Die Wesermarsch im Nordwesten Deutschlands ist eine unaufgeregte Landschaft. Weiden, Kühe, Windräder, kleine Orte, Bauernhöfe. Unter der Erde jedoch bietet die Wesermarsch etwas, das sie zu einem wichtigen Teil der Energiewende werden lassen könnte: Salzkavernen.
Denn in diesen künstlichen Hohlräumen, entstanden durch Salzausspülungen, kann Gas gespeichert werden, Erdgas, Wasserstoff oder auch einfach nur Luft. Und dies ist noch eine Besonderheit der Wesermarsch: In Huntorf befindet sich Europas einziges Druckluftenergie-Speicherkraftwerk, auf Englisch: Compressed Air Energy Storage (CAES).
1978 ging das Kraftwerk in Betrieb, um den seinerzeit überschüssigen und damit günstigen Nachtstrom aus dem nahe gelegenen Atomkraftwerk Esenshamm zu speichern. Dafür wird der Strom über einen Verdichter in Druckluft aus der Umgebungsluft umgewandelt, die dann in zwei Salzkavernen, 310.000 Kubikmeter groß, eingespeichert wird. 320 Megawatt (MW) kann die Anlage maximal aufnehmen. Bei der Entnahme wird die Luft wieder entspannt und treibt einen Generator an, der Strom ins Netz einspeist. „Bei vollständig gefüllten Druckluftkavernen kann die Anlage eine Energiemenge von knapp 2.100 Megawattstunden über einen Zeitraum von acht Stunden ins Stromnetz abgeben“, sagt Uwe Krüger, Manager CAES & Huntorf R&D bei der Uniper Energy Storage GmbH, die die Anlage betreibt.
Was kann CAES?
„Die CAES-Technologie adressiert die Speicherung elektrischer Energie über eine Speicherdauer von einigen Stunden bis hin zu wenigen Wochen“, erklärt Marcus Budt, Abteilungsleiter Energieanlagen beim Fraunhofer Umsicht. Sie sei in ihrer Anwendung vergleichbar mit der Technologie der Pumpspeicherkraftwerke. „Diesen gegenüber haben CAES den Vorteil, dass weder geografische Höhenunterschiede noch große Mengen an Wasser erforderlich sind und zudem der sichtbare Eingriff in die Landschaft minimal ist.“
Die Anlage in Huntorf werde aktuell auch im kurzfristigen Strommarkt sowie im Regelenergiemarkt eingesetzt, liefere Blindleistung und könne nach einem Netzausfall den nötigen Strom für das Wiederhochfahren bereitstellen, erläutert Uwe Krüger. Möglich wird dies, weil sie flexibler die Pumpspeicher zwischen den verschiedenen Nutzungszuständen umschalten kann und daher in der Lage ist, bestimmte Systemdienstleistungen für die Netzstabilität zur Verfügung zu stellen. Zudem sei die ober- und untertägige Technologie ausgereift und die erforderlichen Anlagenteile am Markt verfügbar, betont Krüger: „CAES-Salzkavernenkraftwerke sind eine der wenigen Technologien, die bereits heute zur Speicherung von großen Strommengen im Bereich von Gigawattstunden zur Verfügung stehen.“
Erst jetzt erwacht das Interesse
Doch noch konnte sich CAES nicht wirklich durchsetzen, derzeit gibt es weltweit drei Anlagen (siehe Kasten links). In Krügers Augen gibt es dafür vor allem zwei Gründe: einerseits die über einen langen Zeitraum bestehenden niedrigen Strompreise aufgrund der Überversorgung aus konventionellen Kraftwerken. Andererseits die fehlende Berücksichtigung der erforderlichen großtechnischen Speicherkapazität im bisherigen Verlauf der deutschen Energiewende, wodurch Unsicherheiten für Investitionen auftraten und Anreize fehlten. Daher bewertet auch Uniper neue Investitionen vorerst zurückhaltend, schließlich geht es um Summen in dreistelliger Millionenhöhe. Es sei derzeit schwierig, den Energiemarkt der Zukunft mit hinreichender Sicherheit zu prognostizieren, so Krüger. Grundsätzlich aber könnten Anlagen dieser Technologie bei vorhandenen Kavernen kurzfristig errichtet werden.
Und diese Kavernen gibt es im Nordwesten, genauso wie Windstrom, reichlich. Marcus Budt sieht daher große Möglichkeiten: „Gerade das große Standortpotenzial im Norden Deutschlands und damit die räumliche Nähe zum Schwerpunkt der deutschen Windenergieerzeugung macht CAES zu einer spannenden Technologie für das Gelingen der Energiewende.“ Deshalb bleibe die Technik auch für die Forschung interessant, so Budt.
CAES-Salzkavernenkraftwerke sind eine der wenigen Technologien, die bereits heute zur Speicherung von großen Strommengen im Bereich von Gigawattstunden zur Verfügung stehen.
Geforscht wird auch in Huntorf. Dort handelt es sich um eine diabate CAES-Anlage. Das heißt, dass sie die Wärme, die bei der Druckluftverstromung zugeführt werden muss, aus Erdgas bezieht (siehe Kasten). Wie dabei künftig Wasserstoff zum Einsatz kommen kann, untersucht das Forschungsprojekt „H₂-ReNoWe“ (Wasserstoffregion Nord-West-Niedersachsen), an dem neben dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auch die TU Clausthal und Uniper beteiligt sind. „Seitens des DLR erstellen wir Stromnetzsimulationen und analysieren, wie sich mithilfe des Kraftwerks lokale Netzengpässe verhindern lassen“, sagt Projektkoordinatorin Dorothee Peters vom Institut für Vernetzte Energiesysteme. „Zusätzlich untersuchen wir mit allen Projektbeteiligten die benötigten Komponenten wie Wasserstofferzeugung, -speicherung und -verbrennung. Daraus erarbeiten wir ein Gesamtkonzept für einen emissionsfreien und wirtschaftlichen Betrieb in Huntorf.“ So könnte ein Elektrolyseur direkt am Kraftwerk dann für die Wasserstofferzeugung sorgen, wenn zu viel grüner Strom im Netz ist. Dieser Wasserstoff, der in einer umgerüsteten Kaverne gespeichert werden kann, ersetzt das Erdgas bei der Wiederverstromung der Druckluft. Gleichzeitig entwickeln die Wissenschaftler:innen Geschäftsmodelle: Welche Netzdienstleistungen können angeboten werden? Sind Stromlieferverträge eine Option? Rechnet es sich, wenn der Wasserstoff nicht nur als Brennstoff für das Kraftwerk, sondern auch als langfristiger Energiespeicher dient?
Uniper unternimmt bereits konkrete Schritte: Eine Kooperation zwischen dem Betreiber und dem Energieversorger EWE hat das Ziel, in Huntorf einen Wasserstoffhub mit einer Kapazität bis zu 300 MW für dort erzeugten grünen Wasserstoff aufzubauen. Mitte des Jahrzehnts könnten erste Wasserstoffkunden versorgt werden. „Die Druckluftspeicheranlage Huntorf war ein wesentliches Argument für die Auswahl des Standortes für das gemeinsame Projekt und ermöglicht erhebliche Synergien und langfristige weitere Nutzungsmöglichkeiten für die Wasserstoffinfrastruktur“, so Krüger.
Was ist CAES?
Grundsätzlich werden bei der Technologie der Compressed Air Energy Storage (CAES) zwei Speicherkonzepte unterschieden: diabate und adiabate Druckluftspeicher:
1. Bei diabaten Druckluftspeicheranlagen wird die Speicherluft beim Entladen der Speicherkavernen erhitzt, wofür heute in der Regel Erdgas Verwendung findet und künftig grüner Wasserstoff eingesetzt werden könnte. Die Heißluft wird danach in einer Turbine entspannt, die einen Generator antreibt, der elektrischen Strom erzeugt. Derzeit gibt es drei Großanlagen: Huntorf bei Oldenburg (siehe unten), McIntosh/ Alabama (USA, 1991, 110 Megawatt (MW)) und eine Neuanlage in China (60 MW). Vor allem China verfolgt ehrgeizige Ausbaupläne. Laut einem Bericht der Asia Times will das Land 2030 über fast 44 Gigawatt CAES-Leitung verfügen.
2. Adiabate Druckluftspeicheranlagen speichern die Abwärme, die während der Luftverdichtung beim Einspeichern in den Kavernen entsteht, um die Druckluft beim Ausspeichern vor der Entspannung in der Turbine aufzuheizen. Somit ist kein Brennstoff erforderlich. Adiabate CAES befindet sich derzeit im Übergang von der Forschung hin zu größeren Pilotanlagen. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Entwicklung geeigneter Wärmespeicher und verbessertem Anlagendesign.