Jamal El Mallouki , Geschäftsführer des technischer Finanzdienstleisters Leih-Deiner-Stadt-Geld GmbH mit Sitz in Mainz, erklärt, wie die Anleihe zu bewerten ist. Er weist darauf hin, dass Bürger bei einer Insolvenz von Tennet erst nach allen vorrangigen Gläubigern, aber noch vor den Gesellschaftern ausgezahlt werden. Das liegt in der Natur der Bürgeranleihe, die als eigenkapitalnahes Fremdkapital, sogenanntes Hybridkapital ausgelegt ist. Sie wird zwar wie ein Kredit als Fremdkapital klassifiziert, besitzt aber Eigenschaften von Eigenkapital.
El Mallouki gibt zu bedenken, dass Tennet nie behauptet hat, die Bürger könnten sich am Eigenkapital beteiligen. Er hält es für fraglich, ob eine direkt Beteiligung vorzuziehen ist, zumal die Mitwirkungsmöglichkeiten sich in Grenzen halten. "Mit der Position des Gesellschafters ginge außerdem ein höheres Risiko einher, da diese noch nach den Inhabern der nachrangigen Teilschuldverschreibung bedient wird." Zudem betreibe der Netzbetreiber umfangreiche Aufklärungsarbeit auf der eigenen Homepage. "Tennet geht dort auch auf die negativen Aspekte ein."
Ein weiterer Vorwurf der Analysten bezieht sich darauf, dass die Anleihe undurchsichtig ist. "Betrachtet man die rechtliche Ausgestaltung und vergleicht man die Anleihebedingungen anderer Unternehmensanleihen mit denen der Bürgeranleihe von Tennet, so ist dieses harte Urteil nur schwer nachzuvollziehen." Das Nachvollziehen der Zinshöhe sei derweil komplexer. Gleichwohl sieht der Geschäftsführer des Finanzdienstleisters Leih-Deiner-Stadt-Geld keinen Grund, deshalb von der Anleihe gänzlich abzuraten. "Man sollte wie bei jeder Geldanlage nicht alles dort anlegen."
Er stellt jedoch fest, dass eine faire Vergütung für die Hybridanleihe über den gebotenen 3 bis 5 Prozent liegen sollte. "Wenn ich 7 Prozent höre, bin ich auch misstrauisch." Aber wenn in diesem Fall Bundesumweltminister und Bundeswirtschaftsminister behaupten, man wolle nicht so hoch gehen, um Seriosität zu wahren, sei das fadenscheinig. "3 bis 5 Prozent sind deutlich zu gering." Zudem stelle die fehlende Rückzahlfrist für die Bürger ein erhöhtes Risiko dar. Bürger droht zudem tatsächlich bei Zeichnung der Anleihe im schlimmsten Fall der Totalverlust ihrer Investition. Dieses Ausfallrisiko bestehe jedoch bei jeder Geldanlage, gibt er zu bedenken. "Es bleibt abzuwarten, wie sich die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger entwickelt und welche Lehren die vier großen Stromnetzbetreiber in Deutschland aus diesem Pilotprojekt ziehen. Der Schritt zu mehr Bürgerbeteiligung beim Ausbau des Stromnetzes ist sicher nicht falsch – nur wie, ist noch nicht abschließend geklärt", resümiert er. (Nicole Weinhold)