalten und Unternehmen … mit rund einer Million stabil“, teilte das Unternehmen nun mit, nachdem es 2020 einen Kundenzuwachs um das Doppelte verzeichnet hatte. Der Umsatz stieg leicht von 1,11 auf 1,14 Milliarden Euro. Der Gewinn vor Steuern und Abgaben aus dem Kerngeschäft (das sogenannte Ebitda) lag bei 60 Millionen Euro nach einem Ebitda aus dem Jahr davor von 47 Millionen Euro).
Die neue Ankündigung für die Investitionen in eigene Grünstromerzeugungskapazitäten ist nach Angaben aus dem Unternehmen auch als Weiterentwicklung der Strategie infolge der stufenweisen Integration von Lichtblick in den niederländischen Stadtwerke-Energiekonzern Eneco seit 2017 zu verstehen. Überlegungen zu Investitionen bei Lichtblick hätten konzernintern bereits früh nach dem Einstieg Enecos existiert, deutet Lichtblick-Pressesprecher Ralph Kampwirth auf Nachfrage von ERNEUERBARE ENERGIEN an. Doch erst Recht nach dem Verkauf wiederum Enecos an ein japanisches Konsortium im Jahr 2020 durch die niederländischen kommunalen Unternehmen gerate Deutschland als Wachstumsmarkt für den gesamten Konzern mehr in den Blickwinkel. In diesem soll Lichtblick daher nun offenbar eine wichtigere Rolle spielen. Nachdem sich die Hamburger in früheren Jahren eher auf die Marktintegration des Grünstroms beispielsweise durch Schwarmstromprodukte konzentriert habe, richte sich nun der Blick mehr auf das Betreibersegment.
Zunächst dürfte Lichtblick vor allem Kapazitäten der Photovoltaik (PV) aufbauen, deutete Kampwirth mit Verweis auch auf das eigene Joint-Venture-Unternehmen Solarblick an. Lichtblick, Eneco und das Projektentwicklungsunternehmen Eventus hatten es vor gut einem Jahr gegründet. Es gehe beim schnellen Aufbau eigener Grünstromerzeugungskapazitäten auch um die „Opportunität“, auf welche Weise diese sich schnell und kostengünstig beschaffen ließen. Solarblick bringe bereits ein Portfolio von PV-Freiflächenprojekten mit einer Kapazität in dreistelliger Megawatt-Zahl ein. Doch auch der Kauf bestehender Windenergie- oder PV-Anlagenparks sei denkbar. Angesichts der Expertise des niederländischen Konzerns Eneco, der große eigene Erneuerbare-Energien-Kapazitäten einschließlich Offshore-Windparks in den Niederlanden und Belgien betreibt, sei sogar Meereswindstrom perspektivisch ein Thema.
Aber auch im historischen Lichtblick-Geschäftsfeld Integration von grüner Energie wollen die Hamburger weiter investieren. Im neuen Geschäftsfeld „Energy as a Service“ sollen Immobilien besitzende Kunden alle Erneuerbare-Energien-Haustechnologien durch Lichtblick aus einer Hand „geliefert, installiert und vernetzt“ bekommen, teilte das Unternehmen mit. Für die Kundenversorgung der sogenannten Prosumer, also Ökoenergie liefernde und zugleich beziehende Hausbesitzer, umfasst das Angebot demnach „Solar, Speicher, Mobilitätslösungen, Ökostrom und Energiedienstleistungen“ und neuerdings auch Wärmepumpen. Für die bessere Marktintegration wolle Lichtblick „bis 2026 rund 25.000 Ein- und Zweifamilienhäuser zu einem virtuellen Kraftwerk vernetzen, das lokal die Energie- und CO2-Bilanz optimiert und überschüssigen Strom an der Börse vermarktet“.